„Es ist frustrierend für uns“, sagt Thomas Weber. Der Gärtner und Beschicker aus Stuttgart-Uhlbach ist seit vielen Jahren auf dem Stuttgarter Wochenmarkt dabei. In der Adventszeit bietet er an seinem Stand auf der Königstraße, der unter dem Jahr auf dem Schillerplatz steht, auch Adventskränze und weihnachtliche Dekoration an – in der Vorweihnachtszeit sehr gefragte Artikel, könnte man meinen.

Seit diesem Jahr hat sich der Übergangsstandort des Weberschen Stands auf der Königstraße jedoch geändert – sein vielfältiges Schmuck-Grün und die Adventskränze verkauft Thomas Weber anstatt, wie in vorigen Jahren am Standort nahe des Buchladens Thalia/Wittwer am Schlossplatz, nun auf einer anderen, kleineren Fläche am oberen Ende der Königstraße, in Richtung Rotebühlplatz. Festgelegt wurde die neue Standordnung wie in jedem Jahr durch die Märkte Stuttgart GmbH.

An diesem neuen Standort kommen weniger Kunden vorbei als in der exponierten Lage am Schlossplatz. Eine Tatsache, die sich auf den Umsatz des Marktbeschickers auswirkt.

Beschicker verlieren Stammkunden – hohe Umsatzeinbußen sind die Folge

„Gerade durch die Adventskränze habe ich seit Jahrzehnten Stammkunden. Durch die Standverlegung finden diese Kunden unseren Stand jetzt aber nicht mehr“, erzählt Thomas Weber. Das Ergebnis: strenge Umsatzeinbußen. Der Beschicker spricht von 50 Prozent weniger Umsatz als in anderen Jahren, mit einem Stand an anderer Position. Auch ein Hinweis-Wagen, den Weber extra am Schlossplatz aufgestellt hat, um Kundschaft auf die neue Standposition hinzuweisen, helfe nicht großartig, erzählt er.

Mit seinem Stand steht Thomas Weber in diesem Jahr fast am oberen Ende der Königstraße – bis dorthin kommen viele Marktbesucher nicht mehr. Foto: Scheffel/StZN

„Viele Kunden wollen dann nicht lange rumschauen und suchen sich andere Stände in ihrer Nähe“, so Weber. „Das merken wir nicht nur dieses Jahr, sondern auch auf die nächsten Jahre hat das Auswirkungen. Wenn man in einem Jahr nicht da ist, orientieren sich die Leute langfristig um.“

„Wenn man in einem Jahr nicht da ist, orientieren sich die Leute um“

In diesem Jahr bleibt Thomas Weber aufgrund der neuen Lage seines Standes voraussichtlich auf hunderten von Adventskränzen sitzen. Denn diese hatte er für eine rechtzeitige Lieferung bereits im Sommer bei seinem Lieferanten vorbestellen müssen. Damals wusste der Beschicker noch nichts von der neuen Lage seines Standes. Das fällt ihm nun auf die Füße. Durch die nicht verkauften Kränze schreibt er mehrere tausend Euro Verlust. „Was nicht bis zum ersten Advent verkauft wurde, verkauft man so gut wie nicht mehr“, so Weber.

In seiner Not hatte sich Thomas Weber mit dem Anliegen bereits im November in Form eines vierseitigen Briefs an den Geschäftsführer der Märkte Stuttgart GmbH, Thomas Lehmann und den Marktleiter gewandt – ohne Erfolg. Das Hauptargument des Marktleiters: Thomas Webers Lkw habe unten am Schlossplatz keinen Platz.

Trotz der Bitte um eine andere Standposition und konstruktive Vorschläge, wie diese zu erreichen sein könnten – „Zur Not hätte ich meinen LKW nach dem Entladen wieder irgendwohin weggefahren“, sagt Thomas Weber – wurde dem Beschicker ein Stand am oberen Ende der Königstraße zugewiesen, fernab der Kollegen des Schillerplatzes und vor allem fern der Stelle, an dem ihn seine Kunden mehr als ein Jahrzehnt lang fanden.

