Josef, Maria, Jesus, die drei Weisen, Ochs und Esel samt Stall verlieren in der Adventszeit regelmäßig ihre Aufenthaltsgenehmigung vor französischen Gerichten: Bürgermeistern, die in ihren Amtsgebäuden Weihnachtskrippen aufstellen, drohen happige Geldbußen. 103.000 Euro Strafe erhielt die südfranzösische Gemeinde Beaucaire im Februar vom Verwaltungsgericht in Nîmes aufgebrummt, weil sie die Krippe trotz Gerichtsbeschlusses nicht abgebaut hatte.

Bürgermeister Nelson Chaudon vom rechtspopulistischen Rassemblement (RN) Marine LePens rüstet alle Jahre wieder zum Krippenkampf. Doch nicht nur rechtspopulistische Bürgermeister, auch Konservative und manchmal selbst Sozialisten kämpfen um die Krippentradition. Frankreich als laizistische Republik erlaubt – aus Prinzip – keine religiösen Symbole an öffentlichen Einrichtungen. Der bizarr anmutende Kulturkampf im Advent wird mit juristischen Finten, Spendenaufrufen, trickreichen Ortswechseln, Umbenennungen und sogar eher unappetitlichen Pseudo-Krippenfiguren geführt.

Im Land, in dem Aufklärer Voltaire und dann die Revolutionäre der Kirche den Kampf angesagt hatten, berufen sich Kläger wie die Liga für Menschenrechte auf das Gesetz vom 9. Dezember 1905, in dem die Prinzipien der Trennung von Kirche und Staat festgeschrieben und religiöse Symbole an öffentlichen Gebäuden – „außer in Museen und Ausstellungen“ verboten sind. Für Puristen heißt das: Wo kein Kopftuch in der Schule für Moslems erlaubt ist, darf auch keine Krippe in einer Mairie, einem Bürgermeisteramt stehen. Oder doch? 

Krippen und Krippenfiguren, die „Santons“, blieben lange völlig unberührt von einem Verbot, nach dem Motto: Wo kein Kläger, da kein Richter. Selbst Paris stellte bis zu Beginn des Jahrtausends auf dem Platz vor dem Hôtel de Ville eine Krippe auf. Doch Freidenker-Vereinigungen begannen 2010, gegen die Krippe als religiöses Symbol im öffentlichen Raum zu klagen. Sie bekamen unter Verweis auf den laizistischen Charakter der Republik und das Gesetz von 1905 öfters recht, aber nicht immer.

Die juristischen Attacken auf die Krippe motivierten manche Bürgermeister – vor allem vom rechten politischen Spektrum – ihrerseits nun erst recht Krippen aufzustellen. Seit 2016 gibt es eine Entscheidung auf höchster Ebene seitens des „Conseil de l’état“. Doch die funktioniert nach dem Radio-Eriwan-Motto: „Im Prinzip“ ist die Krippe seitens der Bürgermeister verboten, doch wo sie etwa Ausdruck einer verwurzelten Tradition ist, kann sie erlaubt sein. Den Streit hat das nicht beendet, sondern verquere Ausweichlösungen hervorgebracht.

Beispiel: Roland Wauquiez, führende Figur der konservativen Partei „Les Républicains“, der sich 2027 für die Nachfolge von Präsident Emmanuel Macron bewerben will, handelte sich in Lyon 2016 ein Krippenverbot ein. Er umging es 2017, indem er die öffentlich ausgestellte Krippe in eine „große Ausstellung über die Berufe der Krippenfigurenhersteller“ einbettete.

Weniger erfolgreich war im vergangen Jahr Louis Aliot, der Bürgermeister Perpignans. Der „Rassemblement National“-Vertreter hatte für seine Stadtkrippe gleich mehrere Vorsichtsmaßnahmen getroffen : So war sie nicht in der Mairie, sondern in einem angrenzenden Patio aufgestellt. Und unter die traditionellen religiösen Figuren hatte man einige „cagagners“ gemischt. Das sind volkstümliche katalanische Figuren, die mit heruntergelassener Hose einen Haufen in die Landschaft setzen – ein Glücks- und Fruchtbarkeitssymbol. Doch diese rustikale Ergänzung der religiösen „Santons“ genügte dem zuständigen Verwaltungsgericht von Montpellier nicht, um dem Krippenensemble seinen Segen zu erteilen. In diesem Jahr hat die Stadt die Krippe erneut aufgestellt, ein paar Meter entfernt, im Gebäude des früheren Fremdenverkehrsamtes.

In Beaucaire, dem 16.000 Einwohner-Ort nahe der Rhone-Mündung, fand sich auf der Internetseite des Bürgermeisteramts wochenlang der Aufruf : „Faites un don“ – „Spenden Sie für die Ausstellung der Weihnachtskrippe 2025/26.“ Solche Spenden seien „zu 66 Prozent“ steuerbegünstigt, warb die Mairie. Zunächst hatte Bürgermeister Chaudon die finanzielle Hilfe der Bürger erbeten, um die Strafe für die Vorjahreskrippe zu zahlen, die sich um 5000 Euro pro Tag erhöht hatte, den die Krippe trotz richterlichen Verbots aufgestellt blieb. Zuletzt waren es 103.000 Euro.

Da solche Strafen nicht durch Spenden aufgebracht werden dürfen, widmete der Maire die Spendenaktion um, um die Ausstellung der Krippe in diesem Jahr zu finanzieren. Doch Chaudon hat zwischenzeitlich kalte Füße bekommen – oder eine vorweihnachtliche Eingebung: Als die diesjährige Krippe vor ein paar Tagen enthüllt wurde, traditionell unter der Ehrentreppe der Mairie platziert, gab es eine Neuerung: Der Stall ist vergrößert und die eigentliche Geburtsszene mit der Heiligen Familie befindet sich nun vor, statt in der Mairie. Der Auszug der Heiligen Familie als taktischer Rückzug des Bürgermeisters. Nun bleibe abzuwarten, ob die Menschenrechtsliga „so dumm ist“, trotzdem wieder Streit zu suchen, stichelte der Bürgermeister. Echter Weihnachtsfriede klingt anders.

Jesus-Figuren aus Terracotta für eine traditionelle Weihnachtskrippe in der Provence.

Jesus-Figuren aus Terracotta für eine traditionelle Weihnachtskrippe in der Provence.  Manon Cruz