Am vergangenen Donnerstag zum Beispiel: Der ICE 79 soll Frankfurt um 18.05 Uhr verlassen und um 18.44 Uhr in Mannheim eintreffen. Tatsächlich fährt er um 18.15 Uhr in der Mainmetropole ab und erreicht die Stadt an Rhein und Neckar erst um 18.54 Uhr. Die schlechte Nachricht mithin: wieder einmal ein unpünktlicher Fernzug auf der Riedbahn, die die beiden Städte verbindet. Die gute Nachricht jedoch: Die Riedbahn ist nicht schuld. Der Zug fährt zehn Minuten zu spät los und kommt zehn Minuten zu spät an. Auf den knapp 80 Kilometern hat er keine weitere Fahrzeit verloren.

So ist es oft – aber nicht immer. Auch nach der Generalsanierung der Strecke, die am 14. Dezember 2024 und damit vor nahezu einem Jahr abgeschlossen wurde, beeinträchtigen immer noch Störungen, die auf ihren technischen Zustand zurückzuführen sind, den Verkehr. Versprochen hatte die Deutsche Bahn, diese Störungen sollten 80 Prozent niedriger ausfallen als vor den Bauarbeiten. Doch dieses Ziel wurde nicht ganz erreicht. „Das Störungsaufkommen auf der Riedbahn hat sich seit Abschluss der Generalsanierung deutlich reduziert und lag in einigen Monaten bis zu 70 Prozent unter dem Niveau vor Beginn der Arbeiten“, schreibt eine Sprecherin des Konzerns.

Auch die letztlich erzielte Verbesserung hat aber zu einem deutlich störungsfreieren Betrieb geführt, wie aus dem Konzern weiter verlautet. „Der Zugverkehr auf der Riedbahn läuft heute deutlich stabiler und zuverlässiger“, heißt es in einer Stellungnahme. „Der Fahrzeitverlust von Fernverkehrszügen hat sich in diesem Jahr, verglichen mit 2023, um etwa die Hälfte reduziert.“ Die Regionalverkehrszüge der Linie RE70 und die S-Bahnen dort seien 20 Prozentpunkte pünktlicher. Dass der Effekt der Generalsanierung nicht noch größer ausfalle, liege an der hohen Belastung der Eisenbahnstrecke. Täglich seien dort 400 Züge unterwegs. „Durch Baustellen und Störungen in anderen Teilen Deutschlands übertragen sich Verspätungen leider auch auf die Riedbahn, ein Dominoeffekt.“

Beachtliche Verbesserungen, aber nicht so, dass nun alles vollends reibungslos läuft: Das ist mithin die Bilanz eines Bauvorhabens, das bis dahin einmalig war in Deutschland. Statt eine Strecke während des laufenden Betriebs zu sanieren, wurde erstmals eine Hauptachse vorab für vier Wochen und dann für fünf Monate am Stück gesperrt mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen wie einer Umleitung des Fernverkehrs und der Einrichtung von Omnibuslinien, um den Nahverkehr auf der Schiene zu ersetzen. 1,5 Milliarden Euro investierte der Staatskonzern in die Strecke, deren Gleise, Weichen und Oberleitungen sowie Lärmschutzwände und Stationen erneuert und zum Teil ergänzt wurden.

Inzwischen wurden nach südhessischem Vorbild weitere Generalsanierungen begonnen, vorneweg die der ebenfalls wichtigen Verbindung zwischen Hamburg und Berlin. Im nächsten Jahr soll die rechtsrheinische Eisenbahnstrecke zwischen Wiesbaden und Troisdorf kurz vor Köln solch einer Erneuerung unterzogen werden, auch dort werden deshalb monatelang keine Züge fahren.

Abgeschlossen sind die Bauarbeiten zwischen Frankfurt und Mannheim allerdings immer noch nicht. Auf der Strecke soll die Technik für das neue European Train Control System eingebaut werden, die es erst ermöglicht, dort mit einer Geschwindigkeit von bis zu 200 Kilometern in der Stunde zu fahren. Tatsächlich sind diese Anlagen aber bisher nur auf dem Abschnitt südlich von Biblis in Betrieb, auf dem nördlichen Abschnitt sind der Deutschen Bahn zufolge die Sicherheitsüberprüfungen noch nicht abgeschlossen. Der Konzern mag sich auch nicht auf ein Datum festlegen, wann die Technik dort genutzt werden kann. Immerhin wurde mit konventionellen Methoden eine leichte Erhöhung der Geschwindigkeit erreicht: Bei Mörfelden können die Züge jetzt mit 160 statt 150 Kilometern in der Stunde in eine Kurve gehen, bei Biblis wurde eine Kurve so umgebaut, dass sie mit 110 statt 90 Kilometern in der Stunde durchfahren werden kann.

Höhere Kosten als anfangs angenommen

Mit den erwähnten Baukosten von 1,5 Milliarden Euro wurde das ursprüngliche Budget überschritten. Die Deutsche Bahn hatte zunächst von 500 Millionen gesprochen, den Betrag aber kurz vor Baubeginn auf 1,3 Milliarden Euro heraufgesetzt und dies mit einer Ausweitung des Umfangs der Arbeiten begründet, unter anderem mit der Umrüstung der Strecke auf elek­tronische Stellwerkstechnik. Dass es schließlich abermals 200 Millionen mehr geworden sind, liegt dem Konzern zufolge an zusätzlichen Bauarbeiten, deren Notwendigkeit sich erst während der Sanierung gezeigt habe. Als Beispiele werden Mehrarbeiten am Unterbau der Strecke sowie der Ersatz von weiteren Teilen der Oberleitung genannt, bei denen sich herausgestellt habe, dass sie verschlissener gewesen seien als gedacht. Zudem seien Lärmschutzwände mit einer Länge von 300 Metern hinzugekommen.

Die Nutzer der Bahnhöfe Mörfelden und Mannheim-Waldhof entlang der Riedbahn mussten bei der Veröffentlichung des neuen Jahresfahrplans, der von Sonntag an gilt, feststellen, dass dieser nicht etwa Verbesserungen, sondern eine Verschlechterung bringt. Die Züge der Regionalexpresslinie 70, die das Rückgrat des Nahverkehrs zwischen Frankfurt und Mannheim darstellt, werden an den Stationen nur noch morgens und abends halten, tagsüber aber durchfahren. Die Deutsche Bahn begründet dies mit zusätzlichen ICE auf der Strecke. Das Beispiel zeigt, dass sich durch die Generalsanierung an der Überlastung der Verbindung nichts geändert hat, wie sollte es auch. Helfen kann in diesem Fall nur eine parallel geführte Neubaustrecke, auf die dann der Fernverkehr ausweichen würde. Bis sie Wirklichkeit wird, dürfte allerdings noch viel Wasser den benachbarten Rhein hinunterfließen.