Anderen Beschickern auf dem Interims-Wochenmarkt auf der Königstraße befinden sich in einer ähnlichen Lage. Sie beklagen teils weniger Kundschaft und damit einhergehende Umsatzeinbußen. In vielen Fällen sind es vor allem Stammkunden, die durch die Standverlegungen in Richtung obere Königstraße ihren Weg nicht mehr zu den Beschickern ihres Vertrauens finden. „Gerade ältere Stammkunden können den Weg die Königstraße hoch zum Teil einfach nicht mehr auf sich nehmen“, heißt es seitens anderer Beschicker. „Klar steht unser neuer Standort auf unserer Internetseite – aber sagen Sie mal einem über 80-Jährigen, er soll auf der Webseite nachschauen. Es ist traurig, dass die Kundschaft enttäuscht wird und unzufrieden ist und dann einfach nicht mehr zu uns kommt.“

Auch bei ihnen gehen so Einnahmen flöten – teils käme am Ende des Markts nur noch ein Drittel des eigentlichen Umsatzes heraus. „Das macht natürlich einiges aus in der Adventszeit – eigentlich ist das nämlich unsere beste Zeit.“

Sicherheitskonzept in der Innenstadt – Poller verschieben Wochenmarkt

Doch was steckt hinter der Verlegung der Stände in die teils doch sehr dezentrale Lage? Thomas Lehmann, Geschäftsführer der Märkte Stuttgart GmbH verweist auf eine neue Regelung des Amts für öffentliche Ordnung, die die Sicherheitsmaßnahmen in der Innenstadt betreffen.

Thomas Lehmann, Geschäftsführer der Märkte Stuttgart GmbH. Foto: Märkte Stuttgart

„Früher konnten die Marktstände bis hinunter zur Commerzbank aufgebaut werden, zum diesjährigen Weihnachtsmarkt dürfen sie nur bis zu den Sicherheitspollern, etwa auf Höhe von Thalia stehen“, so Lehmann. Das Marktamt ist damit in der Not, auf rund 100 Metern weniger Länge die selben Stände unterzubringen. Diese müssen entsprechend „nach oben“ in Richtung Rotebühlplatz und damit fernab vom trubeligen und kundenstarken Schlossplatz rutschen, wo die Beschicker sich sonst zum Teil die auch internationale, Kundschaft mit den Weihnachtsmarktbeschickern geteilt haben.

Das habe sich in diesem Jahr mit den vorherrschenden Sicherheitsmaßnahmen nicht mehr abstimmen lassen, so der Märkte-Geschäftsführer. „Wir sind aber mit dem Amt für öffentliche Ordnung im Gespräch darüber, wie man das Thema klären kann.“

Das Amt für öffentliche Ordnung selbst verweist über einen Sprecher der Stadt Stuttgart ebenfalls auf das „ mit allen Sicherheitspartnern abgestimmte Zufahrtschutzkonzept“. Ein effektiver Zufahrtschutz lasse sich an der Stelle am Schlossplatz nur gewährleisten, wenn die Durchfahrten konsequent geschlossen bleiben“, so Sprecher Oliver Hillinger. Hierbei seien auch die Belange der Marktbeschicker berücksichtigt worden. „Ein reibungsloser Auf- und Abbau der Marktstände konnte unter dem aktiven Zufahrtschutz nur eingeschränkt ermöglicht werden“, so Hillinger.

Märkte-Chef Lehmann: „Wir suchen nach einer Lösung“

Das Problem: Fahrzeuge etwa, die die Beschicker nutzen, um ihre Waren an die Stände zu transportieren, dürfen auf der Fläche hinter den Pollern nicht stehen. „Wir suchen aber nach einer Lösung, damit zumindest die Stände wieder davor aufgebaut werden können, damit wir unsere alte Struktur wiederfinden“, so Thomas Lehmann.

