Wer in diesen Tagen Susanne Graf nach ihren Wünschen fragt, erhält schnell eine klare Antwort: „Finanziell überleben bis 2029!“ Ob das klappt? Das kann heute noch niemand sicher sagen.

Susanne Graf ist gemeinsam mit Eike und Philipp Honstetter Geschäftsführerin des Wau-Miau an der Esslinger Straße in der Stuttgarter Innenstadt. Wer etwas für seinen Hund oder seine Katze sucht, wird hier fündig. Die drei sind mit Leidenschaft dabei und kämpfen um die Existenz ihres Geschäfts. „Normalerweise ist das Weihnachtsgeschäft bei uns sehr gut“, sagt Graf. In diesem Jahr sei das nicht der Fall.

Wie viele andere Händler spürt man auch im Wau-Miau die aktuelle Kaufzurückhaltung der Kundschaft. Das größte Problem stellen aber die Baustellen direkt vor der Tür dar, da ist man sich in der Esslinger Straße einig.

Seit März 2024 laufen die Arbeiten am ehemaligen Breuninger-Parkhaus im Bohnenviertel. Bis 2027 soll auf dem Areal zwischen Esslinger und Hauptstätter Straße im Schatten der Leonhardskirche ein neuer Mobility-Hub der Firma Breuninger entstehen – mit circa 480 Parkplätzen für Autos, 150 Fahrrad-Stellplätzen sowie Carsharing-Angeboten, einer vielfältigen Ladeinfrastruktur und weiteren Dienstleistungen rund um die Themen Mobilität und Innovationen. Daneben soll 2029 das neue Haus für Film und Medien eingeweiht werden.

Kunden finden keine Parkplätze

„Durch den Wegfall des Breuninger Parkhauses fehlen uns viele Stellplätze. Immer wieder hören wir von Kunden, dass sie nicht mehr in die Stadt kommen, weil sie entweder in der Nähe keinen Stellplatz finden oder für ihn überteuerte Gebühren bezahlen müssen“, klagt Graf.

Zudem fehle die Laufkundschaft, seitdem die Baustelle die Esslinger Straße fast vollständig verdeckt. Wenn früher noch Passanten den Weg vom Marktplatz über die Hauptstätter Straße auf sich genommen haben, um in die Esslinger Straße zu kommen, so ist die Wegeverbindung heute nicht mehr attraktiv. Vor allem auch, seitdem auf der gegenüberliegenden Seite an der Eberhardstraße die Abrissarbeiten am Schwabenzentrum begonnen haben.

Umsatz fehlt: Café muss schließen

Bei den Händlern und Gastronomen in der Esslinger Straße und drumherum werden die Klagen über Umsatzeinbußen immer lauter. Erste Geschäftsaufgaben sind zu verzeichnen. Das Café Königx an der Wagnerstraße hat zugemacht. Schon im Oktober 2024 zeigte sich Inhaberin Waltraud Glaser gegenüber unserer Redaktion sehr verzweifelt. Als es um die Zukunft ihres Cafés ging, schossen der 75-Jährigen damals die Tränen in die Augen.

Der Umsatz sei so stark zurückgegangen, dass sie inzwischen ihre Mitarbeiter entlassen musste. „Wenn es so weitergeht, müsste ich Schulden aufnehmen. Es macht einfach keinen Spaß mehr“, betonte Glaser. „Vor allem, wenn die Stadt offenbar kein Interesse an uns hat.“

Stadt: Steg über die Hauptstätter Straße „nicht realisierbar“

Im Stuttgarter Rathaus sind die Probleme, Ängste und Sorgen aus dem Bohnenviertel wahrgenommen worden. Oberbürgermeister Frank Nopper war zweimal vor Ort, um das Gespräch mit den Einzelhändlern um den Vorsitzenden des Handels- und Gewerbevereins (HGV) Bohnenviertel, Thomas Rodens, zu suchen. Das Engagement des Stadtoberhauptes weiß Rodens zu schätzen. „Aber eine richtige Lösung des Problems ist noch nicht gefunden.“

Für die rund 50 HGV-Mitglieder wäre eine neue attraktive Fußgängerverbindung über die Hauptstätter Straße der Königsweg gewesen, um für mehr Frequenz in der Esslinger Straße zu sorgen. Die Stadt hat geprüft, ob ein Steg realisierbar ist. Das Ergebnis: „Aufgrund der technischen Gegebenheiten (unterirdische Stadtbahnhaltestelle, erforderliche Spannweiten von 41 bis 55 Meter) und der damit verbundenen Kosten von rund vier Millionen Euro ist das nicht realisierbar“, heißt es bei der Stadt auf Nachfrage unserer Redaktion. „Hinzu kommt die Planungs- und Bauzeit von etwa zweieinhalb Jahren, was den Nutzen angesichts der bereits optimierten Fußgängerquerung nicht rechtfertigt.“

Helfen den Einzelhändlern neue Mülleimer?

Unter optimierter Fußgängerquerung versteht man bei der Stadtverwaltung die Ampelschaltung an der B 14. Nun sei es möglich, die Hauptstätter Straße in einem Zug zu überqueren, ohne auf der Mittelinsel warten zu müssen. Zudem wurden im Bereich der Leonhardskirche die rot-weißen Kunststoffbaken durch verzinkte Stahlbügel ersetzt, um die Attraktivität zu steigern. Und auch neue Mülleimer wurden in der Esslinger Straße aufgestellt. Die Erfolge durch die getätigten Maßnahmen halten sich in Grenzen. „Minimal spiegelt sich das in Frequenz und Umsatz wider“, sagt Rodens.

Wie leer gefegt: Die Einzelhändler klagen über starke Umsatzeinbußen. Foto: Torsten Ströbele

Weitere Maßnahmen seien in Vorbereitung, heißt es bei der Stadt. „Es wird derzeit geprüft, inwieweit Bodenmarkierungen und ergänzende Beschilderungen zur besseren Orientierung beitragen können. Die Bodenmarkierungen werden aktuell priorisiert behandelt.“ Zudem würden in Zusammenarbeit mit Stuttgart Marketing gestalterische Konzepte entwickelt, um das Viertel auf dem Bauzaun entlang der B 14 und am Leonhardsplatz sichtbarer zu machen. Und auch der HGV hat Pläne, um das Viertel zu beleben. Eine After-Work-Reihe sei in Arbeit, die auf das Gewerbe im Bohnenviertel hinweisen soll.

Einzelhändler: „Wir kämpfen weiter!“

Doch reicht das aus, um die Händler und Gastronomen in der Esslinger Straße zu retten? „Die bisherigen Maßnahmen zeigen Wirkung“, schreibt die Stadt auf Nachfrage. Doch auch im Rathaus ist man sicher: Erst „der Abschluss der Bauarbeiten am Mobility Hub wird die Situation vor Ort wieder normalisieren.“

Solange bleibe die Wirtschaftsförderung weiterhin im engen Austausch mit dem HGV, „um Anliegen zeitnah aufzugreifen und die zuständigen Fachämter der Stadtverwaltung bei Bedarf einzubinden“. Bei Wau-Miau verlässt man sich lieber auf sich selbst. „Die Arbeit hier macht so unglaublich viel Spaß. Wir versuchen alles, um zu überleben“, betont Susanne Graf. Ein Lieferservice ist eingerichtet, die sozialen Medien werden bespielt und Nachlässe auf die Parkgebühren winken. „Wir kämpfen weiter!“