
Im Oktober hatte Außenminister Wadephul seine China-Reise kurzfristig abgesagt, jetzt holt er sie nach. Der Besuch ist ein Balanceakt: Wie klar kann er sich äußern, ohne die Beziehungen zu gefährden?
Der Umgang mit dem autoritär regierten China ist schwierig. Klare Kante zeigen? Oder heikle Themen eher hinter verschlossenen Türen ansprechen?
Außenminister Johann Wadephul hat sich bislang für ziemlich deutliche Worte entschieden – etwa mit Blick auf Chinas enges Verhältnis zu Russland. Im Oktober, bei einer Rede in Berlin, warf er der chinesischen Führung vor, mit ihrer Unterstützung der russischen Aggression und dem Vorgehen im Südchinesischen Meer auch „eigene hegemoniale Bestrebungen zu rechtfertigen.“
Auch Drohungen gegen die demokratisch regierte Insel Taiwan kommentierte der CDU-Politiker mit scharfen Worten: China untergrabe damit die internationale regelbasierte Ordnung. Der Status quo in der Taiwan-Straße dürfe nicht mit Gewalt verändert werden. Das Gewaltverbot der UN-Charta habe auch dort Gültigkeit. Das ist die Position der Bundesregierung, aber in China kamen Wadephuls offene Worte nicht gut an.
Missstimmung in China
Die Volksrepublik bezeichnet sich selbst als neutral im Ukraine-Krieg. Die Insel Taiwan betrachtet die chinesische Führung als Teil der Volksrepublik – und will sie, wie Staats- und Parteichef Xi Jinping sagt, „notfalls mit Gewalt“ in die Volksrepublik eingliedern.
Dem deutschen Außenminister warfen chinesische Staatsmedien vor, mit seinen Äußerungen Spannungen anzuheizen. Aber auch Teile der schwarz-roten Regierungskoalition in Berlin finden den Ton von Wadephul ein bisschen scharf.
Adis Ahmetovic, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, betonte bereits im Oktober, er wünsche sich, dass Dialog und Partnerschaft stärker im Vordergrund stehen: Klar Position beziehen, aber nicht auf „Provokation und Eskalation“ setzen, sagt Ahmetovic.
Die Beziehungen nicht gefährden
Beim Besuch des Außenministers, der am Montag in Peking beginnt, steht Wadephul daher unter genauer Beobachtung. Geplant sind Gespräche mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi, mit Handelsminister Wang Wentao und dem Leiter der Internationalen Abteilung beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei – deutlich mehr Termine also als bei der Ende Oktober kurzfristig abgesagten Reise.
Am Dienstag reist Wadephul weiter in die südchinesische Wirtschaftsmetropole Guangzhou.
Gerade die Gespräche mit Außen- und dem Handelsminister sind wichtig. Denn für Deutschland ist China derzeit der größte Handelspartner. Das Problem: China kauft immer weniger Maschinen und Waren aus Deutschland, aber die Exporte nach Deutschland steigen weiter an und die wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind groß. Vor allem bei Halbleitern und seltenen Erden, die in Smartphones, Bildschirmen, in vielen Hightech-Produkten stecken, haben sich deutsche Unternehmen jahrelang auf China verlassen.
Unternehmen fordern Verlässlichkeit
China hat bei der Förderung und Verarbeitung seltener Erden weltweit fast eine Monopolstellung. Doch im Zuge geopolitischer Spannungen – vor allem zwischen China und den USA – setzt die chinesische Führung Abhängigkeiten zunehmend als Druckmittel ein, schränkt die Ausfuhr seltener Erden ein, lockert die Regeln dann wieder, je nach politischer Lage.
Jedes zehnte deutsche Industrieunternehmen sei davon betroffen, sagt Volker Treier, Außenhandelschef bei der Industrie- und Handelskammer DIHK, dem ARD-Hauptstadtstudio.
Er hofft, dass sich Wadephul in Peking dafür einsetzt, die seit Frühjahr geltenden chinesischen Exportkontrollen transparenter und die Lieferketten damit verlässlicher zu gestalten. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit, so Treier.
Auch bei Halbleitern bekommen deutsche Unternehmen die Abhängigkeit schmerzhaft zu spüren. Wegen Streitigkeiten um den niederländischen Chiphersteller Nexperia und dessen chinesischen Eigentümer schränkte die chinesische Führung kürzlich Halbleiter-Exporte des wichtigen Herstellers vorübergehend ein. Firmenchefs in Deutschland trieb das Schweißperlen auf die Stirn – denn Nexperia-Chips stecken in unzähligen Komponenten, vor allem in der Autoindustrie.
Viele Initiativen noch am Anfang
Doch selbst wenn Wadephul in Peking Zusagen für mehr Verlässlichkeit bei wichtigen Rohstoffen und Komponenten erhalten sollte, die Abhängigkeiten beseitigt das nicht. Lieferketten breiter aufstellen, eigene Bezugsquellen für seltene Erden entwickeln – all das ist Ziel der Bundesregierung und der EU, aber das umzusetzen dauert und kostet viel Geld.
Japan hat rund 20 Jahre gebraucht, um die erdrückende Abhängigkeit von China bei seltenen Erden zurückzufahren. Deutschland und Europa stehen mit ihren Initiativen – etwa Rohstoffpartnerschaften und Rohstofffonds – noch am Anfang.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm forderte bereits im Sommer mehr Engagement der Bundesregierung. Was China angeht, hat die Regierungskoalition zunächst im November per Bundestagsbeschluss eine Experten-Kommission eingesetzt: Sie soll die Wirtschaftsbeziehungen mit der Volksrepublik unter die Lupe nehmen, Abhängigkeiten ermitteln, Sicherheitsrisiken bewerten.
Fachleute kritisieren, die Faktenlage sei längst klar. Und: Es gibt bereits eine China-Strategie. Die hatte die Ampel-Regierung aufgesetzt, die schwarz-rote Koalition will sie zwar weiterentwickeln. Doch bislang ist nicht viel passiert.
Franziska Brantner, Co-Vorsitzende der Grünen, wirft im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio der Bundesregierung vor, keine klare Linie zu vertreten: „Ich sehe sehr viele unterschiedliche Stimmen, keine Ausrichtung und keine klare Ansage gegenüber Peking.“ Die Botschaft an China müsse sein: „Wir sind als Europäer stark, wir lassen uns nicht über den Platz kicken.“
Mehr Druck auf Putin
Von Außenminister Wadephul wünscht sie sich, dass er in Peking klar Position bezieht – gerade in den wirtschaftspolitischen Fragen. Die Zeit des Nett-Seins sei vorbei, sagt Brantner.
In Sachen Ukraine fordert nicht nur die Grünen-Chefin, dass die chinesische Führung mehr Druck auf Wladimir Putin ausübt. Ähnlich hat sich kürzlich auch Kanzler Friedrich Merz geäußert. Außenminister Wadephul dürfte in Peking zumindest in diesem Punkt recht deutlich werden.
