Frust bei Hertha BSC (imago images/Beautiful Sports)

Stand: 20.12.2025 10:28 Uhr

Im letzten Spiel des Jahres enttäuscht Hertha BSC beim Remis gegen Arminia Bielefeld. Dabei scheint der eher langweilige Schlachtplan zunächst aufzugehen. Und vor allem neutrale Zuschauer auf ihre Kosten zu kommen.

  • Hertha spielt beim 1:1 gegen Bielefeld vor allem in der ersten Halbzeit zu wenig zwingend
  • Immerhin die Defensive funktioniert gut

Betrachtet man die Qualität eines Fußballspiels, muss man sich immer auch die Frage stellen, wo und wie man es denn schaut. Herthas Rausschmeißer aus dem Fußballjahr 2025 zum Beispiel gegen Arminia Bielefeld (1:1) war im Stadion eher Magerkost. Auf dem heimischen Sofa hingegen war es lange Zeit das ideale Vorabendprogramm. Stichwort: Kickerchen.
 
Ein Wort, das noch nicht bekannt genug ist, aber den schönen Umstand beschreibt, unter dem Grundrauschen einer nahezu ereignisloser Partie dahin zu dösen. Nun durfte man für dieses Kickerchen freilich kein Hertha- oder Bielefeld-Anhänger sein. Wer emotional verbandelt ist mit einer der aufspielenden Mannschaften, ist viel zu uffjeregt für ein gutes Kickerchen. Aber aus neutraler Sicht konnte man zumindest über die ersten 45 Minuten dieser Begegnung sagen: solider Schnarch, gerne wieder.

Gegenteilige Ausrichtungen

Warum das so war, das ist ja immer so die Frage. Ein paar Vermutungen könnte man aber schon anstellen. Die offensichtlichste lag in der jeweiligen Marschroute der beiden Mannschaften.
 
Bielefeld, nach vier sieglosen Spielen in Folge und zudem ein Aufsteiger, fügte sich von Beginn an die Rolle des Außenseiters, igelte sich tief in der eigenen Hälfte ein und hoffte auf Konter über die äußerst flinken Offensivspieler. Hertha war also der Ball überlassen und das, man muss es leider so sagen, war ein Problem.

Hertha und der fehlende Plan

Irgendwann Mitte der ersten Halbzeit musste man das Gefühl bekommen, die Spieler der Gastgeber würden sich untereinander fragende Blicke zuwerfen. Immer frei nach dem Motto: Sag’ mal, wie war nochmal der Plan? Und weil als Antwort nicht mehr als „nach vorne“ zu kommen schien, gerieten die Berliner Angriffsbemühungen ein ums andere Mal viel zu hektisch.
 
Statt es sich in aller Ruhe mit dem Ball rund um den Bielefelder Strafraum gemütlich zu machen, schien die Hertha immer schon kurz nach der Mittellinie den finalen Ball spielen zu wollen. So kam die Offensiv-Fraktion um Marten Winkler, Michael Cuisance oder Fabian Reese kaum dort an den Ball, wo sie Gefahr erzeugen hätten können.
 
Von Stoßstürmer Luca Schuler ganz zu schweigen, der in seinen 64 Minuten auf ganze 20 Ballkontakte und einen Torschuss kam. So mancher Balljunge schien an diesem Abend besser ins Hertha-Spiel eingebunden als Schuler.

Eine Mannschaft wie ein Bachlauf

Immerhin, so viel Kredit hat sich die Mannschaft unter Stefan Leitl in dieser Hinrunde dann doch erarbeitet, man hatte zugleich auch stets das Gefühl, dass zwar im unmittelbaren nächsten Moment nichts Aufregendes passieren würde, dass aber all das Bemühen noch etwas bringen könnte. Irgendwann, in ferner Zukunft der zweiten Halbzeit. Als wäre die Hertha-Offensive zwar nichts weiter als ein kleiner Bachlauf. Aber auch kleine Bachläufe schleifen mit der Zeit noch den größten Stein klein.
 
Und so schien die Hertha mit dem 1:0 durch Paul Seguin (67.) – seinem ersten Tor im Trikot der Berliner – auch genau das zu erfüllen. Weil Bielefeld dann eben doch irgendwann diesen einen, großen Fehler machte und Hertha daraus einen wunderbaren Konter zu setzen wusste. Die Geschichte des Spiels, so schien es, war damit zu Ende erzählt. Weil Bielefeld spielerisch nicht in der Lage schien, von sich aus gefährlich zu werden. Und weil Hertha defensiv tatsächlich überzeugte bis dahin.

Ein Weihnachtswunder zum Schluss

Die Restverteidigung werde wichtig, hatte Trainer Leitl vor der Partie gesagt und also vor Bielefelder Kontern durch deren schnelle Stürmer gewarnt. Und tatsächlich stimmte die Restverteidigung.
 
Auch nach dem frühen, verletzungsbedingten Ausfall Niklas Kolbe in der 15. Minute, der wiederum nur in die Startelf gerückt war, weil Marton Dardai mit Magen-Darm ausfiel. Weshalb nach besagten 15 Minuten Rechtsverteidiger Linus Gechter in die Innenverteidigung rückte und der für Kolbe eingewechselte Deyovaisio Zeefuik auf die Rechtsverteidiger-Position. Und sie stimmte auch nach der Roten Karte für Abwehrchef Toni Leistner in der 85. Minute. Bis zur sechsten Minute der Nachspielzeit.

Von Restverteidigung konnte da nur noch zeitlich die Rede sein. Bielefelds Ausgleich war schließlich eher ein Weihnachtswunder. Im Football spricht man im Angesicht der Verzweiflung von einer Hail Mary. Dann, wenn der Quarterback in den letzten Sekunden eines Spiels einfach nur noch lang wirft. Viel vorwerfen konnte man den Berliner in dieser Situation nicht. Außer vielleicht, dass es nicht bereits 2:0 stand.
 
Von einem Kickerchen konnte da bei all der Aufregung der späten zweiten Halbzeit schon lange keine Rede mehr sein. Manchmal gibt es eben auch bei einem Unentschieden doch auch Verlierer.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.12.2025, 7:15 Uhr

Rundfunk Berlin-Brandenburg