Frau Schenderlein, Sie sind seit April Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, ein Posten, den es so bisher nicht gab. Wie sind Ihre ersten Erfahrungen mit dem Sport?
CHRISTIANE SCHENDERLEIN: Durch die Bank positiv. Ich habe mich gründlich in die Materie eingearbeitet. Es ist ein wunderbares Feld und macht Spaß. Ich bin sehr motiviert, das, was wir uns vorgenommen haben, anzupacken. Im Sport geht es dabei vor allen Dingen um die Bewerbung für Olympische und Paralympische Spiele und das Sportfördergesetz. Das sind die beiden großen Bausteine. Aber auch das Zentrum für Safe Sport spielt eine wichtige Rolle. Die Traineroffensive müssen wir ebenfalls angehen.

Wie nah sind Sie am Sport dran?
SCHENDERLEIN: Ich versuche, sehr nah dran zu sein. Erst am Dienstag war ich bei der Handball-WM der Frauen in Dortmund. Es war ein tolles Spiel. Jede Sportart hat ihren Reiz und ihre Faszination. Wenn ich sehe, mit wie viel Leidenschaft und Hingabe die Athletinnen und Athleten kämpfen. Das ist eine große Motivation, daran zu arbeiten, dass es ein gutes Sportsystem, ein gutes Fördersystem gibt, dass wir möglichst viel erreichen können für die Athleten. Nicht immer klappt alles an einem Tag. Aber jetzt zeichnet sich doch schon das ein oder andere ab, was gelungen ist. Zum Beispiel im Bereich der Sportinfrastruktur, wo wir jetzt schon viel mehr Geld investieren werden.

Sie sprechen von der Sportmilliarde, die sich jetzt auf drei Jahre verteilt.
SCHENDERLEIN: Ja, da war die erste Entscheidung. Das ist wichtig, vor allen Dingen für den Breitensport. Da ist der Bedarf natürlich noch um ein Vielfaches höher als im Spitzensport. Aber wir brauchen auch eine weitere Stärkung der Leistungssportinfrastruktur. Für diese Legislaturperiode sind das noch einmal zusätzlich 150 Millionen. Und ich habe eine grundsätzliche Steigerung des Haushalts erreichen können, also 100 Millionen jedes Jahr zusätzlich im Vergleich zu dem, was vorher im Sporthaushalt war. So kommen wir schon im nächsten Jahr auf über 400 Millionen Euro für den Sport- und Ehrenamtsetat.

Nach welchen Kriterien wird denn das Geld verteilt?
SCHENDERLEIN: Es gibt für die Sanierung der kommunalen Sportstätten eine Förderrichtlinie, die das Bauministerium entworfen hat. Bis zum 15. Januar können dort Anträge gestellt werden. 45 Prozent gibt der Bund und zehn Prozent muss eine Kommune dazugeben. Das Entscheidende ist, dass das Geld aus dem Sondervermögen des Bundes kommt und mit dem, das wir den Ländern zur Verfügung stellen, kombiniert werden darf. Das macht es sehr attraktiv. Die Länder gehen da ganz unterschiedliche Wege, haben aber die Möglichkeit, Projekte mitzufinanzieren. Oder sie geben das Geld direkt an die Kommunen und die entscheiden dann. Durch die Haushaltsverhandlungen sind noch 20 Millionen für das Programm „Deutschland lernt Schwimmen“ hinzugekommen, das wir gemeinsam mit dem Deutschen Schwimmverband und der DLRG aufsetzen. Das stärkt das Ehrenamt und rettet Leben. Der Bedarf ist groß.

