
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: In Berlin waren die Beamtenbezüge jahrelang bis auf wenige Ausnahmen verfassungswidrig. Das Land muss die Besoldung nun anpassen – und teils nachzahlen.
Entschieden hat das Bundesverfassungsgericht über insgesamt sieben Klagen von Beamten des Landes Berlin, darunter Polizisten und Feuerwehrleute. Deren Fälle waren zuvor beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beziehungsweise beim Bundesverwaltungsgericht gelandet.
Da es um die Frage ging, ob die Beamtenbesoldung in Berlin gemessen am Grundgesetz verfassungswidrig ist oder nicht, legten die Gerichte die Fälle dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Das Verfassungsgericht gab den Klägern nun weitestgehend recht.
Verfassungsgericht mit umfassender Prüfung
Die Kläger meinen, dass ihre Bezüge über viele Jahre hinweg zu niedrig waren, da sie nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprachen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen zum Anlass genommen, um sich die gesamte Grundbesoldung in Berlin anzuschauen.
Konkret ging es dabei um die „Besoldungsordnung A“, die für die meisten der Beamten gilt: für solche mit einer vergleichsweise geringen Qualifikation, aber auch für Beamte des höheren Dienstes. Das Bundesverfassungsgericht kam bei seiner umfangreichen Analyse zum Schluss, dass 95 Prozent der geprüften Besoldungsgruppen verfassungswidrig sind und damit die Besoldung der meisten Berliner Beamten in der Vergangenheit zu niedrig war – und dies über einen sehr langen Zeitraum hinweg: vom Jahr 2008 bis zum Jahr 2020.
Beamte haben Anspruch auf angemessene Vergütung
Das Bundesverfassungsgericht betont, wie schon in früheren Entscheidungen, dass Beamte entsprechend ihrer Qualifikation so bezahlt werden müssen, dass ihnen und ihren Familien ein angemessener Lebensunterhalt gesichert ist.
Was als angemessen gilt, bemisst sich nach verschiedenen Kriterien. Das Gericht schreibt in seinem Beschluss dabei eine mehrstufige Prüfung vor. Zunächst muss geprüft werden, ob ein Verstoß gegen das Gebot der „Mindestbesoldung“ vorliegt. Das bedeutet, dass die Besoldung ein bestimmtes Mindestniveau nicht unterschreiten darf.
In ihrer Entscheidung schreiben die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats vor, dass die Besoldung mindestens so zu bemessen sei, dass es einen „hinreichenden Abstand zu einem (…) realen Armutsrisiko“ gibt. Bereits in früheren Entscheidungen hatte das Verfassungsgericht deutlich gemacht, dass die Bezüge von Beamten in den unteren Besoldungsgruppen mindestens 15 Prozent über der staatlichen Grundsicherung liegen müssen.
Fortlaufende Anpassung erforderlich
Außerdem muss die Besoldung fortlaufend angepasst werden: an die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und an den allgemeinen Lebensstandard in Deutschland. Dabei spielen verschiedene Parameter eine wichtige Rolle, die bei der Anpassung berücksichtigt werden müssen, etwa: Wie haben sich die Löhne in Deutschland insgesamt entwickelt? Wie stark sind die Preise gestiegen?
Am Ende seiner Prüfung kommt das Bundesverfassungsgericht zum Schluss, dass das Land Berlin die Kriterien, die für die Beamtenbesoldung gelten, nicht in ausreichendem Maße beachtet hat. Daher müssten die Bezüge der Beamten anpasst werden. Dafür hat das Land Berlin bis Ende März 2027 Zeit.
Hohe finanzielle Belastung für Berlin
Damit dürften auf den Berliner Landeshaushalt sehr hohe Belastungen zukommen. Schätzungen zufolge dürfte es sich dabei mindestens um einen dreistelligen Millionenbetrag handeln.
Allerdings werden nicht alle Berliner Beamten Nachzahlungen bekommen, auch das geht aus dem Beschluss des Verfassungsgerichts hervor: nur diejenigen, die sich in der Vergangenheit gegen ihre Besoldung zur Wehr gesetzt haben und über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden wurde. Wörtlich heißt es dazu im Beschluss:
Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein förmliches Widerspruchs- oder Klageverfahren schwebt; entscheidend ist, dass sich die Beamten zeitnah gegen die Höhe ihrer Besoldung mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben. Dadurch kann dem Haushaltsgesetzgeber nicht unklar geblieben sein, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird.
Weitere Verfahren anhängig
Auch andere Bundesländer müssen sich darauf einstellen, dass sie ihre Besoldung korrigieren müssen. Das Verfassungsgericht muss noch knapp 70 Verfahren zur Beamtenbesoldung aus verschiedenen Ländern bearbeiten, etwa aus Bremen, Schleswig-Holstein, Thüringen und Rheinland-Pfalz.
(Aktenzeichen: 2 BvL 21/17 u.a.)
