Auf der Mauer, auf der Lauer liegen sie meistens, die Tierchen, die es im vergangenen Jahr zum Symbol für Desinformation gebracht haben. Denn mitunter krabbeln sie auch in die sozialen Medien: Dort verbreiteten sich rasant Berichte über eine Bettwanzenplage in Paris.

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Auf den angeblich außerordentlichen Befall reagierte die Weltstadt mit Krisensitzungen und präventiven Reinigungsaktionen, die Welle schwappte über auf andere europäische Großstädte, auch auf Berlin. Später stellte sich heraus, dass die Wanzenplage durch eine gezielte Desinformationskampagne aus Russland erzeugt wurde. X-fache Geschichten über die kleinen Tierchen sollten den Eindruck verstärken, wie schlecht es im Allgemeinen um Europa bestellt sei.

Es ist ein Beispiel, das prägnant deutlich macht, wie Kommunikation im öffentlichen Raum der sozialen Medien zur Manipulation genutzt wird. Ein vermeintlich alltäglicher Plagegeist wird durch die Echokammern der digitalen Welt gejagt, um das Lebensgefühl einer westlichen Demokratie kurz vor den Olympischen Spielen zu destabilisieren, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und Vertrauen im wahrsten Sinne des Wortes abzusaugen.

Gemeinsame Diskussionsgrundlage

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk folgt dem Anspruch und dem Auftrag, verlässliche und glaubwürdige Information zu liefern. Die gemeinwohlorientierte und solidarisch finanzierte Kommunikationsplattform muss den „common ground“, eine gemeinsame Grundlage für den Austausch und damit gesellschaftliche Teilhabe in der Demokratie liefern.

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Berlin ist nicht mehr nur ein „wahnwitzig gewordenes Dorf“, wie Tucholsky es satirisch zuspitzte. Durch die digitale Vernetzung ist McLuhans Bild vom „globalen Dorf“ tatsächlich wahr geworden.

Auch der rbb muss die Frage beantworten, was können, was müssen wir tun, um in unserer Region für qualitätsgesicherte Inhalte und konstruktive gesellschaftliche Debatten zu sorgen in einer immer stärker von Desinformationskampagnen, Fake News und der Macht „gefühlter Wahrheiten“ geprägten Informationswelt.

Es gilt, digitale Räume zu schaffen, die eine gemeinwohlorientierte Alternative bieten zu den dominierenden, privatwirtschaftlich organisierten Netzwerken und Plattformen. Im Verbund des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt es unterschiedliche Ideen hierzu:

Respektvolle Online-Diskussionen, wertegeleitete Softwareentwicklung und KI

Seit Oktober 2024 sind ARD und ZDF Partner des internationalen Forschungsprojekts „Public Spaces Incubator“. Hier geht es darum, digitale Werkzeuge zu entwickeln, die respektvolle und konstruktive öffentliche Online-Diskussionen fördern. Wie kann man es Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen, ihre Kommentare und ihre Meinung in einem Spektrum auszudrücken, das über „Daumen hoch/Daumen runter“ hinausgeht? Die Entwickler arbeiten daran, ein Umfeld zu schaffen, das vielfältige Standpunkte widerspiegelt, gegenseitiges Verständnis möglich macht und Perspektiven hervorhebt, die in der Diskussion noch nicht vertreten sind.

In einem Gutachten für das ZDF empfehlen die Rechtswissenschaftlerin Katharina de la Durantaye und die Kommunikationswissenschaftlerin Leyla Dogruel, Software und Inhalte möglichst offen zur Verfügung zu stellen und Einschränkungen nur dort vorzusehen, wo dies rechtlich oder wirtschaftlich erforderlich sei.

Software, Beiträge, Metadaten oder auch das Rohmaterial zu teilen, erhöhe den Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Gesellschaft. Die Offenlegung der Empfehlungsalgorithmen in Mediatheken zeigt, dass eine wertegeleitete Softwareentwicklung möglich ist. ARD und ZDF haben bereits angekündigt, ihre Streaming-Plattformen nach dem Open-Source-Ansatz weiterzuentwickeln.