Im organisierten Sport ist in Deutschland über die Jahrzehnte ein System gewachsen mit Funktionären, die oft auch schon sehr lange in dem System tätig sind. Wie sind sie dort empfangen worden als neue Staatsministerin in einer neuen Position?
SCHENDERLEIN: Sehr wohlwollend. Der organisierte Sport hatte sich ja sehr dafür eingesetzt, dass es jetzt dieses neue Amt gibt. Entsprechend neugierig waren sie auch. Nun haben sie jemanden bekommen, der vorher gar nicht dadurch bekannt gewesen ist, eine besondere persönliche biografische Note für den Bereich Leistungssport zu haben. Aber in den zahlreichen Gesprächen habe ich trotzdem eine große Offenheit gespürt. Und auch ein Verständnis dafür, dass es eben ein bisschen Zeit braucht, um sich vertieft einzuarbeiten. Aber es ist vielerorts auch positiv bewertet worden, weil ich eben nicht zu einer Sportart eine besonders hohe Affinität habe, sondern einen frischen Blick mit hineinbringe. Die Werte, die gelebt werden, die passen wiederum hervorragend auch zu meiner Biografie. Gerade das Thema Disziplin ist mir durchaus vertraut, wenn man Mutter ist, einen Job hat und eine Doktorarbeit schreibt und die auch abschließt. Dass man eben auch mal kämpfen muss, dass nicht immer alles so leicht geht, dass es auch mal Hürden gibt.

Ein neues Sportfördergesetz ist seit über zehn Jahren Thema. Sie haben das jetzt angepackt, ein Referentenentwurf liegt vor. Im Kern geht es um die Gründung einer unabhängigen Spitzensportagentur mit zwei Vorständen, die über die Mittelvergabe entscheiden. Ausgewählt werden die Vorstände von den fünf Mitgliedern des Stiftungsrats, von denen drei der Bund, eines der DOSB und eines die Länder stellen. Der DOSB fühlte sich übergangen und hat sich klar dagegen positioniert. Er sieht sich zu wenig gewürdigt, hatte bisher aber auch nur beratende Funktion. Verstehen Sie die Aufregung?
SCHENDERLEIN: Die Themen und Ansätze lagen alle auf dem Tisch. In der letzten Legislaturperiode gab es schon einen Entwurf. Auf dieser Grundlage haben wir uns an die Arbeit gemacht. Wir haben das, was vorlag, noch einmal grundlegend überarbeitet und dabei auch die kritischen Stimmen berücksichtigt. Und bei einem Gesetz ist es die Aufgabe der Bundesregierung, zunächst einen eigenen Entwurf vorzulegen. Ich habe mich dafür intensiv durch den alten Entwurf gearbeitet und mir ist gleich aufgefallen, dass die ursprünglich geplante Gremienstruktur so nicht funktionieren kann, weil da viele Doppelungen entstanden wären. Es funktioniert auch nicht, Beratung und Entscheidung zusammenzulegen. Da haben wir eine klare Rollenteilung vorgenommen. Wenn in diesem Land etwas reichlich vorhanden ist, dann sind es Gremien. Wenn wir so mutig sind und die Förderung in Expertenhände legen, dann ist es wichtig, dass diese Agentur einen klaren Handlungsauftrag bekommt. Beim Leistungssport geht es da um den Leistungsgedanken. Das haben wir jetzt klar und prominent am Anfang des Gesetzes verankert. Wir wollen wieder besser werden, und das zeigt sich nun mal im Leistungssport am Medaillenspiegel.

Eine konkrete Kritik war, dass der Passus zur Verbandsautonomie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf rausgenommen wurde. Warum?
SCHENDERLEIN: Weil er nicht notwendig ist. Wir brauchen nicht Dinge regeln, die ohnehin geklärt sind. Die Autonomie des Sports lässt sich direkt aus dem Grundgesetz ableiten.

Wann soll das Sportfördergesetz in Kraft treten?
SCHENDERLEIN: Bis 10. Dezember läuft noch die Frist für die Abgabe von Stellungnahmen der Verbände. Da sind übrigens auch positive dabei. Wir werden uns die alle anschauen und auch veröffentlichen. Parallel laufen auch schon Gespräche. Ich will, dass wir im Januar in die Kabinettbefassung kommen und dann sind wir im parlamentarischen Verfahren. Ziel wäre, das Gesetz vor der Sommerpause zum Abschluss zu bringen. Wichtig ist, dass wir zügig zu den Beschlüssen kommen. Die Sportagentur muss dann aufgesetzt werden und wir wissen, dass das ein bisschen Zeit braucht. So richtig starten wird sie dann nach den Olympischen Sommerspielen 2028 für den neuen Olympia-Zyklus.