Zudem seien die Stände aufgrund von Baustellen auf der Königstraße weiter in Richtung Rotebühlplatz verlagert worden. Als Beispiel für diese Baustellen nennt der Märkte-Chef die Baugrube an der Ecke Schul-/Königstraße, in Stuttgart auch bekannt als das „Benko-Loch“, wo künftig Thalia/Wittwer einziehen soll. „Der Platz reicht da aktuell wegen des Bauzauns nicht so aus, wie es ursprünglich einmal war. Da müssen wir Kompromisse finden.“

Baustellen wie hier an der Ecke König-/Schulstraße sorgen für weniger Platz auf dem Wochenmarkt. Foto: Scheffel/StZN

Doch wie sollen diese aussehen? Das steht noch in den Sternen. Thomas Lehmann und das Amt für öffentliche Ordnung verweisen auf ein Gespräch mit Vertretenden der Marktbeschicker und Oberbürgermeister Frank Nopper, das bereits stattgefunden habe. Bis zum Stuttgarter Weindorf, dem nächsten Event, bei dem der Wochenmarkt weichen muss, soll eine Lösung vorliegen, sodass der untere Bereich der Königstraße zwischen Thalia/Wittwer und Commerzbank wieder mitgenutzt werden könne. Man nehme die Beschwerden und Sorgen der Marktbeschicker ernst, so der Märkte-Chef. „Leider haben wir in diesem Jahr keine andere Möglichkeit.“

Für das Frühjahr 2026 sei bereits ein gemeinsamer Termin mit dem Amt für öffentliche Ordnung anberaumt worden. Aktuell werde das Sicherheitskonzept umfassend überarbeitet und geprüft, in wie weit eine Rückkehr zur ursprünglichen Nutzung möglich ist, so der Sprecher der Stadt, Oliver Hillinger auf Anfrage. Diese Prüfung sei noch nicht abgeschlossen, eine Entscheidung daher noch nicht getroffen worden.

Markt-Beschicker: Kriterien für Standvergabe teils nicht nachvollziehbar

Doch auch, wenn das gelingt – für die Beschicker auf dem Wochenmarkt löst es nicht das ganze Problem. Denn in Gesprächen mit Standbetreiberinnen- und Betreibern wird zudem Unmut über die Art und Weise der Standvergabe laut.

Zum Teil herrscht Unklarheit darüber, nach welchem Prinzip die Plätze unter den Beschickern vergeben werden. Man wolle sich damit keineswegs untereinander Plätze in guter Lage streitig machen – denn ein positives Miteinander sei wichtig – doch es müsse eine rote Linie und klar definierte Kriterien für die Vergabe vorliegen, so der Tenor unter den Beschickern. Diese sei bislang für viele nicht zu erkennen. „Es ist Aufgabe des Marktamts die Stände so einzuteilen, dass es sich ausgeht“, heißt es.

Auch deshalb gibt es Beschicker, die nur noch samstags auf dem Wochenmarkt vertreten sind. An alle drei Tagen – nämlich am Dienstag, Donnerstag und Samstag – vor Ort zu sein, lohnt sich für viele aufgrund der schlechten Kundenlage schlichtweg nicht.

Beschicker kommen teils nur einmal die Woche – statt dreimal

Fatal für Beschicker, die ihr Jahr nach dem Wochenmarkt über Weihnachten ausrichten. „Es ist schon klar, dass die Marktplätze rar sind und irgendjemand eben auch weiter oben an der Königstraße stehen muss“, heißt es aus dem Kreis der Beschicker. Dennoch hoffen sie auf eine Lösung für das nächste Jahr, bei der auch diese Stände mitbedacht werden. „Wenn die Stände an der Königstraße wieder unterhalb der Poller nahe Thalia/Wittwer stehen könnten, wäre das Problem gelöst.“

