Die letzte Club-Kolumne dieses Jahres beginnt mit einer Herausforderung in Sachen Entscheidungsfindung, die sich bei genauerer Betrachtung womöglich als gar nicht mal so groß herausstellt. Denn während Ricardo Villalobos (19. Dezember, Blitz Club) und Kevin de Vries (19. Dezember, Pacha) einerseits beide zur Crème de la Crème der internationalen DJ- und Produzenten-Landschaft gehören, könnte ihr stilistischer Ansatz andererseits kaum unterschiedlicher sein.

So entstammt der Deutsch-Chilene Villalobos, der im Blitz sein erstes Set in München seit knapp zwanzig Jahren spielen wird, einer DJ-Generation, die vor allem im Zeichen des Minimal Techno stand. Bis heute gehört der 55-Jährige zu den Speerspitzen dieses hypnotisch-repetitiven Sounds der Nullerjahre, der eine Zeit lang zwar ebenso verschütt gegangen schien wie Villalobos selbst. Doch in der Musik kommt ja bekanntlich alles und jeder irgendwann wieder zurück, sogar dieser genialische Avantgardist unter den Techno-Minimalisten.

Ungleich strammer und härter gestalten sich hingegen die Tracks und Sets, mit denen Kevin de Vries in den vergangenen Jahren die Clubs und Festivals dieser Welt eroberte. Zwischen treibenden Beats und euphorisierender Trance-Melodik hat der Kölner Wahlberliner eine Melodic-Techno-Formel gefunden, die derart verlässlich auf dem Dancefloor einschlägt, dass man von ihm (im Unterschied zu Villalobos) zwar eher keine musikalischen Überraschungen erwarten darf – eine Nacht zum Durchtanzen aber allemal.

Wer eine solche am zweiten Weihnachtsfeiertag zum Verdauen einlegen möchte, dem sei wiederum das Set von Dominik Eulberg am 26. Dezember im Bahnwärter Thiel empfohlen. Wie kein anderer verknüpft der studierte Ökologe und passioniert für den Erhalt der Biodiversität eintretende DJ und Produzent seine Tracks mit der Natur, die er auf seinem neuen Album „Lepidoptera“ in Form von Schmetterlingen auftreten lässt. Zwölf Tracks, benannt nach zwölf Schmetterlingsarten, finden sich darauf. Und ebenso passgenau wie Eulberg hier klangliche Entsprechungen für bekanntere („Kleines Nachtpfauenauge“) und weniger bekannte Vertreter („Wundklee-Bläuling“) dieser hübschen Spezies findet, dürfte er mit seinen feinen DJ-Fühlern auch die Besucher im Bahnwärter in anhaltende Bewegung versetzen.

Erinnerung an die Zeit, als die Grenzen zwischen Journalismus und Literatur verwischten

Eine spannende Verbindung aus Lesungen und DJ-Sets erwartet einen zu guter Letzt im Zwischennutzungsclub Live Evil im ehemaligen Gasteig. Geht es beim Elaste 80s Bash am 27. Dezember doch tief hinein in die Ära des sogenannten Popjournalismus, dessen Beteiligte (u.a. Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo oder Christian Kracht) in Magazinen wie Elaste oder Tempo auf stilistisch wie inhaltliche kühne Weise die Grenzen zwischen Journalismus und Literatur verwischten. Etwa, indem sie Popstars im Zweifelsfall lieber über ihr bevorzugtes Deo anstatt über Musikalisches befragten, und so auch das Alltägliche zum Spektakel machten. Aber auch, indem sie ihren Texten einen Sound verliehen, der in seiner Lässigkeit mühelos sämtliche journalistischen Konventionen sprengte.

Gelesen wird an diesem Abend zum einen aus „Elaste – 1980 – 1986“, das als 560 Seiten starker Sammelband von den Herausgebern und einstigen Beteiligten Thomas Elsner (Grafik) und Michael Reinboth (Text) als eindrucksvolles Denkmal für eines der innovativsten Zeitgeist-Magazine der New-Wave-Ära geschaffen wurde. Und zum anderen aus „Gegenwart Machen – Eine Oral History des Popjournalismus“, ein Titel, in dem die Autorin Erika Thomalla gekonnt die Entwicklung des Popjournalismus nachzeichnet. Ehrensache natürlich, dass Elsner und Reinboth (als renommierter DJ aus dem Hause „Compost Records“) hernach auch noch auflegen, und dabei mit einem Querschnitt zwischen New Wave, Electro, Cold Wave, Proto-Disco, Post-Punk, Industrial und EBM keine Nostalgieshow, sondern einen „konsequenten Blick nach vorne durch die Linse der Achtziger“ versprechen.