Am Klinikum Bremen-Mitte gab es fehlerhafte Brustkrebs-Befunde.
Bild: dpa bildfunk | Sina Schuldt
Die Aufarbeitung von 34 bekannten Brustkrebs-Fehlbefunden in Bremen läuft seit Tagen. Wir fassen den Stand zusammen – und beantworten die wichtigsten Fragen.
Das Klinikum Bremen-Mitte steckt in der Krise. Grund dafür sind Dutzende Fehlbefunde bei Brustkrebs-Patientinnen. Die betroffenen Frauen erhielten daraufhin eine Antikörper-Therapie und in einigen Fällen auch eine Chemotherapie, die nicht notwendig gewesen wäre.
Ultraschall einer Brust mit Brustkrebs.
Bild: Radio Bremen
Wie wurden die Falschbefunde entdeckt?
Aufmerksam geworden auf die Befunde war ein behandelnder Gynäkologe. Er hatte sich darüber gewundert, dass bei zwei seiner Patientinnen der Krebs nicht wie erwartet auf die Therapie ansprach. Der Befund wurde überprüft, es stellte sich heraus: Er war falsch. Daraufhin wurden alle Befunde der betreffenden Ärztin erneut geprüft.
Um sicherzugehen, nicht erneut Fehler zu machen, wurde dabei eine alternative Methode der Diagnostik angewandt. „Für das Mammakarzinom können wir weitere Fälle ausschließen“, sagt Johann Ockenga, Klinikdirektor am Klinikum Bremen-Mitte.
Welche Frauen sind betroffen?
Die verantwortliche Ärztin war für die Geno von Oktober 2024 bis November 2025 tätig. Für diesen Zeitraum sind ihre rund 500 Befunde nachträglich geprüft worden. Dabei wurden 34 Fälle festgestellt, die falsch befundet wurden.
Betroffen sind dem Klinikverbund zufolge ausschließlich Brustkrebs-Patientinnen des Klinikums Bremen-Mitte, des Klinikums Bremen-Nord sowie vom Krankenhaus St. Joseph-Stift. Für diese drei Krankenhäuser hatte die Pathologie in Bremen-Mitte Befunde erstellt.
Welche Folgen haben „Übertherapierungen“?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern sei nur auf Grundlage individueller und detaillierter Pathologie-Befunde zu beurteilen, sagt Wolfgang Janni, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft.
„Jede nicht indizierte Therapie birgt Risiken in sich, die nicht durch den erwarteten Mehrwert einer evidenzbasierten Therapie widergespiegelt wird“, sagt Janni. Sprich: Wenn eine Behandlung nicht wirklich notwendig ist, kann sie der Patientin schaden – und dieser Schaden kann dann größer als der Nutzen sein.
Wie wurden die betroffenen Frauen informiert?
Mit allen Frauen, deren Befunde fehlerhaft waren, haben die behandelnden Ärztinnen und Ärzte aus der Gynäkologie unmittelbar Kontakt aufgenommen, sagt Klinikdirektor Ockenga gegenüber buten un binnen.
Alle betroffenen Frauen wurden aufgeklärt. Und es wurde ihnen Hilfe angeboten.
Johann Ockenga, Klinikdirektor am Klinikum Bremen-Mitte
Darüber hinaus hat das Klinikum Bremen-Mitte eine Hotline für Nachfragen eingerichtet (siehe Kasten).
Information zum Thema
Hotline für Nachfragen
Das Klinikum Bremen-Mitte weist auf seiner Website darauf hin, dass alle betroffenen Patientinnen bereits informiert worden sind. Wer trotzdem noch Fragen zu entsprechenden Befunden oder Therapien hat, sollte sich entweder beim behandelnden Arzt oder unter der Telefonnummer 0421 497 81424 melden.
Ende der Information zum Thema
Nicht betroffene Frauen wurden zunächst auch nicht von ihren behandelnden Ärzten informiert. Dies will die Geno nun nachholen. „Wir werden alle 500 Patientinnen, die bei uns in Behandlung sind, anschreiben“, sagt Sprecherin Karen Matiszick.
