Kommenden Donnerstag findet – nach der konstituierenden – die erste „echte“ Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Tod des ehemaligen Sektionschefs Christian Pilnacek statt. Davor, nämlich am Montag, reisten die Fraktionsvorsitzenden nach Berlin. Nach einem Briefing durch den Botschafter besucht man dort am Dienstag den Bundestag, um sich in Theorie und Praxis die U-Ausschuss-Regeln erklären zu lassen. Insbesondere die Kriterien für Live-Übertragung von Beweisaufnahmesitzungen.

Die Idee für den Berlin-Trip stammt von der FPÖ, wie Christian Hafenecker bestätigt. Ursprünglich war geplant, dass Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) mitfährt, weil er Termine im Bundestag gehabt hätte – doch diese hätten sich verschoben, heißt es aus seinem Büro.

»Die einzige Erwartung ist, dass wir uns etwas bei der Sitzung abschauen«

Kai Jan Krainer

Fraktionsvorsitzender der SPÖ im U-Ausschuss

Für Hafenecker ist die Reise die erste von möglicherweise mehreren: „Wir wollen uns Best-Practice-Modelle ansehen und fangen mit Deutschland an.“ Wobei man hinterfragen darf, ob gerade Berlin als Vorbild taugt.  In den Jahrzehnten seit Bestehen der deutschen Regelung gab es exakt bei einem einzigen U-Ausschuss eine Live-Übertragung. Grund sind die hohen Hürden: Zwar ist Publikum zugelassen, aber für eine Übertragung müssen zwei Drittel des Ausschusses sowie die Auskunftsperson zustimmen.

Dementsprechend mäßig begeistert zeigen sich die anderen Parteien: „Mir gefällt das deutsche Modell überhaupt nicht“, sagt Nina Tomaselli (Grüne). Sie stößt sich sowohl am hohen Quorum als auch an der Tatsache, dass Personen des öffentlichen Lebens nicht automatisch gezeigt werden. Auch von den Neos heißt es: „Vielleicht kann man in Berlin ja lernen, wie man es nicht macht.“

Für Kai Jan Krainer (SPÖ) ist „die einzige Erwartung, dass wir uns etwas bei der Sitzordnung abschauen.“ Denn während in Österreich der Vorsitzende auf derselben Seite sitzt wie Verfahrensanwalt, Verfahrensrichter und Auskunftsperson/Vertrauensperson und damit gegenüber vom Ausschuss, sitzt in Deutschland – „wie in der ganzen zivilisierten Welt“ – der Vorsitzende auf der Seite des Ausschusses: „Allein durch die Sitzordnung ist bei uns der Vorsitzende immer auf Seiten der Auskunftsperson.“

Auch die FPÖ ist kein unbedingter Fan des deutschen Modells. Öffentliche Personen sollten auch ohne Zustimmung übertragen werden, klingt Hafenecker ähnlich wie Tomaselli oder Neos. Ihn interessieren aber „die Details“ der Berliner Regelung, nämlich „wie man bei Live-Übertragungen damit umgeht, wenn Auskunftspersonen über Dritte reden.“

Professor Peter M. Huber, Verfassungsjurist an der Ludwig-Maximilians-Universität München sah darin im „Presse“-Interview kein Problem: „Wenn jemand die Persönlichkeitsrechte verletzt, haftet er dafür beziehungsweise ist es Sache des Vorsitzenden, solche Fragestellungen rechtzeitig abzudrehen“. Hafenecker kann das nicht ganz nachvollziehen: „Der Verfahrensrichter kann ja nicht hellsehen.“ Auch die hiesige Verfahrensrichterin Christa Edwards scheint Bedenken zu haben.

Wie aus der letztwöchigen Sitzung des Geschäftsordnungskomitees zum Thema U-Ausschuss-Reform zu hören war, hält sie eine Vorabkontrolle vor einer Live-Übertragung für geboten. Da sich alle Parteien für eine zeitversetzte Übertragung aussprechen, wäre diese auch möglich. FPÖ, Grüne und Neos sehen die Kontrollfunktion beim Vorsitzenden bzw. beim Ausschuss oder beim Verfahrensrichter. Die SPÖ hingegen würde die Medien entscheiden lassen, was gesendet wird. Die ÖVP hat kein Modell.

Apropos ÖVP: Alle anderen Parteien sagen übereinstimmend: „Ohne ÖVP hätten wir uns wahrscheinlich längst geeinigt.“ Denn obwohl es Unterschiede zwischen FPÖ, SPÖ, Grünen und Neos gebe, würde keiner auf seinem Modell beharren. Die ÖVP wehrt sich freilich gegen die Bremsklotz-Zuschreibung: Man sei für eine Übertragung, sofern Grund- und Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben, wiederholt Andreas Hanger (ÖVP). Nachsatz: Leider fehle bis dato ein überzeugender Vorschlag.

Wobei Hanger übrigens auch das restriktive deutsche Modell zu locker ist: Trotz des Erfordernisses der Zustimmung der Auskunftsperson könne faktisch „Druck“ entstehen, dass etwa öffentliche Personen einwilligen müssten.

Sollten sich die Parteien nicht bald einigen – und danach sieht es aus – könnten sie „gezwungen“ werden: Am 14. 1., dem Tag der ersten Befragungen, will sich die NGO „epicenter works“ beim Versuch, den U-Ausschuss-Raum zu betreten und Bild-und Ton-Aufnahmen zu machen, abweisen lassen. Auf Basis dessen will man vor den Verfassungsgerichtshof ziehen.

Das hat man bereits 2024 getan. Damals wurde der Individualantrag abgewiesen, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung der U-Ausschuss vorbei war. Daher beeile man sich diesmal, sagt „epicenter works“-Geschäftsführer Thomas Lohninger, der aus der Vorgeschichte folgert, dass der VfGH „hoffentlich“ noch während des laufenden U-Ausschusses entscheiden wird.