Der Ankündigung folgten die Absperrgitter. In den letzten Tagen gab es in der Hauptstadt Zeichen, dass sich Großes tut in der Politik. Die Mieter im Haus der Bundespressekonferenz, in dem viele Medienvertreter ihre Büros haben, wurden durch die Polizei vorgewarnt, dass am Montag wieder Sicherheitskräfte „auf dem Dach“ postiert würden. Verbunden war das mit der Anweisung, „die Fenster ganztägig mit Blickrichtung Bundeskanzleramt geschlossen“ zu halten. Solche Maßnahmen – plus der Vorbereitung weiträumiger Straßensperren – werden üblicherweise nur ergriffen, wenn hoher Besuch ins Haus steht. Offiziell bestätigt war das am Freitag nicht, entsprechende Medienberichte und der Blick auf die Weltlage deuten aber auf einen Ukraine-Gipfel hin.

Während sich der vierte Jahrestag des Einmarsches der Russen in die Ukraine langsam nähert, gewinnen die Bemühungen zur Beendigung des Krieges an Schnelligkeit. Mindestens einen Waffenstillstand erhoffen sich die Bundesregierung und andere, die in der „Koalition der Willigen“ an einer Lösung des Konflikts arbeiten. Gleichzeitig gibt es Berichte, US-Präsident Donald Trump verliere die Geduld mit den Ukrainern und den Russen; seine Kritik an den Europäern hatte er vorher schon in gewohnt blumiger Manier kundgetan. EU-intern ist der Druck ebenfalls groß.

210 Russland-Milliarden sind eingefroren

Etwa 210 Milliarden Euro an eingefrorenem russischem Vermögen (Frozen Assets) sollen in die Unterstützung der Ukraine fließen. Deutschland und andere EU-Staaten verständigten sich auf eine sogenannte Mehrheitsentscheidung als rechtliche Grundlage, sie ist das Gegenteil des üblichen Einstimmigkeitsprinzips. So soll verhindert werden, dass ein russlandfreundliches Land wie Ungarn mit einem Veto das geplante Vorgehen verhindert. Und zwar dadurch, dass es die Freigabe der eingefrorenen Mittel veranlasst. Hintergrund ist, dass die Zentralbankgelder per EU-Sanktionsbeschluss eingefroren wurden und dieser Zustand alle sechs Monate einstimmig verlängert werden muss. 

Am Donnerstag reist Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zum EU-Gipfel nach Brüssel, um in der Runde über die Verwendung der russischen Milliarden zu beraten. Deutschland will das Geld loseisen, eine Mehrheit dafür ist allerdings „noch nicht in trockenen Tüchern“, wie es ein ranghoher europäischer Diplomat formulierte. Ein Grund dafür ist die komplizierte Rechtslage, möglicherweise können die Russen das Geld zurückfordern.

Wie geht es weiter in der Ukraine? Belgien ist in Sorge

Medienberichten zufolge liegen 185 der 210 Russland-Milliarden in Depots von Euroclear, einem Finanzdienstleiter mit Sitz in Brüssel. Als Reaktion auf die europäischen Pläne hat die Zentralbank in Moskau Euroclear verklagt, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Der Vorgang bestätigt Befürchtungen der belgischen Regierung, die bereits vorher „erhebliche Risiken“ für ihr Land reklamiert hatte und deshalb Finanzgarantien der EU-Partner zur Deckung möglicher Gerichtskosten fordert.

In Diplomatenkreisen wird gemutmaßt, dass andere Länder ebenfalls Folgen fürchten und sich hinter Belgien verstecken. Frankreich könnte so ein Kandidat sein. Doch für die Bundesregierung gilt erstens: „Alle tragen dasselbe Risiko“, wie es den Kreisen weiter hieß. Zweitens kommen für Berlin andere Optionen als die Verwendung der eingefrorenen Gelder nicht in Betracht. So wird parallel beispielsweise darüber diskutiert, das Geld für die Ukraine-Hilfe aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen zu nehmen, dem EU-Haushalt also. Aus Sicht der Deutschen würde das jedoch an rechtlichen Hürden scheitern. Auch internationale Anleihen, sogenannte Eurobonds, sind für Berlin keine Option.

Treffen in Berlin am Montag angekündigt

In den nächsten Tagen steht viel auf dem Spiel. Die Bereitstellung weiterer Milliarden ist nach Einschätzung aus Verhandlerkreisen „eine zentrale Überlebensfrage für die Ukraine“. Auch das Ansehen der EU kann Schaden nehmen. Diese habe, sagte ein Diplomat, den Anspruch, geopolitischer Akteur zu sein. „Wenn wir es nicht schaffen, unsere ureigensten Sicherheitsinteressen über eine solche Entscheidung zur Geltung zu bringen, dann haben wir damit natürlich das Signal gesetzt, dass wir in Europa das nicht hinbekommen.“ Die EU wäre gescheitert, die Unterstützung der Ukraine würde nur noch auf wenigen Schultern ruhen – und die könnten unter dieser Last zusammenbrechen.

„Wir haben noch sechs Tage“, hieß es am Freitag aus Diplomatenkrisen. Tritt am Montag in Berlin tatsächlich ein Ukraine-Gipfel zusammen, käme dem Treffen eine entscheidende Bedeutung zu. Straßensperren, Scharfschützen auf dem Dach und geschlossene Fenster wären vor diesem Hintergrund eine sicherlich hinnehmbare Einschränkung des Alltags.  

  • Stefan Lange

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