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Geheimnisvolle Welt der Nerven: Synapsen (rot und grün) in Aktion im Gehirn (weiße Strukturen). Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert den Sonderforschungsbereich (SFB) 1286 zur Erforschung von Synapsen und Entwicklung einer computergestützten Synapsen-Simulation an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) für weitere 3,5 Jahre. Die Fördersumme liegt bei insgesamt mehr als elf Millionen Euro. © Foto: UMG/Antonios Ntolkeras
Die Göttinger Synapsen-Forscher erhalten elf Millionen Euro. Ihr Computermodell soll Nervenkrankheiten besser verstehen helfen.
Göttingen – Forscher aus Göttingen wollen Kontaktstellen zwischen Nervenstellen am Computer „nachbauen“ – das soll später auch helfen, die Entstehung von Nervenkrankheiten wie Parkinson und Alzheimer zu erkennen. Dafür gibt es nun erneut Fördergeld in Millionenhöhe.
In der Schule lernen Schüler seit Jahrzehnten, wozu Synapsen gut sind, was sie leisten. Kurzum: Sie leiten die so wichtigen Informationen in dem Gehirn und in den Nervenzellen weiter. Aber: Sie sind ebenfalls beteiligt an der Weiterleitung von falschen Informationen, Fehlern, die auch Krankheiten auslösen und fördern können. Die Göttinger Forscher aber wissen nach jahrelanger Arbeit viel mehr über die Synapsen, Aufbau und Funktion – als die Schulbücher und Lehrer vermitteln.
Synapsen am Computer nachbilden
Denn die Wissenschaftler arbeiten seit 2017 intensiv daran, die auf neuronaler Ebene im menschlichen Körper so wichtigen Synapsen per Computer nachzubilden. Der Aufwand ist riesig und vielfältig, sie arbeiten in 33 Einzelprojekten und – was bedeutend ist – eng vernetzt miteinander in einem Sonderforschungsbereich, dem SFB 1286 „Quantitative Synaptologie“, der an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) koordiniert wird. Die Forscher kommen aus den Bereichen Neurowissenschaften, Zellbiologie, Physik, Chemie und Medizinische Statistik sowie aus verschiedenen Forschungseinrichtungen am Göttingen Campus.
In acht Jahren seit dem Projektstart sind sie bereits weit gekommen, auch in der Entwicklung der Synapsen-Simulation am PC und generell der Erforschung der Schaltstellen. So weit, dass der Sonderforschungsbereich ab 2026 dreieinhalb weitere Jahre gefördert wird – mit insgesamt elf Millionen Euro.
Schub für die Forschung
Konkret geht es darum, die Synapsen in Aufbau und Funktion exakt zu charakterisieren, um diese schließlich als Computer-Simulation nachzubilden. Das würde einen Schub für die Forschung und das Ziel bedeuten, denn damit könnten verschiedene Situationen und Szenarien am Computer durchgespielt werden, die Reaktion der Synapsen auf diese Veränderungen hin untersucht werden. Was abstrakt klingt, hat ein klares Ziel: Die Erkenntnisse aus diesen Studien könnten dazu beitragen, die Entstehung von Erkrankungen des Nervensystems besser zu verstehen und neue Ansatzpunkte für Therapien zu finden, wie der Sprecher des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1286, Prof. Silvio O. Rizzoli, sagt.
Top-Forscher: Prof. Silvio O. Rizzoli, Direktor des Instituts für Neuro- und Sinnesphysiologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), Sprecher des SFB 1286, Sprecher des Center for Biostructural Imaging of Neurodegeneration (BIN) der UMG sowie Mitglied des Exzellenzclusters „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“. Foto: UMG/Swen Pförtner © Foto: Swen Pförtner
Bislang haben die Forscherinnen und Forscher massenweise wichtige Daten für den „Nachbau“ der Synapsen gesammelt. Sie untersuchten die molekulare Zusammensetzung der Synapsen während der Ruhe- und Aktivitätsphasen. Sie blickten tief in die Synapsenstrukturen und Proteine sowie deren genauen Positionen, die an der Informationsweiterleitung beteiligt sind. Auch weiß man nun mehr über die Zahl der Synapsen an den Enden der Nervenzellen, die ständigen Proteinveränderungen zur Aufrechterhaltung der Synapsenfunktion sowie die Zusammenarbeit der Strukturen zur Signalweiterleitung.
Dann verfeinerten die Wissenschaftler diese Daten durch weitere Labor-Experimente. Gleichzeitig ergänzten neue Projekte im Bereich Computer-Neurowissenschaften (Computational Neuroscience) den SFB, um die synaptischen Funktionen und Molekülbewegungen durch mathematische Analysen und Computersimulationen noch detaillierter und realistischer nachzubilden.
Offene Fragen sollen geklärt werden
Nun geht es also in Förderphase 3. „Wir werden jetzt auf diesen Vorarbeiten aufbauen, unser Computermodell weiter optimieren und soweit fertigstellen“, sagt Rizzoli. Ziel sei es, „offene Fragen zur synaptischen Funktion und zu fehlerhaften Abläufen in diesem Bereich zu klären“. Silvio Rizzoli erklärt auch den Ablauf der Forschungsarbeiten: Die grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisse habe man mit denen aus Analysen von Krankheitsursachen kombiniert. Im Fokus standen die Veränderungen im Gehirn bei Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson. Im Blick hatten und haben die Forscher auch die Alterung. Sie wollen wissen, ob und wie sich jüngere und ältere Synapsen unterscheiden – ob sie anders arbeiten, funktionieren.
Und welches Ergebnis erwartet Rizzoli? „Unser Modell wird dazu beitragen, die Funktion der Synapsen besser zu verstehen sowie Einblicke in die Abläufe unseres Nervensystems und deren Zusammenhänge geben.“
Das Verstehen dieser Abläufe könnte letztlich dazu beitragen, fortschreitenden Nervenerkrankungen – wie Parkinson und Alzheimer – wirksamer zu behandeln, sprich, diesen den Schrecken ein wenig zu nehmen – und den Patienten zu helfen.
Stichwort: Synapse
Synapsen sind Verbindungsstellen zwischen zwei Zellen, die Informationen (Reize/Erregungen) weiterleiten. Das können Nervenzellen (Neuronen), oder auch anderen Zellen, wie Muskel-, Sinnes– oder Drüsenzellen sein. Dabei ermöglichen die Synapsen die Kommunikation, die jedoch meistens nur in eine Richtung stattfindet: Eine Nervenzelle sendet, die benachbarte empfängt. Innerhalb jeder Nervenzelle werden die Reize dann als elektrische Signale weitergeleitet. Zwischen zwei Nervenzellen könne die Signale auf zwei Arten weitergegeben werden: elektrisch und chemisch, dabei passiert eine Umwandlung des Signals in Botenstoffe, die in der nächsten Zelle wieder in ein elektrisches Signal gewandelt werden. Ein Neuron kann so mit einer oder bis zu 100.000 weiteren Zellen kommunizieren und Synapsen ausbilden. (tko)