Wenn im grauen Berlin sechs Tage vor Weihnachten kölsche Karnevalslieder gespielt werden, muss etwas Großes passiert sein. Am Donnerstagabend in der Max-Schmeling-Halle war es soweit: Auf „Viva Colonia“ von den Höhnern folgte „Kölsche Jung“ von Brings. Die Handballer der Füchse Berlin feierten den Einzug ins Final Four des DHB-Pokals nach einem spektakulären 32:30 (16:17)-Erfolg im Viertelfinale gegen den THW Kiel. Am 18. April spielen die Berliner in Köln nun zunächst gegen den TBV Lemgo, im anderen Halbfinale trifft der Bergische HC auf den SC Magdeburg. Am 19. April geht es dann um den Titel.
Am Donnerstag feierten die Berliner Fans nach einem Spiel mit furioser Atmosphäre der 8525 Zuschauer in der Max-Schmeling-Halle erst noch frenetisch mit ihren Spielern. „Der Fuchsbau hat gebrannt heute“, jubelte ein begeisterter Bob Hanning nach Schlusspfiff.
Füchse Berlin: Stimmungsvolles Viertelfinale gegen den THW Kiel
Das Berliner Publikum hatte tatsächlich schon früh am Abend Puls, weil es sich massiv benachteiligt fühlte. Als Kiels Elias Skipagötu nach einem Gesichtsreffer von Mijajlo Marsenic zu Boden ging, waren noch keine zehn Minuten gespielt – und die Fans der Füchse das erste Mal auf hundertachtzig.
Sie erinnerten sich offenbar an das Ligaspiel vor rund einem Monat, wo Skipagötu schon einmal wegen Theatralik ausgepfiffen worden war. Nun hatte ihn Marsenic aber eben tatsächlich im Gesicht getroffen, was zu einer Zwei-Minuten-Strafe führte.
Schon in der Anfangsphase kochen die Emotionen hoch
Kiel hatte, auch wegen dieser Überzahl, zunächst leichte Feldvorteile. Die Gastgeber zeigten aber schnell großen Kampfgeist. Aus einem 5:9 (11.) wurde ein 10:9 (17.), begleitet von akustischen Eruptionen in exponenzieller Entwicklung. Die Fans setzten so die ersten Pinselstriche auf dem Schlachtengemälde, und die Spieler taten es ihnen gleich: Marsenic blockte einen Wurf von Skipagötu und schrie ihm danach aus nächster Nähe Trashtalk ins Gesicht; es war der Höhepunkt dieses 5:0-Laufs.
Auch danach blieb das Spiel atemlos, worunter das handballerische Niveau etwas litt. Beiden Teams unterliefen insbesondere in der Phase nach der Halbzeit teils einfachste Fehler. Die Füchse hatten ein leichtes Übergewicht – im Grunde war aber auch jederzeit klar, dass dieser Pokalfight auf eine Entscheidung in der Schlussphase zusteuern würde.
Gidsel übernimmt in der Schlussphase
Das Spiel wankte hin und her wie ein Dampfer auf hoher See inmitten eines Tornados. Im Auge des Sturms mal wieder in aller Seelenruhe stand Welthandballer Mathias Gidsel, der in den letzten Minuten mit drei Treffern in Folge (mit 9 Toren insgesamt auch bester Schütze der Füchse) das Momentum aufseiten der Füchse kippen ließ. „Gidsel hat gezeigt, wie sehr er den Unterschied macht“, analysierte Krickau.
Den entscheidenden Treffer besorgte aber letztendlich ein anderer. Es standen noch 36 Sekunden auf der Uhr, die Füchse führten mit einem Tor, als Tim Freihöfer zur Siebenmeterlinie schritt. Der Mann, der am Mittwoch hochgradig überraschend nicht für den deutschen EM-Kader nominiert wurde und an dessen Personalie sich danach eine heißblütige Debatte in der ganzen Handball-Republik entzündet hatte.
Freihöfer: „Das geht nicht spurlos an mir vorbei“
„Das geht nicht spurlos an mir vorbei. Natürlich habe ich mir Hoffnung gemacht“, sagte Freihöfer nach Schlusspfiff. Nur um dann mit einem Lächeln hinzuzufügen: „Aber ich denke, ich habe heute das Beste daraus gemacht.“ Er hatte jenen Siebenmeter gegen Wolff nämlich versenkt und so tatsächlich den wichtigsten Treffer dieses Pokalabends erzielt.

Das entscheidende Duell des Abends: Tim Freihöfer (l.) gegen Andreas Wolff.
© Andreas Gora/dpa | Andreas Gora
„Dieser Charakter beim Siebenmeter, nach einem Spiel, wo er vorher viel verworfen hat, zeigt mir, dass wir einen ganz erfahrenen und mutigen jungen Mann bei uns haben“, sagte Krickau nachher über Freihöfer. Hanning ergänzte: „Es war ein nervöser Beginn. Aber das ist das, was Tim mittlerweile auszeichnet. Als junger Spieler verkraftest du so etwas eigentlich eher nicht. Aber als Spieler, der Tim ist, machst du dann eben trotzdem das letzte Tor.“
Die Füchse fahren zum Final Four nach Köln
So war es ein wundersamer Abend für den 23-jährigen Linksaußen, den er sicherlich noch lange in Erinnerung behalten wird. Das gilt aber auch nicht nur für ihn: Wie Hanning erklärte, habe sich etwa Matthes Langhoff noch bis kurz vor Anpfiff übergeben, geplagt von einer Krankheit. Und trotzdem zeigte der Halblinke eine tadellose Leistung, die derartiges nicht hätte vermuten lassen.
Dieser große Pokalabend bot eben für jeden einzelnen Spieler der Füchse eine große Geschichte. Und sie alle werden nun im April zum Final Four nach Köln fahren.
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