
AUDIO: „In Schwebe / In Limbo“ Theater wie ein Gemälde in Hannover (4 Min)
Stand: 06.12.2025 12:00 Uhr
Die neue Produktion „In Schwebe / In Limbo“ bezeichnet das Theater an der Glocksee in Hannover als „Theatergemälde“, denn es ist – statt mit Worten – in szenischen Bildern und Musik inszeniert. Premiere war am Freitagabend.
Es liegt Melancholie über der Szene. Wie in eine Häuserzeile, der die Vorderfront fehlt, gucken wir in Bad, Schlafzimmer und eine Garage. Darin fünf Menschen, allein. Eine junge Frau im kurzen Pailletten-Glitzerkleid übt erotisches Räkeln, ein Mann steht vor einem Spiegel und schminkt sich einen Haaransatz auf den kahlen Schädel. Das Stück im Theater an der Glocksee ist eine Reaktion auf den Zustand des Schwebens, wie er sich gerade in vielen Bereichen zeigt: Vieles hängt in der Luft, ist ungewiss.
Geschichten selbst zusammenbauen

Die Theatergäste schauen durch Wände und Fassaden wie in ein Puppenhaus.
Dass die Schauspielerinnen und Schauspieler in wiedererkennbaren Umgebungen sind, lässt uns leichter andocken und eine Geschichte zu ihnen erfinden, sagt Bühnenbildnerin Britta Bremer. „Wenn ich in einem Zug sitze oder im Park und mal Leute beobachte, dann gucke ich mir die an und dann plötzlich geht da manchmal so was los“, erklärt Bremer. „Was könnten die jetzt da für eine Beziehung haben? Worüber sprechen die? Man baut sich so kleine Geschichten und so was passiert hier im Prinzip auch.
Dem Lärm eine andere Form entgegensetzen
Nur: Hier hat keiner mit einem anderen eine Geschichte. Die Personen wirken entwurzelt, vereinsamt. Entrückt und wunderbar desillusioniert gestaltet Lena Kußmann eine Frau, die Pfandflaschen in einem Einkaufswagen hin und her schiebt. Sie bedeckt sie mit ihrer Jacke, als läge dort ihr Baby. Schauspieler Dennis Pörtner betritt mit einem leeren Koffer das Schlafzimmer in einem Motel, faltet gekonnt abwesend minutenlang ein Hemd nach dem anderen. Hier ist vieles in der Schwebe.

Sybille Bergs „Ein wenig Licht. Und diese Ruhe.“ feiert Premiere am Staatstheater Hannover. In der Hauptrolle: Katja Riemann.
„Wir sind in einer Zeit, wo wir eine zunehmend spürbare Spaltung in der Gesellschaft haben. Miteinander gut als Gesellschaft in Kontakt zu kommen fühlt sich teilweise sehr schwierig an. Sich richtig zu verstehen fühlt sich schwierig an“, sagt Jonas Vietzke vom künstlerischen Leitungs-Duo. „Wir wollten dieser Flut an Diskussionen und Lärm gerade in der Welt gerne mal eine andere Form entgegensetzen.“
Positives und Negatives zum Schwebezustand
„Alles ist komplizierter als du denkst“, heißt es in einer Textzeile zur Filmmusik von Randy Newman. Und es gibt weitere Film-Anleihen: Hoffnungslosigkeit à la Kaurismäki ist im Stück auszumachen. Und wie aus einem Halloween-Schocker wirkt ein Kapuzen-Mann mit weißer Hasenmaske vor dem Gesicht, der sich im Zeitlupentempo bewegt und ein Opfer im Publikum zu suchen scheint.

Auf der Bühne spielen sich bei den vereinzelten Menschen absurde Szenen ab.
Ein Zustand in Schwebe, wie es der Titel des Stückes andeutet? Im Ensemble gab es unterschiedliche Meinungen dazu, sagt Lena Kußmann vom Leitungs-Duo. „Es kamen erstmal viele negative Assoziationen zu dem Schwebezustand. Und dann kamen aber auch immer mehr positive“, sagt sie. Ein Schwebezustand sei ein unentschiedener Zustand. Das bedeute, dass man noch etwas tun könne. „Ich kann etwas entscheiden. Ich kann mich noch einbringen. Ich kann einen Schritt in eine Richtung machen und das kann auch motivierend sein.“
Geschichte zieht in den Bann
Am Ende ist es der Schritt in eine neue Welt. Einer nach dem anderen steigen sie aus dem Schlafzimmer aus, indem sie durch eine Öffnung im Boden verschwinden. Das jedenfalls ist eine von vielen möglichen Interpretation. Denn auch ohne Text gibt es hier eine Geschichte, die einen in ihren Bann zieht. Nur wird sie nicht durch einen Text beeinflusst, sondern entsteht viel freier in jedem einzelnen Zuschauer – vor allem durch Umgebungen, Musik. Und das funktioniert erstaunlich gut.

Mit einem vierteiligen Theaterabend erinnert das Schauspiel Hannover an die vor 50 Jahren gestorbene Publizistin und politische Theoretikerin.

Beim Betreten des Foyers haben die Gäste Schlafmasken bekommen. Die Musiker führten sie zum Platz. Sehen konnten sie nichts.

Die Comedians Lukas Diestel und Jonathan Löffelbein schreiben pro Jahr sechs Programme. Heute Abend treten sie in Hamburg auf.

„In Schwebe / In Limbo“: Theater ohne Worte in Hannover
Das Theater an der Glocksee arbeitet beim neuen Stück mit szenischen Bildern und Musik – das funktioniert erstaunlich gut.
- Datum:
- 05.12.2025, 20:00 Uhr
- Ende:
- 23.01.2026
- Ort:
-
Theater an der Glocksee
Glockseestr. 35
30169
Hannover