Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das Ermittlungsverfahren gegen den Philosophen und Kolumnisten Norbert Bolz am Freitag eingestellt. Dies geschehe „nach Zahlung einer Geldauflage (im unteren vierstelligen Bereich) an eine gemeinnützige Organisation“ nach Maßgabe des Paragraphen 153a der Strafprozessordnung „endgültig“, teilte die Behörde auf Anfrage der F.A.Z. mit. Der Beschuldigte sei damit „nicht verurteilt“. Es gelte die Unschuldsvermutung. Ermittelt wurde gegen Bolz wegen der vermeintlichen Verwendung verfassungswidriger Begrifflichkeiten.
„Gute Übersetzung von ,woke’“
Damit beendet die Staatsanwaltschaft eine Peinlichkeit, die mit einem Hinweis der Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ begonnen hatte. Dort hatte man die Ironie nicht begriffen, mit der Bolz in einem Tweet auf eine Überschrift in der „taz“ („AfD-Verbot und Höcke-Petition: Deutschland erwacht“) reagiert hatte. Aus Bolz’ Einlassung „Gute Übersetzung von ,woke’: Deutschland erwache!“ wurde der Verdacht der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Die Meldung ging an die Staatsanwaltschaft, bei Bolz fand auf richterliche Anordnung hin eine polizeiliche Hausdurchsuchung statt. Der Philosoph sagte gegenüber der „Bild“-Zeitung, er habe ironisch auf die Schlagzeile der „taz“ reagiert, und erklären wollen, was das Englische „woke“ bedeute: „erwacht“. Nun habe ihn „die traurige, despotische Wirklichkeit, die ich in den letzten Jahren immer nur beschrieben habe“, eingeholt, das sei „gruselig“.
Solchem Grusel will die hessische Landesregierung nun ein Ende bereiten, indem sie die Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ reformiert. „Unsere Meldestelle ist keine Spielwiese für Aktivisten, sondern ein Schutzraum für echte Opfer“, hatte der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) am Donnerstag zu der Reform gesagt. Die Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ soll sich künftig auf Hinweise zu Hass und Hetze im Netz mit Bezug auf Hessen konzentrieren und nur Eingaben von Hinweisgebern bearbeiten, die ihren echten Namen angeben. Strafanzeigen sollen künftig direkt bei der Polizei erstattet werden, was mittlerweile auch online möglich sei.
Die Reform scheint dringend vonnöten. Denn die Meldestelle – die FDP und die AfD hatten gefordert, sie ganz abzuschaffen –, bearbeitete zuletzt rund 37.000 „Fälle“ pro Jahr, von denen rund 93 Prozent nichts mit Hessen zu tun hatten – darunter der ominöse Hinweis auf den Tweet von Norbert Bolz.
„Auch wenn der Kampf gegen Hass und Hetze wichtig ist, dürfen wir auch nicht über das Ziel hinausschießen“, sagte der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU). Es gelte ebenso, „ein Klima des Anschwärzens zu verhindern“. Da wird sich „Hessen gegen Hetze“ wohl umstellen müssen, damit sich ein „Fall“ wie der von Norbert Bolz nicht wiederholt.