Berlin – Einer der bekanntesten deutschen Comedians und Kabarettisten hört auf, haut in den Sack: Vince Ebert (57). Keiner verbindet Wissenschaft mit Politik auf so komische und entlarvende Weise.
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Doch Ebert erging es zunehmend wie anderen kritischen Bühnenköpfen auch: Er wurde in die rechte Ecke gestellt, neben Dieter Nuhr (65, „Nuhr im Ersten“) und Monika Gruber (54, „Die Gruaberin“). Doch nun hat er angekündigt: Ende 2026, wenn seine Tour zum aktuellen Programm „Vince of Change“ beendet ist, ist komplett Schluss mit der Bühne. Die Stimmung im Land sei ihm nicht danach: „Ich habe das Gefühl, alles gesagt zu haben.“
BILD hat er dann doch mehr gesagt. Wir rufen an – an diesem Sonntagmorgen. Und siehe da, Vince Ebert redet sich warm. Rechnet ab, auch mit Teilen seines Publikums: den feigen Deutschen.
Viel Fragen musste BILD nicht:
BILD: Moin, Herr Ebert, Sie haben Ihren Ausstieg verkündet, war das eine spontane Entscheidung?
Vince Ebert: „Ich schlage mich seit Monaten mit dem Gedanken herum. Ich bin kein Sponti, es war ein schleichender Prozess. Als kreativer Mensch ist man nach so langer Zeit auf der Bühne am Überlegen: Kann ich das Niveau noch halten, ist noch ein neues Programm da?
Seit 25 Jahren kämpfe ich auf der Bühne für mehr Rationalität und Pragmatismus. Gleichzeitig werden wir als Gesellschaft immer emotionaler, aggressiver, weniger rationaler. Das Gros der vernünftigen Menschen wird immer mehr zu Duckmäusern. Nicht die ideologisierten Ränder sind das Problem, sondern die vielen, vielen Menschen auf allen Ebenen, die sich anpassen.“
Man stehe „immer knapp vorm Canceln“, klagt Ebert
„Immer häufiger rufen Leute bei den Theatern an – von Zeitungsredakteuren bis zu normalen Leuten – und sagen: ‚Überlegen Sie sich, ob Sie diesen Vince Ebert noch auftreten lassen können …‘ Und dann werden diese Menschen ernst genommen! Noch ist es mir nicht passiert, aber es ist immer knapp vorm Canceln. Wie gesagt: Es liegt nicht an den Irren, die sich melden, die da anrufen. Aber an denen, die auf die reagieren: Aus politischer Korrektheit wird darüber diskutiert, ob man diesen Irren eine Bühne bieten kann.
Nehmen Sie nur diese Geschichte von den Familienunternehmern, die sagten, auch AfD-Leute zu kritischen Diskussionen einladen zu wollen, und die nun vor einem linken Mob einlenken!“
Er wolle nicht weiter auf den Bühnen und in den Talkshows das Immergleiche sagen: Vince Ebert, hier bei „Maischberger“.
Foto: ARD
„Ich wollte immer das machen, was ich für witzig und gut gehalten habe“, so der Comedian: „Ich habe aber keine Lust, als Ikone oder Märtyrer der Bürgerlichen zu enden, nur weil sich die Mehrheit nicht traut, den Mund aufzumachen.“
Ebert weiter: „Ich habe die Nase voll, wenn mir der Hundertste nach der Show auf die Schulter klopft oder der nächste Manager sagt: ,Ich finde toll, was Sie sagen, aber ich in meiner Position, ich kann das nicht sagen.‘ Die schieben einen vor und lassen keinen Zweifel: Wenn es hart auf hart kommt, man angegriffen wird, dann lassen die einen über die Klinge springen und tun nichts. Nein: Wenn ihr das so schlimm findet, wie ihr das behauptet, dann steht euren Mann und eure Frau, aber schiebt nicht mich oder andere vor!“
Sie wollen nicht der Robin Hood der Feigen werden?
Vince Ebert: „Mir ist es immer wichtig, die Leute zum Selbstdenken und zum freiheitlichen Denken zu animieren. Wenn den Leuten dieses Land und diese Gesellschaft so am Herzen liegen, dann müssen sie es selbst machen, sich keinen Stellvertreter suchen.“
Also: Macht euren Scheiß alleine?
Vince Ebert: „Im Grunde ja: Wenn es wichtig ist, dann sucht euch nicht vier, fünf, denen ihr zujubelt, die ihr es machen lasst … Am Anfang fand ich es total schmeichelhaft, wenn die kamen, die Unternehmer, Manager und andere, und mir auf die Schulter klopften.“
Welches Gefühl haben Sie jetzt: Wut, Frust, Erleichterung?
Vince Ebert: „Die wirtschaftliche und die gesellschaftliche Stimmung in Deutschland sind am Ende. Die mentale Rezession ist in den letzten paar Monaten voll durchgeschlagen – auch durch politische Entscheidungen. Diese Duldungsstarre der Deutschen: Immer noch zu denken, das löst sich von selbst, dazu müssen wir selbst nichts tun. Das ist frustrierend. Ja, da ist auch Trauer.
Wenn das Pferd tot ist, muss man absteigen. Das ist Pragmatismus. Aus eigener Psychohygiene: Ich will nicht die nächsten fünf Jahre durch Talkshows gehen und immer dasselbe sagen. Ich habe zu dieser Situation alles gesagt.“
Trafen sich im Juli auf dem Wiener Heldenplatz zum Interview und sprachen sich an diesem Sonntag wieder: Vince Ebert (r.) und BILD-Chef-Autor Peter Tiede (55)
Foto: Daniel Schaler
Ebert bekennt: „Jetzt bin ich müde“
„Ich könnte dieses Vermarktungsmodell laufen lassen: regelmäßig zu Lanz gehen, die Theater sind voll … Aber mir macht es schlechte Stimmung“, klagt der Comedian.
„Die Leidensfähigkeit der Deutschen geht bis in den Abgrund. Da mag ich nicht mehr als Mahner dabei sein. Ich habe dazu alles gesagt. Ich sehe die Aufgabe als erledigt. Jetzt bin ich müde. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich verpisse. Aber: Macht euren Kram alleine. Kriegt es hin!“
BILD hakt nach: Sie touren noch bis Ende 2026 mit ihrem Programm – hat Kanzler Friedrich Merz also bis dahin Zeit, die Lage zu ändern, dann könnte auch Ihnen wieder was einfallen?
Er lacht schallend.
Vince Ebert: „Ja, Friedrich Merz muss sich ins Zeug legen: Ein Jahr hat er jetzt Zeit. Höchstens.“