Der Himmel verdunkelt sich, als am Dienstagnachmittag in der Porsche-Kantine hoch über dem Porscheplatz eine rekordverdächtige Betriebsversammlung zu Ende geht. Fast fünf Stunden lang hat es gedauert, bis praktisch alle Wortmeldungen abgearbeitet sind.

Doch dann ist den meisten Teilnehmern – auch in den diversen Hallen, wo die denkwürdige Veranstaltung von Früh- und Spätschicht übertragen wird – klar, dass es ums Eingemachte geht.

Eine lange Wunschliste des Vorstands

Eine Woche ist es her, dass der Vorstand die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über ein neues Sparpaket erst einmal gestoppt hat. Vorgelegt wurde eine Liste mit Sparplänen, die es in sich hat. Die Streichung von Einmalzahlungen und Jubiläumsleistungen ist da ebenso erwähnt wie ein „Personalabbau im Angestelltenbereich“ oder ein „Personalabbau und Reduzierung Fabrikkosten“, die „Anpassung Mobiles Arbeiten/Homeoffice“ und der „Entfall EZ-Pause“, womit die Erholungszeit gemeint ist.

Auch die „Reduzierung von Altersvorsorgebeiträgen“ oder die „Reduzierung der Azubi-Zahlen“ werden erwähnt. Weil der Betriebsrat nicht gleich sein Entgegenkommen signalisiert hat, sondern wissen wollte, wozu das alles führen soll, sah der Vorstand erst einmal keine Grundlage für weitere Gespräche. Seit der Veröffentlichung der Pläne am Donnerstag durch unsere Zeitung herrscht dicke Luft in Zuffenhausen.

Dies ist auch am Dienstagnachmittag an den Porsche-Werktoren spürbar, von denen während oder nach der Betriebsversammlung immer wieder Beschäftigte einzeln, in kleinen oder größeren Grüppchen Richtung S-Bahn oder Auto eilen – zumeist hasten sie kommentarlos an den Reportern vorbei, versehen mit der Aufforderung, Medienvertreter tunlichst zu meiden. „Wir dürfen leider keine Auskunft geben“, heißt es etwa. Details zu schildern, dazu sind sie nicht bereit.

„Das ist nicht mehr als eine Show“

Klar wird, dass der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ibrahim Aslan zunächst ausführlich die trübe Lage geschildert hat. „Ibo hat sich viel Zeit gelassen“, sagt einer. Auch die IG-Metall-Vertreterin sei zu Wort gekommen.

Da ist dieser Mitarbeiter schon weg, der sich lediglich die erste halbe Stunde angeschaut und dann gemerkt hat: „Das ist nichts für mich, weil ich mich da verarscht fühle“, sagt er. „Das ist nicht mehr als eine Show.“ Die Situation sei sehr schlecht. Alles werde teurer, „jetzt wollen sie an unsere Gehälter“, klagt der Stuttgarter. Draußen heiße es immer: „Porsche, Porsche, Porsche. Denen geht es gut.“ Doch das sei nicht mehr so. Aus dem vielleicht besten Arbeitgeber Deutschlands sei ein mittelmäßiger geworden – Tendenz sinkend. Auch „das Arbeitsklima ist nicht mehr das, was es mal war – man merkt, dass es keinen Zusammenhalt mehr gibt“, sagt er noch und zieht weiter.

Oliver Blume hat sich am Mittwoch von seinen Mitarbeitern bei Porsche verabschiedet. Er wird sich fortan auf seine Arbeit als Vorstandschef von VW konzentrieren. Foto: IMAGO/Rainer Unkel

Ein anderer Beschäftigter antwortet auf die Frage nach der Stimmung: „Je nachdem, wen man fragt – beim Betriebsrat nicht so gut, bei Oliver Blume immer gut.“ Tatsächlich hat auch der Vorstandschef teilgenommen und sich ungefähr eine halbe Stunde an die Belegschaft gewandt – es ist seine Abschiedsrede, bevor er zum Jahresende gen Wolfsburg entschwindet und die Führung an seinen Nachfolger Michael Leiters übergibt.

Obwohl Blume bedrückende Botschaften zu vertreten hat, wird er nicht niedergebuht oder ausgepfiffen. Im Gegenteil: Etliche Beschäftigte berichten von Beifall für den scheidenden Chef. Er sei „mit Respekt“ verabschiedet worden. Auch dem Unternehmenssprecher ist dies eine Kurznachricht wert: Es habe „zweimal Standing Ovations“ für Blume gegeben – und Aslan habe ihn wertschätzend verabschiedet.

Wertschätzung ist ein großes Thema der Versammlung

So ist es auch emotional geworden an diesem Nachmittag. Ein weiterer Beschäftigter bestätigt: „Herr Blume wurde gut verabschiedet – ihm wurde Wertschätzung entgegengebracht.“ Diese Wertschätzung – und zwar den Mitarbeitern gegenüber – sei auch ein großes Thema der Versammlung gewesen. Denn das drohende Sparpaket bedeutet aus Belegschaftssicht etwas anderes: „Die Stimmung ist nicht so gut, weil die Vorstände bei den Gehältern sparen wollen.“

Ein älterer Beschäftigter meint lakonisch: „Das erleben wir hier ja nicht zum ersten Mal“, womit er die Krise Anfang der 90er Jahre meint. Die habe er auch schon miterlebt. Nun müsse die Belegschaft wieder „zusammenrücken“ und „Porscheaner-Geist“ zeigen. Wie denn? Das bleibt offen.

Für den einen ist die Stimmung „schlecht“, für den anderen „durchwachsen“. Dass sie keineswegs einheitlich ist, zeigt auch der Kommentar eines Mitarbeiters, der am Nachmittag noch zur Arbeit in Richtung Werk strebt: „Schwierige Zeiten“ seien es; vieles sei auch der Politik geschuldet, meint er mit Blick auf das Hin und Her bei der Elektromobilität. „Die Hersteller mussten auf den Zug aufspringen, diese Fahrzeuge zu entwickeln – die Politik wollte es so.“

Er stehe aber voll hinter der Geschäftsführung. „Wir hatten schöne, dicke Jahre, da haben wir viel verdient – die Firma hat uns viel gegeben.“ Und „jetzt müssen wir auch mal Abstriche machen“. Angesichts der wirtschaftlichen Lage könnte er sogar Kündigungen nachvollziehen.

Auch die Belegschaft in Weissach wird informiert

An diesem Mittwoch soll es noch eine Informationsveranstaltung im Entwicklungszentrum Weissach geben. Dort dürfte die Belegschaft ebenfalls sehr nervös sein, ist auf der Giftliste des Vorstands doch auch der Punkt „Personalabbau und Verlagerung der Entwicklung in Niedriglohnländer“ vermerkt. Dass jetzt sogar der Luxusautobauer Forschung und Entwicklung an Billigstandorte verlagern könnte, ist eine Idee mit enormer politischer Sprengkraft.

Nach der Versammlung will sich der Betriebsrat öffentlich äußern – und wird mutmaßlich erneut auf ein Zukunftspaket 2035 dringen, also auf den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen über 2030 hinaus. Nun muss man erst mal wieder zusammenkommen. Wochen, wenn nicht wenige Monate können die Verhandlungen dauern, bis Gewissheit herrscht, was von den vielen Wünschen des Vorstands Realität wird.