Künstliche Intelligenz könnte den Rahmen bieten, gemeinsam mit anderen Medienhäusern und kulturellen Institutionen einen neuen Raum für Qualitätsinhalte zu schaffen. Diese Ideen werden mitunter als „Hybris“ und „naive Überambition“ kommentiert. Die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz lassen die Vision eines digitalen Qualitätsforums, in dem verlässliche Anbieter ihre Nachrichten und Informationen veröffentlichen und durch ihre Sorgfalt das Vertrauen der Nutzer gewinnen können, realistisch erscheinen.

Serie „Berlin 2030“

In unserer Serie „Berlin 2030“ wollen wir konstruktive Lösungen für die Herausforderungen der Hauptstadt finden und dabei helfen, positiv in die Zukunft zu schauen. Dafür sprechen wir mit Vordenkerinnen und Visionären, mit Wirtschaftsvertretern, mit Kulturschaffenden, mit Stadtplanern, mit Wissenschaftlerinnen und Politikern.

In Gastbeiträgen fragen wir sie nach ihrer Vision für Berlin. Wie soll Berlin im Jahr 2030 aussehen? Welche Ideen haben sie für die Zukunft unserer Stadt? Und welche Weichen müssen dafür jetzt gestellt werden?

Die Beiträge der Serie stammen unter anderem von Kai Wegner, Renate Künast, Tim Raue, Mo Asumang und Christian Schertz. Alle bisher erschienen Beiträge finden Sie hier.

Sie haben auch eine Idee? Schicken Sie uns Ihre Vorschläge an: checkpoint@tagesspiegel.de.

Sender und Empfänger

Ganz egal, digital oder analog – am wichtigsten bleibt der direkte und damit eindeutig nachvollziehbare Informationsweg: der persönliche Austausch. Die Zeiten, in denen der rbb nur gesendet hat, sind lange vorbei. Längst sind wir auch Empfänger dessen, was die Menschen in der Stadt interessiert und umtreibt.

Wie die gesamte ARD baut auch der rbb seine Dialogformate weiter aus und sucht das direkte Gespräch mit Hörerinnen, Zuschauern und Nutzern. Auf Veranstaltungen im Sendegebiet suchen wir den persönlichen Kontakt. Ob im Bürgertalk „Wir wollen reden“ des rbb-Fernsehen oder mit der Kieztour unserer Radiowelle rbb 88,8. Als regionaler Sender haben wir die Möglichkeit, in das persönliche Gespräch zu gehen, und wir nutzen sie.

Bei vermeintlichen Ungezieferplagen ziehen unsere Reporterinnen los und recherchieren, was ist. Und wenn sich dann rausstellt, dass Berlin statt Wanzen einem Bären aufgesessen ist, dann erläutern wir die Hintergründe und steigen ein in die Diskussion. Als regionaler Sender haben wir die Chance, das direkt und persönlich vor Ort zu tun, im Prenzlauer Berg ebenso wie in Prenzlau.

Blick in die Zukunft

Wenn Berliner und Brandenburger in die Vergangenheit blicken, dann tun sie das oft mit den Augen des rbb. Sie haben die Bilder im Kopf, die wir ihnen in unseren Dokumentationen und aus unseren Archiven liefern können, seien es die „Schicksalsjahre einer Stadt“ oder „Die Kinder von Golzow“.

Wir wollen mit neuen Mitteln und neuen Formaten auch die Bilder, Töne und Eindrücke sammeln, die die künftige Wirklichkeit dokumentieren werden. Im „Dorf Berlin“ werden wir weiterhin Anbieter von regional relevanten Inhalten und dialogorientierten Veranstaltungen sein, die unser gesellschaftliches Miteinander und die öffentliche Debatte fördern.

Mehr Visionen für Berlin 2030: Kai Diekmann im Interview „In Berlin haben sich viele Verlierer versammelt“ Andreas Knies Vision für Berlin 2030 „Robotaxis auf Bestellung machen dem Stau ein Ende“ Detlev Gantens Vision für 2030 „Abteilungen der WHO nach Berlin“

Im „globalen Dorf“ des weltweiten Netzes setzen wir auf unsere ethischen und journalistischen Standards und technologische Innovationen und bekämpfen die Bugs, Bots oder Bettwanzen, die da auf der Mauer, auf der Lauer liegen mit einem digitalen Ökosystem, das verlässliche und glaubwürdige Informationen mit sachlichen Urteilen, Qualität und mit vielfältigen konstruktiven Formen des öffentlichen Austauschs verbindet.