Am Ende lässt er keinen unverschont. Und er findet seine Opfer oft auch dort, wo sie niemand vermutet. Die Rede ist vom Krieg, der etwa im Sudan nicht nur die unschuldige Bevölkerung betrifft. Auch die Zugvögel leiden unter dem gewaltsamen, im Westen zu lange ignorierten Konflikt. Weil sie ihre vertrauten Rastplätze im Sudan verloren haben und nun alternative Routen fliegen müssen, die oft gefährlicher sind.

Für die Direktorin des Münchner NS-Dokumentationszentrums Mirjam Zadoff ist das ein Beispiel dafür, dass der Krieg „alle betrifft“, wie sie bei der Eröffnung von „… damit das Geräusch des Krieges nachlässt, sein Gedröhn“ erzählte. Einer Ausstellung, die die Auswirkungen kriegerischer Auseinandersetzungen nach 1945 zum Thema hat.

Nachgespürt wird dem „Geräusch des Krieges“ in der von Juliane Bischoff zusammen mit Chris Reitz kuratierten Ausstellung anhand von zwölf künstlerischen Positionen. Eine der zentralen Thesen: Der Krieg ist mit dem letzten Schuss oder dem Friedensschluss noch lange nicht vorbei. Stattdessen gilt es, mit Trümmern, Trauer und Traumata umzugehen, die oft noch in nachkommenden Generationen weiterwirken.

Der Ausstellungstitel ist den Kriegsmemoiren der Schriftstellerin Marguerite Duras entnommen, die darin über das Warten auf die Rückkehr ihres Ehemanns aus dem KZ Dachau schreibt. „Schmerz braucht Raum“ lautet darin ein entscheidender Satz.

Diesen Raum, den kann die Kunst eröffnen. Davon ist Juliane Bischof überzeugt, die sich mit der Ausstellung vom NS-Dokuzentrum verabschiedet und als Kuratorin an den Portikus in Frankfurt gewechselt hat. Geografisch wiederum sind es verschiedenste Räume, welche die Kunstwerke hier aufmachen. In Hito Steyerls Video „November“ von 2004 geht es nach Kurdistan, wo ihre einstige Jugendfreundin Andrea Wolf als PKK-Kämpferin 1998 vom türkischen Militär getötet und zur Märtyrerin wurde. Steyerl verknüpft Bilder aus der Zeit mit Ausschnitten aus einem Super-8-Martial-Arts-Film, den sie mit Wolf zuvor gedreht hatte. Fakt und Fiktion verschwimmen. Und „November“ entwickelt sich zu einem vielschichtigen Diskurs über mediale und politische Wahrheiten.

Nikita Kadans „Gazelka II, 2015“: Der Künstler aus der Ukraine hat aus den Überresten eines zerstörten Kleintransporters eine Flagge gefertigt.Nikita Kadans „Gazelka II, 2015“: Der Künstler aus der Ukraine hat aus den Überresten eines zerstörten Kleintransporters eine Flagge gefertigt. (Foto: Courtesy of the artist, Foto: nsdoku, Connolly Weber)

In Chantal Akermans bekannter TV-Doku „Aujourd’hui, dis moi“ von 1980 kommen drei Shoa-Überlebende, inzwischen Großmütter, zu Wort. Und nicht nur hier, sondern auch in anderen Werken zeigt sich, dass es oftmals Frauen sind, die die Last des Krieges weitertragen. Bei Selma Selman und Miloš Trakilović sind das die eigenen Mütter, die beide den Bosnienkrieg überlebt haben. Selman inszeniert in ihrem Video „Crossing The Blue Bridge“ ein Kriegserlebnis ihrer Mutter nach. Wobei sie aus einem Trauma ein Ermächtigungserlebnis macht. In Trakilovićs Video-Installation geht es um das Grün einer Wiese, das seine Mutter nach ihrer Flucht nach Amsterdam dort als Symbol der Freiheit wahrnahm.

Durch Sung Tieus Video „No Gods, No Monsters“ spuken die Geister von Soldaten, die im Vietnamkrieg gefallen sind. Und bei Ian Waelder geht es um die Tageszeitung als Dokumentationsmedium, während Jean Katambayi Mukendi mit seinen gezeichneten „Afrolampen“ den Zusammenhang zwischen Kolonialismus und globalen Konflikten thematisiert. Nikita Katan aus der Ukraine hat aus den Überresten eines Kleintransporters eine Flagge gefertigt. Der Transporter wurde 2014 von pro-russischen Streitkräften zerstört. In Europa wollte man von den Gefechten in der Ukraine damals nichts hören. Und so lernt man auch das in dieser vielschichtigen Ausstellung: Das Gedröhn des Krieges zu ignorieren, bringt nichts.

„… damit das Geräusch des Krieges nachlässt, sein Gedröhn“, bis 12. Juli, NS-Dokumentationszentrum, Max-Mannheimer-Pl. 1, nsdoku.de