Ungarns Regierungschef Viktor Orbán kritisiert regelmäßig EU-Entscheidungen. Wohl aus diesem Grund verbreitet sich die Behauptung, dass sein Land aus der Union austreten wird, immer wieder auf Facebook. Zwar ärgert sich Orbán wirklich über die Kommission und deren Präsidentin Ursula von der Leyen. Aber zieht er wirklich so drastische Konsequenzen?
Bewertung
Ungarn ist weiterhin in der EU. Für einen Austritt gibt es derzeit keine Anzeichen.
Fakten
Im Kommentar zu dem Post wird zu einem Blog-Beitrag verlinkt, in dem steht, dass Viktor Orbán in Budapest angekündigt hat, dass Ungarn „sofort“ aus der EU austreten werde. Damit hätte er „eine politische Bombe gezündet“. Eine Suche zeigt aber, dass kein seriöses Nachrichtenportal darüber berichtet.
Offizielle Äußerungen von Orbán werden auf der Website der ungarischen Regierung veröffentlicht. Dort finden sich ebenfalls keine Hinweise auf die Ankündigung eines EU-Austritts. Der „explosive Bericht“ ist frei erfunden.
Auch dass der Regierungschef eine „komplette Grenzschließung“ plane, entspricht so nicht der Wahrheit. Im September schrieb Orbán auf Facebook, dass „Migrantenbanden“ die Bevölkerung in Wien, Berlin, Paris und Stockholm „terrorisieren“ würden, berichtet der ORF. Er erinnerte zudem daran, dass Ungarn sich seit zehn Jahren „selbst und ganz Europa vor der illegalen Migration mit seinem Grenzzaun schütze“.
Woher die Aussagen im Blog-Beitrag stammen, ist unklar. Ähnliche Behauptungen tauchen immer wieder auf – zuletzt wurde im Mai 2025 ein dpa-Faktencheck dazu publiziert. Bereits im April 2024 wurde auf Social Media ein Youtube-Video mit dem Titel „EU Beben! Ungarn verkündet offiziell den Austritt – Brüssel reagiert fassungslos!“, verbreitet.
Aufnahme stammt von Ansprache im Jahr 2024
Eine Fotorückwärtssuche von Standbildern des Videos ergibt, dass die Aufnahme vom 23. Oktober 2024 ist – ein nationaler Gedenktag am Jahrestag des Beginns der ungarischen Revolution von 1956. Orbán hielt damals eine 20-minütige Rede. Im Transkript dieser steht, dass er Ungarn aufrief, Brüssel Widerstand zu leisten.
Er erklärte aber an keiner Stelle, dass Ungarn aus der EU austreten solle. Im Gegenteil: Als der polnische Ministerpräsidenten Donald Tusk ihm am 24. April auf X vorwarf „offen über einen Austritt Ungarns aus der EU zu sprechen“, wies Orbán dies zurück. Sein Land, erklärte er, würde die EU durch die Allianz „Patrioten für Europa“ mit der FPÖ stattdessen „transformieren“.
Auch US-Präsident Donald Trump hätte Orbán gesagt, dass „der Zeitpunkt für einen Austritt noch nicht reif“ sei, zitiert ihn puls24.at. Denn 85 Prozent der ungarischen Exporte gingen in den EU-Markt. Ein Austritt könne dann kommen, „wenn es für Ungarn vorteilhafter ist, sich außerhalb als innerhalb der Union zu befinden“. Die offizielle Website von Ungarns Vertretung bei der EU spricht weiterhin von den Rechten und Pflichten, die dem Land aus seiner Mitgliedschaft erwachsen.
Unklar, ob Referendum überhaupt rechtmäßig wäre
Im Februar 2022 hatte Orbán wirklich damit gedroht, dass Ungarn die EU verlassen könne. Das Land wolle nicht wie Westeuropa werden, sagte er damals in einer Wahlkampfrede. Artikel 50 des Vertrags über die EU beschreibt das Verfahren, nach dem ein Mitgliedsstaat austreten kann. Aber: Ob in Ungarn ein Referendum überhaupt rechtmäßig wäre, ist unklar. Die Verfassung des Landes verbietet eigentlich Volksabstimmungen über „Verpflichtungen aus internationalen Verträgen“ und „Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes“ (Artikel 8, Absatz 3).
(Stand: 9.12.2025)
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