Gleich die erste Kundin kommt mit einem Sonderwunsch. Die Schweizerin möchte eine Namenstasse, aber der gewünschte Vorname ist beim Hasenmühle-Stand nicht vorrätig. „Wann müsst Ihr los?“, fragt Marei Tomsu-Blezinger. Am Nachmittag wollen die Weihnachtsmarktbesucherinnen die Heimreise antreten. „Kein Problem“, sagt die 54-Jährige, „das kriegen wir hin.“

Alle zwei bis drei Jahre schauen wir, welche Vornamen zuletzt geordert wurden. So kommen manche Namen dazu, andere fliegen raus.

Tilman Blezinger, Standbetreiber

1968 hatte Tomsu-Blezingers Vater zum ersten Mal einen Stand auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt. Seither waren die Blezingers jedes Jahr hier – 2020 und 2021 nicht mitgerechnet, als die Weihnachtsmärkte wegen der Coronapandemie ausfielen. Seit inzwischen auch schon 45 Jahren bauen sie ihren Stand mit den charakteristischen Wänden voller Tassen zu Füßen des Schillerdenkmals auf. Wie viele Stuttgarter wohl zu Hause eine goldene oder eine dunkelblaue Tasse von der Hasenmühle auf dem Frühstückstisch stehen haben?

Olaf, Olga, Olivia – mal kommen Namen dazu, mal fliegen welche raus. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko In den 1960er Jahren war der Weihnachtsmarkt in Stuttgart noch schlicht

Als Heinrich Blezinger Ende der 1960er Jahre anfing, Keramik aus dem Elsass auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt zu verkaufen, war der noch ein eher schlichter Einkaufsmarkt. „Die Leute kauften dort ‚ihr Sach’ – Töpfe, Pfannen, Kochlöffel“, sagt Tilman Blezinger, der Sohn des in diesem Jahr verstorbenen Patriarchen. Der sei der erste gewesen, der seinem Stand ein Dach verpasste: „Die anderen Händler lachten erst über ihn: Keramik kann man doch auch einfach mit einer Plane abdecken.“

Bei Wolfgang Bahr und Lothar Breitkreuz vom Stuttgarter Marktamt rannte Heinrich Blezinger Mitte der 1970er Jahre damit aber offene Türen ein. „Die sagten: Der Weihnachtsmarkt muss viel schöner werden.“ Die Händler sollten sich Holzbuden zulegen – und die Dächer gefälligst weihnachtlich schmücken. Die Holzhütte „Stuttgarter Modell“ wurde zum Verkaufsschlager. Und langsam sprach sich rum, dass die Landeshauptstadt einen der schönsten Weihnachtsmärkte Deutschlands aufzieht.

Die Namenstassen gibt es auf dem Weihnachtsmarkt seit 52 Jahren

Da hatte Heinrich Blezinger schon in Weinsberg die Hasenmühle gekauft. „Unser Vater hatte sich immer über die Elsässer Töpfer geärgert, weil die jedes Mal, wenn er kam, die Preise erhöht hatten“, sagt der 50-jährige Tilman Blezinger. Also kaufte er erst einem Elsässer dessen Töpferei ab, 1973 begann er in der Hasenmühle mit der Produktion.

Zum Verkaufshit wurden die goldgelben Henkeltassen mit Namen. Inzwischen gibt es sie seit 52 Jahren, seit 1982 auch in dunkelblau mit weißer Schrift. Eierbecher, Teller, Müslischüsseln, aber auch Duftlampen haben die Blezingers im Angebot. Und auch Hund und Katze können ihren Napf mit Namen haben.

Dank Brennservice am Stand können die Blezingers jeden Namen auf die Tasse bringen. Alle zwei bis drei Jahre schauen sie, welche Vornamen zuletzt geordert wurden und aktualisieren ihr Repertoire. „So kommen manche Namen dazu, andere fliegen raus.“ Zuletzt traf Wiltrud oder Traute dieses Schicksal, Luca, Carlotta, Luis oder Leon kamen dafür dazu.

Viele Stammkunden kommen jedes Jahr vorbei: Omas zum Beispiel, die für jedes neue Enkelkind selbstverständlich eine Tasse kaufen. Manche wollen auch einfach nur mal Hallo sagen. Kürzlich hatte Tilman Blezinger eine rührende Begegnung: Da kam eine Frau an den Stand, deren Namenstasse aus dem Jahr 1975 ihren Henkel verloren hatte. „Den haben wir dann wieder angeklebt.“

Die Weinsberger Hasenmühle ist ein Familienunternehmen: Alle drei Blezinger-Kinder arbeiten dort, die Jüngste, Maja Donald-Blezinger, ist die Chefin. „Wir sind da reingewachsen“, sagt Tilman Blezinger. Und wie es ist in einer Familie: „Manchmal reiben wir uns, aber wir einigen uns dann irgendwie doch.“ Mit Aushilfen beschäftigen die Blezingers 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in der Hasenmühle bieten sie auch Töpferkurse an.

Auch in Ludwigsburg, Heilbronn und Heidelberg gibt es die Hasenmühle

Inzwischen spielt natürlich auch für ihr Geschäft das Internet eine wichtige Rolle. Aber die Weihnachtsmärkte – die Hasenmühle hat im Advent auch Stände in Ludwigsburg, Heilbronn, Heidelberg und daheim in Weinsberg – sind der Hauptabsatzmarkt. 60 Prozent des Jahresumsatzes, sagt Tilman Blezinger, machen sie dann. „Da arbeiten wir das ganze Jahr drauf hin.“

Wenig weihnachtlich-besinnlich fühlt es sich an, wenn am 23. Dezember ruckzuck die ganze Ware verpackt und abtransportiert und am 27. Dezember noch der Stand abgebaut werden muss. „Das ist schon jedes Jahr eine gewaltige Aktion.“ Ab Neujahr ist die Töpferei dann aber in den Betriebsferien. „Da kann man dann auch mal ein bisschen durchschnaufen.“