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Maastricht – Tränen lügen nicht! Diesen Schlager sang Michael Holm schon in den 70er Jahren. Heute hat diese Aussage eine ganz andere wissenschaftliche Bedeutung. Denn an der Tränenflüssigkeit können Forscher eine Reihe von Krankheiten erkennen, darunter sogar Alzheimer.

Die niederländische Biochemikerin Marlies Gijs von der Universitätsklinik Maastricht hat es sich zur Aufgabe gemacht, Tränen zu analysieren. „Tränenflüssigkeit ist ein unglaublich faszinierendes Körperfluid“, sagt sie.

Die Biochemikerin Marlies Gijs hat Tränen zu ihrem Forschungsgebiet gemacht

Die Biochemikerin Marlies Gijs hat Tränen zu ihrem Forschungsgebiet gemacht

Foto: Merel Tuk/ NBTC

Was Tränen verraten

In ihrem Labor untersucht die Biochemikerin die sogenannten Basaltränen. Das sind jene Tränen, die unsere Augenoberfläche befeuchten. Dort sammelt sie Proben und analysiert ihren molekularen Inhalt. Und sucht nach Spuren schwerer Krankheiten. Die Proben werden eingefroren, aufbereitet und durch ein empfindliches Messverfahren geschickt. Was für Laien wie klares Wasser aussieht, entpuppt sich unter dem Mikroskop als ein Gemisch aus Elektrolyten, Proteinen, Antikörpern und Signalmolekülen.

Mehr zum ThemaDas konnte schon in Tränen nachgewiesen werden

Und das hat die Forscherin in Tränen bereits alles nachweisen können: Proteine und Biomarker, die auf Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Huntington, SARS und COVID hinweisen, aber auch auf Augenkrankheiten wie etwa Glaukome, Veränderungen der Hornhaut (Keratokonus) oder Entzündungen im Augeninneren (Uveitis). Selbst Marker für kleine Gefäßschäden im Gehirn lassen sich im Tränenfilm finden.

Marlies Gijs vom Universitätsklinikum Maastricht bei der Analyse von Tränenflüssigkeit

Marlies Gijs vom Universitätsklinikum Maastricht bei der Analyse von Tränenflüssigkeit

Foto: New Dutch

30 Tränen-Projekte in Maastricht

An der Universität laufen bis zu 30 Projekte zu unterschiedlichen Erkrankungen und Krankheitsbildern, bei denen die Forscher Tränenflüssigkeit untersuchen. Das bislang größte Projekt dreht sich um die Alzheimer-Demenz. In einer Studie wurden vier Gruppen untersucht: gesunde Kontrollpersonen, Patienten mit subjektiven Gedächtnisbeschwerden, Menschen mit leichten kognitiven Störungen und Personen mit manifester Demenz. Das Ergebnis: Die bekanntesten Alzheimer-Biomarker steigen mit zunehmender Krankheitsstärke an.

Alzheimer wird heute häufig noch mit Hilfe einer Lumbalpunktion diagnostiziert: Dafür braucht man eine Probe der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, das sei ein „ziemlich unangenehmer Eingriff und auch nicht ohne Risiko, gerade bei älteren Patienten“, so die Wissenschaftlerin. Zusammen mit neuropsychologischen Tests, MRT und Blutuntersuchungen führt die Punktion oft erst nach Jahren zur endgültigen Diagnose.

Was die Forschung Patienten bringen kann

„Ich würde das Tränenfluid gerne nutzen, um Alzheimer viel früher zu diagnostizieren, denn die Entnahme von Tränen ist sehr einfach“, sagt Gijs. Ihr schweben einfach durchführbare Tränentests vor, die schon beim Hausarzt oder beim Neurologen durchgeführt werden.

Das Problem: Die Marker, nach denen man sucht, liegen in deutlich geringerer Konzentration vor als etwa bei einer COVID-Infektion. Aber grundsätzlich sei das möglich.

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Zur Person:

Dr. Marlies Gijs ist promovierte Biochemikerin und Universitätsdozentin an der Universitäts-Augenklinik Maastricht. Sie erforscht Tränenflüssigkeit als Quelle für Biomarker an der Augenoberfläche und bei neurodegenerativen Erkrankungen.