Dresden – In einem Mordprozess duellieren sich Top-Anwälte mit einem Richter. Der Zuschauerandrang ist enorm, denn es gibt kaum einen Prozesstag, an dem es nicht knallt – Geschrei, Beschuldigungen, Überraschungen. Doch damit hat kaum einer gerechnet: Jetzt gibt es Strafanzeigen gegen den Vorsitzenden Richter und einen Verteidiger der Angeklagten.
Im September 2024 war der millionenschwere Insolvenz-Anwalt Peter B. (†76) aus Dresden beim Joggen überfahren worden. Anfangs sah alles wie eine Unfallflucht aus. Laut Staatsanwaltschaft soll jedoch seine 23 Jahre jüngere Ehefrau Ramona B. ihn mit einem Geländewagen ermordet haben. Mutmaßliches Motiv: Habgier. Der Hausmeister der Familie sitzt ebenfalls in U-Haft. Claus T. (76) soll das Tatauto beschafft haben.
Der Tatort im Dresdner Umland: Auf dieser kleinen Straße wurde der millionenschwere Insolvenz-Anwalt (†76) ermordet
Foto: Dirk Sukow
Strafanzeigen gegen Richter und Anwalt
Seit Sommer 2025 läuft der Mordprozess, nun der große Knall. „Der Staatsanwaltschaft Dresden liegen Anzeigen gegen einen Verteidiger der Angeklagten wegen des Vorwurfs des Vereitelns der Zwangsvollstreckung und gegen den Vorsitzenden der Großen Strafkammer wegen Anstiftung zur Verletzung von Privatgeheimnissen vor“, so Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt (50) zu BILD. „Die Anzeigen werden derzeit auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft. Die Prüfung ist in beiden Fällen noch nicht abgeschlossen.“
Die angeklagte Ehefrau des Ermordeten: Ramona B. (53) – hier mit ihren Verteidigern. Anwalt Andrej Klein (54, re.) sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt
Foto: Dirk Sukow
Richter im Visier der Staatsanwaltschaft
Verteidiger Andrej Klein (54) soll laut Nebenklage 117.000 Euro von ihrem Konto abgehoben haben, als sie in U-Haft saß. Pikant: Das Konto (Arrest-Beschluss) soll zu diesem Zeitpunkt bereits gepfändet gewesen sein. Warum er das Geld überwiesen habe, will er auf BILD-Nachfrage nicht sagen.
Auch der Vorsitzende Richter, Herbert Pröls (63), ist im Visier der Staatsanwaltschaft. Er befragte trotz Warnung der Verteidiger eine Mitarbeiterin der Kanzlei des Mord-Opfers als Zeugin. Das Problem: Sie berichtet über den Angeklagten, der auch Mandant in der Kanzlei war. Sie unterliegt eigentlich der Verschwiegenheitspflicht.
Der Richter fordert die Zeugin auf: „Jetzt sagen Sie erst einmal weiter aus.“ Das könnte strafbar sein, so die Verteidiger von Claus T. Anfangs hatte die Zeugin (50) den Hausmeister belastet. Sie behauptete, er hätte lautstarken Zoff mit ihrem Chef in der Kanzlei gehabt, später revidierte sie sich und sprach von einer Verwechslung.
Keine Haftverschonung!
Für Prozessbeobachter wurde deutlich: Der Hausmeister machte für Geld alles, was man ihm auftrug. Und das offenbar ohne zu hinterfragen. Ob er tatsächlich wusste, was die Hauptangeklagte mit dem von ihm beschafften Auto vorhatte, ist fraglich. Die Verteidigung forderte, den Mann nun aus der U‑Haft zu entlassen – selbst die Staatsanwaltschaft stimmt zu.
Hausmeister Claus T. (76) mit seinem Verteidiger Justin-Andreas Poel (31). Er ist wegen Beihilfe zum Mord angeklagt
Foto: Dirk Sukow
Doch der Richter lehnte ab: So hätte sich der „dringende Tatverdacht gegen den Angeklagten“ nach dem „bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme in Richtung einer mittäterschaftlichen Begehungsweise verdichtet“, so Gerichtssprecher Andreas Feron (63).
Urteil im Sommer 2026 erwartet
Zwei Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter wurden abgelehnt. Nun gibt es den nächsten Ärger: So konnte die Hauptangeklagte an zahlreiche Mieter ihrer Immobilien aus der U-Haft Briefe schreiben – scheinbar unbemerkt an der Postkontrolle der JVA Chemnitz vorbei.
Ein Urteil könnte erst im Sommer 2026 fallen, wenn der Prozess nicht vorher noch platzt.
Die Staatsanwaltschaft Dresden teilte BILD nach Veröffentlichung mit, dass von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Vorsitzenden Richter abgesehen werde – so das Ergebnis der Prüfung. Es fehle an „zureichenden Anhaltspunkten“, so Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt (50).