Johann Ockenga ist Klinikdirektor am Klinikums Bremen-Mitte.
Bild: Radio Bremen
Wie konnte es zu den Fehlbefunden kommen?
Die verantwortliche Ärztin soll einen spezifischen Marker bei Gewebeproben falsch interpretiert haben. Das blieb längere Zeit unentdeckt. Dafür gibt es Klinikdirektor Ockenga zufolge mehrere Gründe: „In einer Pathologie werden täglich hunderte Befunde befundet“, sagt Ockenga. Nicht für alle Befunde könne ein Vier-Augen-Prinzip durchgeführt werden.
Darüber hinaus galt die verantwortliche Ärztin dem Klinikdirektor zufolge als erfahrene Fachärztin. Abgesehen vom Klinikum Mitte habe sie auch an der Universität Göttingen gearbeitet, wo sie auch ausgebildet worden sei. „Wir sind davon ausgegangen, dass sie auf einem hohen Niveau unterwegs war“, sagt Ockenga. Der Fehler, der zu den Fehlbefunden geführt habe, sei ein systematischer gewesen. „Am Ende war es ein individueller Fehler“, sagt Ockenga.
Auch qualitätssichernde Maßnahmen hätten nicht gegriffen, sagt der Klinikdirektor. Ringversuche beispielsweise, bei denen einzelne Proben eingeschickt und von einer anderen Person befundet worden seien, hätten nichts Auffälliges ergeben.
Gibt es verpflichtende Qualitätsvorgaben?
„Onkologische Leitlinien spielen in der Behandlung von Krebsbetroffenen eine wichtige Rolle“, sagt Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft. Die „S3-Leitlinie Mammakarzinom“ beispielsweise betone den Stellenwert einer interdisziplinären Behandlung in einem zertifizierten Zentrum.
„Eine Behandlung nach einer Leitlinie ist aber nicht verpflichtend“, sagt Bruns.
Eine Umsetzung des Vier-Augen-Prinzips, wie es auch die „S3-Leitlinie Mammakarzinom“ empfiehlt, muss also nicht zwangsläufig umgesetzt werden.
Welche Konsequenzen haben die Fehlbefunde?
Speziell für die Befundung des Mammakarzinoms hat das Klinikum-Mitte nun ein konsequentes Vier-Augen-Prinzip eingeführt. Darüber hinaus ist geplant, künftig mehr Stichproben zu nehmen.
Auch im Umgang mit den betroffenen Frauen will das Klinikum Bremen-Mitte Verantwortung übernehmen. Dies gelte auch für etwaige Entschädigungen. „Sicherlich ist es ein Fehler unsererseits, und wir werden dafür auch die notwendigen Konsequenzen tragen“, sagt Klinikdirektor Ockenga.
Parallel hat auch die Staatsanwaltschaft Bremen erste Ermittlungen aufgenommen.
Die verantwortliche Ärztin arbeitet inzwischen nicht mehr für das Klinikum-Mitte. Auch an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) ist sie bis Weihnachten freigestellt worden, teilt eine UMG-Sprecherin mit.
Welche Konsequenzen fordert die Politik?
Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) teilt mit, dass sie die Vorfälle „zutiefst erschüttern“. „Allen ist bewusst: Die betroffenen Frauen müssen nun jegliche Unterstützung erhalten“, so die Senatorin. Sie fordert „umfassende Aufklärung und Transparenz“.
Auch die gesundheitspolitischen Sprecher der Bremer Parteien äußern sich zu den Geschehnissen. Sie fordern Aufklärung, strukturelle Konsequenzen und bessere Qualitätssicherungsmaßnahmen – insbesondere ein verpflichtendes Vier-Augen-Prinzip. Das Thema wird auch in der nächsten Woche in der Bürgerschaft besprochen: Die Gruppe Bürgerallianz für Bremen und Bremerhaven hat die Debatte beantragt. Viele Punkte seien noch unklar, und müssten politisch aufgearbeitet werden, heißt es zur Begründung.
Quelle:
buten un binnen.
Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 4. Dezember 2025, 19:30 Uhr


