Deutlich weniger Störungen und Verspätungen versprach die Deutsche Bahn mit der generalsanierten Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Ein Jahr nach der Wiedereröffnung der Strecke sind Pendler ernüchtert. Die Bahn zieht eine positive Bilanz.

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02:58 Min.|Anna Vogel

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Am Bahngleis in Biblis (Bergstraße) herrscht Gedränge. Manche Reisenden schauen auf ihr Handy, andere versuchen mit zusammengekniffenen Augen zu lesen, was über ihnen auf der kleinen, blauen digitalen Anzeige steht. In kleinen Ziffern steht dort, dass der RE70 nach Frankfurt heute zehn Minuten später kommt.

Für Thomas Mitlewski, der die Strecke als Pendler gut kennt, keine Überraschung. Sein Fazit zur rund 1,5 Milliarden Euro teuren Riedbahn-Sanierung: „Immer noch unpünktlich. Immer Warterei. Immer schlecht.“ Umstehende Reisende nicken.

Der 26-jährige Elvin, er seinen Nachnamen lieber nicht nennt, will gleich seiner Chefin in Frankfurt Bescheid geben, dass er heute später kommen wird. „Man muss halt immer mit Verspätungen rechnen“, sagt er: „Nicht einmal die Woche, sondern fast jeden Tag.“ Eine Verbesserung durch die Sanierung beobachte er nicht.

Bahn: Regionalverkehr ist stabiler und pünktlicher

Julian Fassing sieht das anders. Als Projektleiter für die Generalsanierung der Riedbahn war er dafür verantwortlich, dass zwischen Juli und Dezember 2024 rund 111 Kilometer Gleise, 152 Weichen, Signale, Stellwerke, Oberleitungen, Lärmschutz und Bahnhöfe erneuert wurden.

„Wir haben einen stabileren und deutlich pünktlicheren Regionalverkehr“, bilanziert Fassing ein Jahr nach der Wiedereröffnung der 70 Kilometer langen Strecke. Die Regionalzüge seien zuletzt zu 81 Prozent pünktlich gewesen. Vor einem Jahr habe die Quote bei 59 Prozent gelegen, also 20 Prozentpunkte niedriger.

Auch die Fernverkehrszüge verlören deutlich weniger Zeit auf der viel befahrenen Strecke, berichtet Fassing. Die Störungen auf der Riedbahn hätten sich im Vergleich zur Zeit vor der Sanierung um rund 60 Prozent verringert – und das, obwohl es Anfang des Jahres noch „Kinderkrankheiten“ gegeben habe, so Fassing.

Die Bahn bewertet den Zustand der Riedbahn mit der Schulnote 2,2. Vor der Sanierung sei das noch eine 3,7 gewesen.

Ein Zug nach Mannheim über die generalsanierte Riedbahn steht im Frankfurter Hauptbahnhof.

Vereinzelt Schwierigkeiten mit neuen Anlagen

Auf die zuletzt gehäuften Störungen bei Biblis angesprochen, antwortet Fassing, das liege an Schwierigkeiten mit einem Signal. Dazu hätten vor allem im Herbst die neuen Infrarotscanner, die die alten Radarsysteme an Bahnübergängen bei Biblis und Mörfelden ersetzen sollen, Probleme verursacht.

Die Kameras hätten beim Schließen der Schranken mehrmals Gegenstände im Gleis gemeldet, die sich im Nachhinein zum Beispiel als Laub oder Sonnenlichtreflektion herausstellten, erläutert der Bahn-Manager. Inzwischen habe ein Softwareupdate Abhilfe geschafft. Und die Weichen seien noch einmal neu eingestellt worden, um die Menge der Störungen noch weiter zu reduzieren.

Lokführer sieht kaum Verbesserung

Ein Lokführer, der auf der Riedbahn fährt und anonym bleiben will, sieht die Veränderungen auf der Strecke kritisch. „Es wurden mehr Signale aufgestellt, so dass mehr Züge in kürzeren Abständen fahren können. Die Stellwerkstechnik ist komplexer geworden, gleichzeitig hat man aber versucht, den Betrieb zu optimieren“, schreibt er dem hr.

Bei der Pünktlichkeit gebe es kaum Verbesserung, merkt der Lokführer an. Zum einen komme es immer noch häufig zu kleineren Weichen- und Signalstörungen. Zum anderen wegen der hohen Auslastung.

Gleisarbeiten auf der Riedbahnbaustelle am Bahnhof Gernsheim

Nach Angaben der Deutschen Bahn fahren täglich rund 400 Züge auf der Riedbahn. Der Lokführer schildert, dass viele Fernverkehrszüge vor allem aus dem Raum Köln und Frankfurt nach wie vor einiges an Verspätung mitbrächten. Dieser Rückstand lasse sich auf der Riedbahn aber bislang nicht aufholen und wirke sich auf den Regionalverkehr aus.

Zugsicherungssystem ETCS noch immer unvollständig

Eine Verbesserung bringen soll hier das Zugsicherungssystem ETCS. Es soll ermöglichen, dass Züge auf der Riedbahn bis zu Tempo 200 fahren und somit Verspätungen aufholen können.

Doch noch immer ist das System nur auf der südlichen Riedbahn zwischen Mannheim und Biblis in Betrieb. Im nördlichen Abschnitt bis Frankfurt verzögerte sich die Inbetriebnahme wiederholt. Erste Testfahrten seien für den kommenden Februar geplant, so Julian Fassing. Für zukünftige Generalsanierungen sei der Plan, die Inbetriebnahme des ETCS-Systems von der Wiedereröffnung der sanierten Strecke zu entkoppeln.

Bahn sichert fünf Jahre Baustellenpause zu

Bleibt die Frage: Wie lange hält die Sanierung auf der Riedbahn nach, gibt es wirklich die versprochene Baustellenpause von fünf Jahren?

„Wir bestätigen: In den nächsten fünf Jahren sehen wir momentan keinen Grund, warum wir noch mal systematisch an die Anlage müssten“, sagt dazu Wolfgang Weinhold, der Leiter des Generalsanierungsprogramms bei der Infrastrukturtochter des Bahn-Konzerns, der DB Infrago.

Nicht gemeint seien damit Arbeiten wie kürzlich in Riedstadt-Goddelau, schiebt Weinhold hinterher. Dort wurde ein weiteres Ausweichgleis gebaut. Das sei während der fünfmonatigen Generalsanierung aus logistischen Gründen nicht möglich gewesen.

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hr INFO,

15.12.25, 06:19 Uhr

Quelle: hessenschau.de