Der Privatkunde geht zum Einkaufen in den Supermarkt oder auf den Wochenmarkt. Der Profikunde jedoch – der Küchenchef in der Hotelküche, der Sternekoch mit eigenem Restaurant oder der Pizzabäcker von nebenan – bestellt beim Großhändler oder kauft nach dem Cash-&-Carry-Prinzip direkt in großen Selbstbedienungsmärkten ein, weil er große Mengen an Zutaten braucht. Mehl, Nudeln, Konserven stehen hier in ganz anderen Gebinden im Regal als im herkömmlichen Supermarkt, und die Abnahme größerer Mengen erlaubt günstigere Preise. Das wissen alle Endverbraucher, die schon einmal die Gelegenheit hatten, mit einem Gewerbeschein bei Metro einzukaufen.
Metro und Selgros, die auch in der Rhein-Main-Region große Markthallen betreiben, gehören zu den bekanntesten Großhändlern in Deutschland mit Umsätzen in Milliardenhöhe. 4,9 Milliarden waren das zuletzt bei Metro. In derselben Liga spielt der Zustellspezialist Transgourmet, zu dem seit 2015 auch das Frankfurter Frische-Paradies gehört, das wegen seiner Kompetenz bei Feinkost und Fisch einen Namen hat. In neun Städten gibt es das Konzept. Ein Feinkost-Solitär, mit Fisch-Expertise, ist der Venos-Feinkostmarkt in Rödelheim.
Fisch gibt es frisch, tiefgefroren und auch lebend im Aquarium.Jannis Schubert
All diese Anbieter dürften den neuen Mitbewerber aus München, dessen Außendienstleister bereits fleißig dabei sind, Kundenkarten zu verteilen, mit Argusaugen beobachten. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Hamberger Großmarkt GmbH, deren Tradition bis ins Jahr 1908 zurückgeht, an der Gutleutstraße, im westlichen Gewerbegebiet von Frankfurt, eine riesige Markthalle errichtet. Es ist ein weiterer Expansionsschritt, zehn Jahre nachdem der Großhändler in Berlin seinen zweiten Standort nach München eröffnet hatte.
1000 Käsesorten, 250 Fischarten, 1200 Weine
Die Dimension ist vergleichbar. Auf einem Grundstück von 24.000 Quadratmetern, das vorher einer Spedition gehörte, steht jetzt eine Großmarkthalle mit 10.000 Quadratmetern Verkaufsfläche auf zwei Etagen und einer Tiefgarage mit 240 Parkplätzen. Die Halle hat Platz für 45.000 Artikel – unter diesen 1200 verschiedene Weine, 250 Fischarten (lebend, frisch und tiefgekühlt), 1000 Käsesorten. Die Nudelsorten füllen viele laufende Meter Hochregale. Und wenn Vertriebsleiter Patrick Plautz seinem Marktleiter Carsten Karger vom anderen Ende der 240 Meter langen Kühlabteilung zuwinkt, sieht er winzig aus. An die Optik wurde auch gedacht. Der Betonboden ist blank poliert, die Stahlregale sind schwarz lackiert.
Herzstück ist ein 4000 Quadratmeter großer Marktplatz in der Mitte. Dort nehmen am Montag bei der Eröffnung die Geschäftsführer Oliver Titius und Ralf Decker ihre Gäste in Empfang, die meisten sind potentielle Kunden aus Gastronomie und Hotellerie. Fische schwimmen hier in Aquarien, Kunden werden an einer Frischfleischtheke bedient, an der Kaffeebar gibt es einen Cappuccino zur Stärkung. „Das hat kein anderer in Frankfurt“, hebt Decker im Gespräch mit der F.A.Z. hervor.
Im Humidor, dem Weinklimaschrank, berät ein Sommelier.Jannis Schubert
Die Münchner sind bekannt für ihre Kompetenz bei Asia-Food. Italienische Lebensmittel werden über ein Lager in Verona eingeführt. Bei der Eröffnung dürfen die Gäste einen hundert Jahre gereiften Parmesan probieren. Etwa 90 Prozent der Ware kommen von Direktlieferanten, nur etwa zehn Prozent von Zwischenhändlern. „Der Fokus liegt ganz klar auf der Gastronomie“, sagt Decker.
Anders als andere Anbieter legt man bei Hamberger Wert darauf, ein reiner B2B-Markt zu sein, mit Zugang nur für Profis. Ein dreistufiges Qualitäts- und Preismodell soll alle Kunden ansprechen: vom Imbissbuden- und Kioskbesitzer, der im Markt seine Bratwürste und Lakritzstangen findet, bis zum High-End-Gastronomen, der einen besonderen Fisch sucht und sich bei der Weinauswahl von einem Sommelier beraten lassen möchte.
Pizzakartons und Pfannen in der Non-Food-Etage
In der oberen Non-Food-Etage, die mit einem Fahrstuhl mit dem Erdgeschoss verbunden ist, finden Kunden alles, was sie sonst noch brauchen: Pizzakartons, Toilettenpapier, Servietten, Pfannen und Messer. Und wenn noch etwas für die Tischdekoration fehlt: Einen kleinen Blumenladen gibt es ebenfalls.
Hamberger managt den Großmarktbetrieb zum Start mit rund 80 Mitarbeitern. Gut 50 weitere sollen im nächsten Jahr hinzukommen, wenn der Großhändler Bestellungen auch ausliefern will. Dann werden Fahrer und Kommissionäre für die Nachtschicht gebraucht. Personal zu finden, ist laut Geschäftsführer Decker in Frankfurt wegen der Konkurrenz durch den Flughafen eine besondere Herausforderung.
Als Hamberger 2015 seinen Großmarkt in Berlin eröffnete, wurde das Investment auf 30 Millionen Euro geschätzt. In Frankfurt dürfte es deutlich darüber liegen, auch wegen der Lage in Main-Nähe und Vorschriften für den Hochwasserschutz. Das Unternehmen hält sich mit Zahlenangaben traditionell zurück: Die letzte Veröffentlichung im Bundesanzeiger für das Jahr 2021 – damals litt die Gastronomie unter der Corona-Pandemie – nennt einen Umsatz von knapp 264 Millionen Euro.
So oder so, Hamberger expandiert in herausfordernden Zeiten. Von der Dynamik, die bei der Eröffnung in Berlin vorherrschte, ist momentan nicht viel zu spüren. Die wirtschaftliche Lage im Gastgewerbe ist weiterhin angespannt. Umsätze gehen zurück, der Kostendruck bei Einkauf und Personal bleibt hoch. Im ersten Halbjahr setzten Hoteliers und Gastronomen in Deutschland nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes real gut 15 Prozent weniger um als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Ein kleiner Lichtblick ist die zum 1. Januar dauerhaft beschlossene Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent.