Marcel de Groot ist CEO von Vodafone Deutschland.

Marcel de Groot ist CEO von Vodafone Deutschland.

Marcus Simaitis

Vodafone-Deutschland-CEO Marcel de Groot sieht Europa vor drei großen Herausforderungen. Doch der Kern der Probleme sitzt für ihn tiefer. Für 2026 fordert er, die Ursachen zu benennen und zu behandeln. Sein Plädoyer für mehr Vertrauen in unsere Stärken und in unsere Gemeinschaft.

Unsere Wirtschaft fällt zurück. Die Menschen streiten. Kein Zukunftspfad in Sicht. „Europe, we have a problem“. Das ist kein Hilferuf aus dem All, sondern Realität vor unserer Haustür.

Machen wir uns ehrlich: Vor uns liegt nicht nur ein Problem, sondern gleich mehrere. Unsere Abhängigkeit von anderen, unser Rückstand bei der Digitalisierung, die wachsende Kluft in unserer Gesellschaft.

Doch all das sind nur Symptome. Der Kern der unserer Probleme sitzt tiefer. Wir haben verlernt zu vertrauen. In uns selbst, in unsere Gemeinschaft und in unsere Zukunft. Die gute Nachricht: Aus jedem Problem kann eine Chance werden – wenn wir seinen Kern verstehen. Diese drei Symptome schmerzen uns in Europa. Und das sind ihre Ursachen, die wir behandeln müssen.

Unsere Abhängigkeit ist hausgemacht

Wir verlassen uns bei Energie, Chips und Software auf andere. Aber wenn die Welt ins Wanken gerät, sind wir verletzlich. Nicht, weil die anderen zu gut sind. Und auch nicht, weil uns der Wille fehlt. Sondern, weil wir zu oft als Einzelstaaten auftreten, statt auf das Gemeinschaftsprojekt Europa zu vertrauen.

Ein Beispiel: die Halbleiter-Industrie. Jedes Land setzt eigene Förderprogramme auf. Alle investieren, aber jeder für sich allein. Das kostet viel, aber bewegt wenig. Europas Potenzial ist mehr als die Summe seiner Teile.

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Wir müssen 2026 wieder anfangen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Mit übergreifenden Investitionsprogrammen und tiefen Vertrauen in unsere Stärke als Gemeinschaft. Souveränität heißt nicht alles allein machen.

Europäische Souveränität heißt gemeinsam stark sein. Im Verbund. Denn nur so können wir den Big Playern aus den USA und Asien bei den großen Zukunftsfragen auf Augenhöhe begegnen.

Wir haben kein Digitalisierungsproblem

Oft lese ich: „Europa hat ein Digitalisierungsproblem“. Das glaube ich nicht. Ich glaube, wir haben ein Mut-Problem. Wir können Digitalisierung. Aber wir haben Angst vor Fehlern. In den USA wird gefeiert, wer ein Startup gründet. Auch wenn er scheitert. Weil er es versucht hat. In Europa bleiben viele Ideen auf der Strecke.

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Denn es gibt kaum etwas zu gewinnen: Wer gründet und scheitert, wird verspottet. Wer gründet und sich durchsetzt, wird beneidet. Aber eine Spott- und Neidkultur trägt keine zukunftsfähige Digitalisierung und erst recht keine erfolgreiche Wirtschaft.

Die Folge: Statt die Dinge falsch zu machen, machen wir sie lieber gar nicht. Bevor wir KI-Anwendungen in Unternehmen und Behörden bringen, prüfen wir sie endlos, um jeden noch so kleinen Stolperstein aus dem Weg zu räumen. Das kostet Zeit und uns den Anschluss.

Wir müssen wieder beginnen, in uns selbst zu vertrauen und die Dinge einfach zu machen, wenn’s darauf ankommt. Auch, wenn dann die Fehlerquote steigt. Denn nur, wer es versucht, kann gewinnen.

Wir haben verlernt andere Meinungen auszuhalten

Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht hören, wie gespalten Europa ist. Und welche Themen uns am meisten trennen: Migration, Klima, Krieg. Die Meinungsunterschiede sind groß. Doch sie sind nicht unser Problem.

Im Gegenteil: die Vielfalt von Meinungen kann Europas große Stärke sein. Sie war es schon immer. Nicht umsonst ist die Meinungsfreiheit ein Kind Europas, auf das wir stolz sein dürfen.

Europa ist groß geworden, weil unsere Eltern gelernt haben, andere Meinungen auszuhalten. Was früher unsere Stärke war, haben wir heute verlernt.

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Der größte Beschleuniger: die sozialen Medien. Sie kamen, um uns zu verbinden. Doch wir nutzen sie vor allem, um uns von anderen Meinungen zu distanzieren.

Ohne Platz für Grautöne. Lasst uns wieder bemühen, andere Standpunkte zu verstehen, um Gräben zu überwinden und Lösungen zu finden.

Wir brauchen wieder ein gesundes Vertrauen in unsere Mitmenschen. Auch in die, die anderer Meinung sind als wir.  Das Vertrauen, dass sie uns nicht schaden, sondern, die Dinge zum Besseren verändern wollen.

Der Kern unserer Probleme

Unser größtes Problem ist ein Vertrauensproblem. Wenn wir etwas verändern wollen, dürfen wir 2026 nicht mehr nur über offensichtliche Symptome klagen. Wir müssen den Kern der Probleme benennen und behandeln.

Solange wir uns selbst kleinreden, werden wir klein bleiben. Solange wir uns keine Fehler verzeihen, werden wir keinen Fortschritt machen. Und solange wir andere Meinungen als Angriff werten, werden wir keinen gemeinsamen Weg definieren.

Lasst es uns anders machen. Lasst uns wieder vertrauen. In uns und unsere Stärken. In unsere Gemeinschaft und die Kraft Europas. In unsere Meinungsvielfalt und unsere Zukunft. Lasst uns aus Problemen wieder Chancen machen.

Damit aus „Europe, we have problem“ wieder „Europe we have a chance“ wird. Nicht, weil andere die Probleme für uns lösen. Sondern, weil wir die Probleme selbst in die Hand nehmen.

Der Autor dieses Textes, Marcel de Groot, ist CEO von Vodafone Deutschland.