An diesem Samstag findet die DOSB-Mitgliederversammlung statt. Sie werden dort auch sprechen. Was für einen Empfang erwarten Sie?
SCHENDERLEIN: Einen sportlichen! Ich gehe immer positiv an die Sache. Ich war letzte Woche mit der Spitze des DOSB bei der neuen IOC-Präsidentin Kirsty Coventry in Lausanne. Das war eine gute Zusammenarbeit. Wir hatten kürzlich eine Runde mit den Landessportbünden und das war auch ein gutes und faires Miteinander. Mein Wunsch ist immer, dass man mit Argumenten oder mit konkreten Vorschlägen ins Gespräch geht.

Sie haben das IOC angesprochen. Wie ist dort die Stimmungslage in Bezug auf eine deutsche Olympiabewerbung?
SCHENDERLEIN: Wir hatten ein sehr, sehr angenehmes Gespräch und es war toll, dass wir diese Gelegenheit bekommen haben. Jetzt ist Deutschland in den sogenannten Continuous Dialogue, also in die erste Stufe des internationalen Bewerbungsprozesses, eingestiegen. Das IOC ist extrem gut informiert, wie unser Bewerbungsprozess läuft. Es war wirklich wichtig, dass die Münchner Entscheidung mit diesem starken Ergebnis ausgegangen ist. Das war ein ganz positiver Punkt. Wenn wir unsere Bürgerinnen und Bürger fragen und mitnehmen wollen, dann schaut das IOC genau hin, wie viel Zustimmung es gibt.

Sehen Sie München in der deutschen Pole-Position?
SCHENDERLEIN: Ich sehe alle Bewerbungen nach wie vor auf einem Niveau. Es gibt ganz viele gute Ideen. Man muss jetzt sehen, wie sich Nordrhein-Westfalen aufstellt, wie sich Hamburg positioniert. In Berlin wird die Diskussion gerade sehr kontrovers geführt. Ich finde es gut und wichtig, dass sich der Regierende Bürgermeister klar zu einer Bewerbung bekennt. Bayern hat diese Qualifikation jetzt schon erreicht. 66 Prozent Zustimmung in München sind ein klares Ergebnis. Das gibt Bayern die Möglichkeit, gezielt an der Bewerbung weiterzuarbeiten.

Die Haushaltslage ist angespannt. Können wir uns Olympia überhaupt leisten?
SCHENDERLEIN: Wir können die Spiele gut finanzieren. Wir haben auch ein starkes Interesse aus der Wirtschaft. Es ist wirklich beeindruckend, dass führende Unternehmen Deutschlands ganz klar sagen: Wir wollen die Spiele in Deutschland unterstützen. Und wir als Bundesregierung bekennen uns ganz klar zu der Bewerbung.

Wenn Sie Olympia schauen: Welche Sportart sehen Sie am liebsten?
SCHENDERLEIN: Ich finde Tanzen toll, Standard und Latein sind aber leider nicht olympisch. Ich kann mich aber für alles Mögliche begeistern. In meinen wenigen Monaten im Amt bin ich mit vielen Sportarten in Berührung gekommen und konnte viele Spiele und Wettbewerbe sehen. Aktuell freue ich mich auf die Wintersportsaison.

Werden Sie auch die Olympischen Winterspiele in Italien besuchen?
SCHENDERLEIN: Ja klar! Aber welche konkreten Wettbewerbe ich sehen werde, steht noch nicht fest.

Im Anschluss daran finden die Paralympischen Winterspiele statt. Das Internationale Paralympische Komitee hat im September den Weg dafür frei gemacht, dass grundsätzlich auch russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler wieder teilnehmen dürfen. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
SCHENDERLEIN: Ich bedaure die Entscheidung der Mitgliedsorganisationen des Internationalen Paralympischen Komitees, die Suspendierung der russischen und belarussischen Nationalen Paralympischen Komitees aufzuheben. Denn der Krieg dauert an. Es besteht keine Veranlassung, von dieser Sanktionierung Abstand zu nehmen. Das Internationale Paralympische Komitee muss klären, was die Entscheidung bedeutet – sowohl für paralympische Sportveranstaltungen über die Paralympischen Winterspiele 2026 hinaus als auch für die ukrainischen Gebiete, die Russland vorübergehend besetzt hat.

  • Jonathan Lindenmaier

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