Die Notärztin Lisa Federle und Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer haben ein Buch geschrieben. In „Wir machen das jetzt!“ geht es um Krisen und wie man mit ihnen umgeht.
Ob Wirtschaftskrise, Klimawandel, Zuwanderung, steigende Kriminalität oder Wohnungsnot: Die Menschen stehen vor einer bedrückend großen Zahl an Problemen. Gerade in diesen Zeiten ist pragmatisches Handeln gefragt. Das bekräftigen Lisa Federle und Boris Palmer in ihrem neuen Buch „Wir machen das jetzt!“ Die 230 Seiten starke Lektüre ist jetzt im Buchhandel und wird am Sonntag, 27.04. in Tübingen im Rahmen einer Benefizveranstaltung vorgestellt. Moderiert wird das Gespräch vom Grünen-Politiker Cem Özdemir.
Federle schreibt aus Sicht einer Ärztin, Palmer aus Sicht eines Praktikers im Rathaus
In diesem Buch beschreiben die Tübinger Ärztin Lisa Federle und der Oberbürgermeister von Tübingen Boris Palmer die konkreten Herausforderungen beim Klimaschutz, bei der Zuwanderung, der Digitalisierung und im Wohnungsbau. Anhand von Fakten und eigenen Erfahrungen liefern sie Handlungsansätze. Dabei schöpfen sie ihre Erkenntnisse auch aus ihren Berufen.
Hausbesuche geben Einblicke in das Leben der Menschen
Lisa Federle arbeitet seit vielen Jahren als Notärztin. Als solche macht sie regelmäßig in Tübingen Hausbesuche, bei denen sie „immer wieder einen direkten und unverfälschten Einblick in das Leben der Menschen in unserem Land“ bekommt. Im Buch werden Situationen beschrieben, die aus ihrer Sicht die Probleme beispielhaft deutlich machen. Ihre Passagen wechseln sich mit Palmers Ausführungen ab. Um die Texte den Autoren zuordnen zu können, sind sie in unterschiedlichen Schriftarten gedruckt.
Federle beschreibt zum Beispiel das Schicksal eines Jungen, der mit seinen Eltern aus dem Ausland gekommen ist. Der Junge ruft mehrmals den Notdienst. Zuhause bei dem Kind findet Federle einen arbeitslosen, betrunkenen Vater vor. Und einen scheinbar gesunden Jungen, der offensichtlich keine Lust hatte, zu Schule zu gehen.
Federle: „Wir müssen uns um die Kinder kümmern.“
Der Fall zeige, dass ein Junge wie „Jasin“ (der Name wurde geändert) keine Chance im Leben und in der Gesellschaft hat. Wer soll ihm eine Perspektive geben? Der Vater, der teilnahmslos im Wohnzimmer vor dem Fernsehen sitzt und Bier trinkt? „Der Vater ist kein Vorbild“, sagt Federle. Da habe die Gesellschaft eine Verantwortung. „Wir müssen uns um die Kinder kümmern“. Konkret empfiehlt die Ärztin, mehr Geld in die Schulsozialarbeit zu stecken.
Wir wollten keinen Ratgeber schreiben, davon gibt es genug.
Was war die Motivation für das Buch? Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer muss nicht lange nachdenken: „Wir wollten die Probleme nicht wegdiskutieren. Im Gegenteil. Wir waren uns einig: Es ist schwierig, ja. Aber jammern hilft nicht. Wir wollten aufzeigen, dass trotz aller Schwierigkeiten was machbar ist.“ Das Buch spreche aus Erfahrung. Es zeige, was mit Innovation möglich sei. Dass man sich nicht gleich vom ersten Nein beeinflussen lassen darf. „Wir wollten keinen Ratgeber schreiben, davon gibt es genug. Das Buch kann als Lösungsvorschlag gesehen werden, ja.“
Verpackungssteuer: Beispiel für Hartnäckigkeit und Mut
Ein Beispiel für Hartnäckigkeit, die sich am Ende ausgezahlt hat, ist die Tübinger Verpackungssteuer. Etwas durchzusetzen erfordere Mut und Ausdauer. Man dürfte sich nicht von ersten Misserfolgen abschrecken lassen, so Palmer. Die Verpackungssteuer sei ein gutes Beispiel dafür. „Am Ende hat uns das höchste Bundesgericht Recht gegeben.“ Zusätzlich habe Tübingen damit auch einen Spielraum für andere Kommunen erkämpft. Zum Titel des Buches „Wir machen das jetzt!“ könnte man ergänzen: Wir machen das jetzt, obwohl es Vorschriften gibt.
Das Buch soll Orientierung schaffen, Sicherheit bieten und die Zuversicht, dass die Krisen unserer Zeit zu bewältigen sind. Boris Palmer hat eine Idee, wer mit der Lektüre etwas anfangen kann:
Herzensthemen: Bürokratieabbau und Gesundheitssystem
Für Palmer ist das Kapitel über Bürokratie ein ganz zentrales. Menschen sollten nicht Spielball von sinnlosen, einschränkenden Vorschriften werden. Das lähme die Wirtschaft und nehme die Freude an der Arbeit und am Unternehmertum, so Palmer. Federle liegt das Kapitel Gesundheitssystem am Herzen. Die medizinische Versorgung werde immer schlechter. Und bald gehen auch noch viele Hausärzte in Rente. Letztlich liege das auch an „sinnlosen“ Vorschriften, so Federle. Die Hürden für ein Medizinstudium seien zu hoch. „Ich kenne so viele, die wären geeignet und bekommen keinen Platz.“ Federle findet: Wer einen medizinischen Beruf erlernt hat, sei es als Krankenschwester oder als Rettungssanitäter, der sollte auch sofort zum Medizinstudium zugelassen werden. Da werde viel zu sehr auf Noten geachtet.