Helmut Katzenbogen sitzt auf dem Sofa seiner Dreizimmerwohnung im zweiten Stock des Mehrparteienhauses in der Haunstetterstraße in Königsbrunn und zündet sich eine Zigarette an. Er hat Redebedarf. Neben dem Sofa fällt ein Stuhl mit Lenkrad auf, Richtung Fernseher gerichtet. Normalerweise geht Katzenbogen darin seiner Leidenschaft, dem Motorradfahren, nach – das nach zwei Unfällen im echten Leben unmöglich geworden ist. Seit dem letzten Wasserschaden lässt sich der Stuhl aber nicht mehr bedienen. Das Lenkrad ist kaputt. Die Spuren an der maroden Holzdecke sind noch sichtbar. Gleichzeitig zeigt das Thermometer neben dem Fernseher 15 Grad.
Denn seit einigen Tagen finden Vorarbeiten zum Austausch der Heizung statt. Zumindest bei Katzenbogen funktioniert der übergangsweise eingesetzte Heizungswagen kurz vor dem ersten Advent noch nicht.
Helmut Katzenbogen: „Und das nennt sich sozialer Wohnungsbau“
Seit 2009 wohnt Katzenbogen jetzt hier in dem städtischen Sozialbau, der im Jahr 1999 beim Deutschen Architekturpreis Anerkennung fand und als Vorzeigebeispiel für sozialen Wohnungsbau galt. Weiße Säulen treffen auf eine braune Holzfassade, hinter der sich die Zimmer und Fenster der Wohnungen kastenförmig stapeln. Daher auch der Spitzname Hasenstall. Der alte Glanz ist mittlerweile verflogen. Die Einsparungen, die man beim Bau der Anlage in den Neunzigerjahren getroffen hat, um das Wohnen sozial verträglich zu gestalten, machen sich seit einiger Zeit bemerkbar.
Gerade die Holzfassade macht Probleme. Dabei geht es nicht nur um Wasserschäden und fehlende Kältedämmung. Es geht um Schimmel in den Hausfluren, unaushaltbare Hitze in den Obergeschossen im Sommer, durchlässige Wände und Decken, milchige und undichte Fenster und einen Sicherungskasten in Katzenbogens Wohnung, der sich direkt unter seiner Toilette befindet. „Das ist teilweise lebensgefährlich hier. Und das nennt sich sozialer Wohnungsbau“, sagt Katzenbogen. Über den baulichen Zustand hinaus klagt er über vermüllte Hausflure, weggesperrte Biomülltonnen, den schmutzigen Aufzug und über falsch eingebaute Türen. Den Mieterschutzbund habe er bereits kontaktiert. Doch auch dieser Rechtsbeistand kostet Geld. „Wer Geld hat, kann sich wehren, wer keins hat, kann sich nicht wehren“, sagt Katzenbogen dazu.
„Das hat System“, sagt Katzenbogen über Zustände in Königsbrunner Haus
Wenn er versuche, die Hausverwaltung zu konfrontieren, komme er nicht durch. „Die wissen schon, wer da anruft“, sagt er. Erst, wenn er unter einer anderen Nummer anrufe, würde jemand abheben. „Das hat System“, meint er.

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Die Wohnanlage an der Haunstetterstraße in Königsbrunn hat Ende der Neunzigerjahre mehrere Architekturpreise gewonnen
Foto: Lino Herrmann
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Die Wohnanlage an der Haunstetterstraße in Königsbrunn hat Ende der Neunzigerjahre mehrere Architekturpreise gewonnen
Foto: Lino Herrmann
Katzenbogen ist damit nicht alleine. Es gehe vielen Mietern hier so. Eine davon ist Helena Philbert, die nach einiger Zeit auf dem Sofa neben Katzenbogen Platz nimmt. Sie wohnt mit ihrem Sohn und ihren zwei Chihuahuas ein paar Wohnungen weiter. „Niveaulos ist das hier“, sagt sie. Anschließend ziehen beide durch die Hausflure und deuten auf den Schimmel an den Wänden, stehen im verdreckten Aufzug und präsentieren den Müll im und ums Haus, um den sich niemand kümmert. Philbert deutet auf ihre milchigen und undichten Fenster. Katzenbogen hat sein Maßband im Gepäck, um zu beweisen, dass das Geländer am Hausflur unter der vorgeschriebenen Mindesthöhe liegt.
Nächstes Jahr soll die Wohnanlage umfassend saniert werden
Dem Hausbesitzer, der Gesellschaft für Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung (GWG), sind die Zustände bekannt. Deswegen soll das Gebäude nächstes Jahr umfassend saniert werden. „Fassaden, Dämmung und Fenster werden so saniert, dass die Wohnanlage danach dem Neubaustandard entspricht. Isoliert sind diese Projekte nicht machbar“, sagt Günther Riebel, GWG-Geschäftsführer in Königsbrunn. Für die Sanierung konnte man noch kurzfristig Fördermittel durch das bayerische Modernisierungsprogramm für Mietwohnungen einstreichen. Die aktuellen Vorarbeiten für den Heizungstausch im nächsten Jahr sind der erste Schritt. Mit der mobilen Heizzentrale sei währenddessen für Wärme in den Wohnungen gesorgt, versichert Riebel. „Wir tauschen im Winter keine Heizung aus“, ergänzt er.
Neben den baulichen Mängeln sieht Riebel das Wohnverhalten und die Sauberkeit als „hausgemachte Probleme“. Es gebe „ganz viele gute Mieter“, aber von den knapp 40 Mietparteien eben auch ein paar wenige, die sich nicht an die Regeln halten. „Wenn in den Aufzug uriniert wird, ständig Plastikmüll in den Biotonnen liegt und in der Früh regelmäßig ein Stapel Sperrmüll vor dem Haus liegt, dann werden die Hausmeister auch irgendwann mürbe“, sagt Riebel. Auch Katzenbogen lobt mehrfach die Arbeit der Hausmeister. Um mögliche Übeltäter zu identifizieren, sei man auf Hinweise der Mieterschaft angewiesen, sagt Riebel. „Wir haben selbst höchstes Interesse, dass unser Eigentum in einem guten Zustand bleibt. Aber Kameras sind datenschutzrechtlich schwierig.“
Zur fehlenden Erreichbarkeit macht Riebel deutlich: Das sei nicht der Stil der GWG. „Wer ein Gespräch mit uns führen will, der bekommt das auch.“
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