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Nach dem 0:6 gegen Bayern folgte die Wende. Ole Werner formt aus vielen Talenten eine funktionierende Mannschaft unter dem Brausedach.
Leipzig / Frankfurt – Sicherheitshalber hat Ole Werner seinen Spielern empfohlen, sie sollten vor dem Top-Spiel am Samstag (18.30 Uhr/Sky) ihre Schuhe putzen, womöglich könnte der bärtige Mann im roten Mantel seine Rute auspacken. Das hat der Trainer von RB Leipzig natürlich nur im Spaß gesagt, zum einen werde er definitiv keine Geschenke verteilen, schon gar nicht an Eintracht Frankfurt an diesem Nikolausabend, zum anderen sei das gar nicht seine Aufgabe. Seine Aufgabe sei: drei Punkte einfahren, und fertig.
Fühlt sich wohl in Leipzig: Ole Werner. © IMAGO/Gabor Krieg
Ole Werner, der sehr norddeutsche Mensch von der Kieler Förde, ist jetzt nicht dafür bekannt, vor Mikrofonen oder TV-Kameras den Entertainer zu geben und lustige Sprüche zu produzieren. Eher das Gegenteil: Der 37 Jahre alte Fußballlehrer, der schon als Nachtwächter im „Tatort“ gearbeitet, Gärtner in Australien war und ein Wirtschaftsstudium abgebrochen hat, dieser Ole Werner ist so etwas wie die Fleisch gewordene Nüchternheit, gepaart mit purer Sachlichkeit und Schnörkellosigkeit, sozusagen ein Quell des Unspektakulären. Und damit genau der Richtige für die Betriebsmannschaft eines Unternehmens, das klebrige Brause herstellt?
RB-Trainer ist die Ruhe in Person
Genau so sieht es aus nach einem Drittel der Saison! Ole Werner, der zuletzt aus Mangel an Perspektive, fehlendem Geld und stagnierender Entwicklung beim SV Werder Bremen den Betel hingeworfen hat, hat es tatsächlich geschafft, stark kriselnde, zerstrittene Leipziger Profis binnen kurzem zu einer echten, prima funktionierenden Mannschaft zu formen.
Einer Mannschaft, die zwar im allerersten Spiel gegen Bayern München mit 0:6 den Hintern versohlt bekommen hat, die sich aber seitdem als sehr ernsthafter Verfolger der Bajuwaren herauskristallisiert hat. Das war nicht gerade erwartet worden.
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Und das nach einer zutiefst enttäuschenden Saison, mit Platz sieben, und einem erstaunlich umfangreichen personellen Aderlass zu Beginn der neuen Runde. RB hatte Spieler wie Benjamin Sesko, Xavi Simons, Mo Simakan, Lois Openda, Yussef Poulsen und André Silva abgegeben und dafür mehr als ein Dutzend neue Profis verpflichtet, die meisten allenfalls Insidern bekannt.
Yan Diomande, Conrad Harder, Assan Quedraogo, Johan Bakayoko, Ezechiel Banzuzi, Romulo oder Tidiam Gomis. Selbst Geschäftsführer Marcel Schäfer räumte ein, „unheimliche individuelle Qualität“ verloren zu haben. Ole Werner, den Jürgen Klopp, Head of Soccer bei Red Bull, an den Cottaweg lockte und ihn als „absoluten Überperformer“ adelte, sollte diese Mammutaufgabe schultern.
Und erstaunlich schnell hatte er Erfolg, in Leipzig agiert aller Fluktuation zum Trotz mittlerweile ein sehr eingespielt wirkendes Ensemble feiner Füße gemeinsam, bei dem ein Rädchen ins andere greift: „Intensität, Gemeinschaft, Disziplin“ sind die drei Säulen, auf denen Werners Philosophie fußt, Dinge, die gerade genau in Leipzig gefragt waren. Werner hat unaufgeregt eine ziemliche Abkehr vom klassischen erdrückenden RB-Gegenpressingfußball hinbekommen.
Er hat seine Führungsspieler (Willi Orban, Peter Gulasci, David Raum, Christoph Baumgartner) stark gemacht, er will Tempo, das er mit den immens schnellen Flügelstürmern Bakayoko, Diomande und/oder Antonio Nusa (der Eintracht Frankfurt im DFB-Pokal 2024 beim 0:3 ziemlich zerlegte) im Übermaß besitzt, er lässt mutig verteidigen, zudem haben Spiele in der heimischen Arena mittlerweile einen hohen Unterhaltungswert; all ihre bisherigen fünf Heimspiele haben die Sachsen übrigens gewonnen, bei 12:3 Toren.
Und Ole Werner hat in Leipzig, wo das Quartett um Timo Werner, Kevin Kampl, Lukas Klostermann, Amadou Haidara gehen soll, konsequent auf junge Spieler gesetzt, setzen müssen. Eine Eigenschaft, die er in Bremen und zuvor bei Holstein Kiel nicht unbedingt an den Tag gelegt hatte. Aber bei RB hat er ja kaum eine andere Möglichkeit, das Gros seiner Spieler ist zwischen 19 und 22 Jahre alt. An den Nikolaus glauben die dennoch nicht.