Märkte Stuttgart GmbH: Probleme auf der Königstraße sind bewusst

Was sagt die Märkte Stuttgart GmbH Stuttgart, die für die Anordnung der Stände verantwortlich ist, dazu? In den letzten Jahren seien die Stände je nach vorigem Standort auf dem Schiller- oder dem Marktplatz entsprechend auf der Königstraße strukturiert worden, so der Märkte-Geschäftsführer Thomas Lehmann auf Anfrage. Doch in diesem Jahr ist das bei manchen Ständen anders. Warum? Auch das führt Lehmann auf die neuen Sicherheitsregelungen und die oben genannten Gründe wie Baustellen zurück. „In diesem Jahr war uns das aber aus den genannten Gründen nicht möglich“, sagt er.

Er räumt ein: „Grundsätzlich ist es natürlich ein Problem, dass Stammkundschaft, die normalerweise an den Ständen am Schiller- oder Marktplatz einkauft, auf der Königstraße zum Teil wegbleibt. Die Kundenstruktur ist dort eine andere als auf dem Marktplatz – das merkt man dann auch am Umsatz.“ Dieses Problem sei ihm bewusst.

Wochenmarkt-Beschickern fehlt teils eine Lobby

Marktbeschicker, die mit unserer Zeitung gesprochen haben, wünschen sich nicht nur eine transparente Standvergabe und eine Verbesserung der aktuellen Lage – auch die Kommunikation zwischen Marktaufsehern und Beschickern habe in den letzten Jahren nachgelassen.

Gerade was die Aufbautage des Weihnachtsmarkts oder auch des Weindorfs angeht, fühlen sich viele Wochenmarkt-Beschicker nicht immer gut vertreten – etwa wenn ein Aufbautag auf einem Samstag fällt – ein Tag, an dem auch der Wochenmarkt noch auf Markt- und Schillerplatz vertreten ist. Man habe durch das Ausweichen auf die Königstraße ohnehin Nachteile und wolle durch den Aufbau des Weihnachtsmarkts nicht noch weiter zurückgedrängt werden, so der Tenor.

Auf Nachfrage spricht Stefanie Hirrle, Sprecherin der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart, die den Stuttgarter Weihnachtsmarkt organisiert, von einer „großen Herausforderung“ an den Weihnachtsmarkt-Aufbautagen – „sowohl für die Seite der Wochenmarkt-Beschicker als auch für die Seite der Weihnachtsmarkt-Beschicker“. Es seien „einfach unheimlich viele Stände, die gleichzeitig auf dem Markt aufbauen.“ Hinzu kämen die Passanten Besucher und Einkaufende, die alle in der City unterwegs sind. Denoch gebe es eine Regelung: „Die Weihnachtsmarktbeschicker beginnen mit dem Aufbau, sobald die Wochenmarktbeschicker abgebaut haben und abgefahren sind.“ Am Samstag beginnt der Weihnachtsmarkt um 14 Uhr. Die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Wochenmarktverantwortlichen klappe bestens.

Auch Märkte-Geschäftsführer Lehmann verweist auf Vorgaben. „Da gibt es abgestimmte Regelungen. Am Samstag vor der Weihnachtsmarkt-Eröffnung geht der Wochenmarkt bis 13.30 Uhr, dann wird er eine halbe Stunde früher abgebaut als sonst. Dann kann der Weihnachtsmarkt aufgebaut werden.“ Es gebe zwar den Wunsch seitens der Weihnachtsmarkt-Beschicker den Wochenmarkt an diesem Tag früher zu beenden, doch die Regelung stehe und daran werde seitens der Märkte Stuttgart GmbH auch nichts geändert.

Die Beschicker des Wochenmarkts hoffen zwar auf eine solche, starke Lobby für den Wochenmarkt, glauben wollen sie daran aber erst, wenn – auch beim Thema Königstraße – tatsächlich Taten folgen.