Der Brite Bernard Connolly (Jahrgang 1949) studierte in Oxford und arbeitete an der Wall Street, später in der Prognoseabteilung des Britischen Industrieverbandes. Er wurde 1978, zur Zeit als sich der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt und Valéry Giscard d‘Estaing über ein Europäisches Währungssystem einigten, Mitarbeiter der Europäischen Kommission. 1990 stieg er im Direktorat für Währungsangelegenheiten zum Leiter des Referates 3 (EWS, nationale und gemeinschaftliche Währungspolitik) auf. Ab 1991 verfasste Connelly zahlreiche Aufsatzentwürfe zur Zukunft Europas im europäischen Währungsverbund. Die Veröffentlichung dieser Aufsätze wurde ihm aber gemäss Beamtenstatus verboten, denn sie stützten die hehren Versprechen der EU-Elite nicht.

Als er 1995 in seiner Freizeit, bzw. während dreier Monaten Beurlaubung, dennoch sein Buch «The Rotten Heart of Europe» (Das angefaulte Herz Europas) publizierte, wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren eröffnet, weil er die Meinung vertrat, dass die Europäische Währungsunion, der Vorläufer des Euro, kein Paradies sein würde, wie dies die EU-Propaganda weismachen wollte.

Als Connolly vom Dienst suspendiert wurde, startete die EU-Kommission gegen ihn eine Schmutzkampagne. Der Zugang zu den Kommissionsgebäuden wurde ihm verwehrt. Mit aufgehängten Fotos an den Eingängen und in den Garagen wurde er wie ein Terrorist gebrandmarkt. Er wurde angehalten Brüssel nicht zu verlassen und erhielt nächtliche Besuche vom in der Öffentlichkeit kaum bekannten Geheimdienstes der EU-Kommission. Das Disziplinarverfahren fand ausserhalb jeglicher Rechtsstaatlichkeit statt und diente lediglich noch dazu, die Strafe, die bereits fünf Monate zuvor beschlossen worden war, zu rechtfertigen. Connolly wurde schliesslich im Januar 1996 entlassen. Heute arbeitete er als unabhängiger Analyst für wirtschaftliche und politische Fragen in New York und meldet sich immer wieder mit in der internationalen Finanzpresse zu Wort.

Welches waren Connolly’s wesentlichen Thesen, wegen denen er wie ein Schwerverbrecher drangsaliert wurde?

Erstens: Nach Ansicht von Connolly wurde die Währungsunion vor allem für die Eigeninteressen französischer Elitebürokraten lanciert. Diese Vision erscheint durchaus berechtigt, wenn man sich die planmässige Eroberung der Spitzenstellungen in den wirtschaftlichen Schlüsselinstituten durch französische Politiker und Spitzenbeamte in den letzten Jahren Revue passieren lässt. Als Spitzenjahr gilt 2010 als Frankreich fast alle wichtigen Schlüsselpositionen in den internationalen Wirtschaftsgremien besetzte: WTO: Direktor Lamy, EZB: Präsident Trichet, IWF: Strauss-Kahn, später Lagarde, G-8 und G-20 Vorsitz Präsident Sarkosy, politische Führung in der EU effektiv das Team Sarkosy/Merkel, die sich jeweils vor den entscheidenden Sitzungen absprechen, Bedingungen und Forderungen stellen. Auch die heutige Besetzung des EZB-Präsidiums mit Christine Lagarde und die Nominierung von Stéphane Séjourné zum EU-Kommissär für Wohlstand und eine europäische Industriestrategie (Industrie, KMUs, Binnenmarkt) zeigt, dass Frankreich in Wirtschaftsfragen das Sagen haben will. Teile des EU-Parlamentes und der Administration wurden in Strassburg angesiedelt, ebenfalls der EU-gesponserte Fernsehkanal Arte und der Europarat. In Paris befindet sich der Hauptsitz der OECD und als «Erbe» nach dem Brexit die Europäische Bankenaufsicht. Über den Beamtenapparat kann Frankreich grossen Einfluss auf diese internationalen Organisationen ausüben.

Zweitens kritisierte Connolly aber auch die EU-Elite aufs Heftigste. Er entlarvt versteckte Agenden, Propaganda und den Verlust demokratischer Kontrolle. Er sieht die Währungsunion als Machtinstrument einer bürokratischen Elite, die nationale Souveränitäten untergräbt.

Dann: Was die eigentliche Kritik am Währungsverbund anbetrifft, so stellt Connolly fest, dass die Währungsunion vom EU-Apparat vorerst einmal als Schutzwall gegen das Eindringen anglosächsischer Werte in Europa dienen sollte. Als man realisierte, dass die Währungsunion Arbeitsplätze zerstören sowie die öffentlichen Finanzen in die Schuldenwirtschaft führen würde, änderte man die Begründung, um einen Vertrauensverlust zu verhindern. Fortan wurde die Währungsunion als politisches (heute oft als Friedensprojekt) Projekt hochstilisiert und nicht mehr als wirtschaftliche Wunderwaffe betrachtet. Die Kernländer der künftigen europäischen Politik und Wirtschaft sollte aus jenen Ländern bestehen, die schon unter Karl dem Grossen vereinigt waren. Die Peripherieländer im Süden, Westen und Norden würden zu Vasallenstaaten der Kernländer degradiert. Ein Blick auf die heutige Zweiteilung der EU in finanzschwache Peripherieländer inklusive diskriminierte ehemalige Ostblockländer (Ungarn, Slowakei, Polen) und dominierende Kernländer bestätigt diese These.

Wer die Entwicklung der EU und deren Schuldenprobleme, aber auch die hohen Kaufkraftverluste des Euros seit der Einführung der Gemeinschaftswährung betrachtet, wird feststellen, dass Connolly in allen Punkten recht hatte. Er wurde nur deshalb verfolgt und gedemütigt, weil seine Vorhersagen nicht ins Konzept der EU-Elite passten. Schade, dass das Connollys Buch nur noch in Antiquariaten erhältlich ist. Es könnte manchem Euro-Turbo als heilsame Lehre über die Realität der EU dienen.