In einem Treppenfoyer des Deutschen Hygiene-Museums Dresden ist eine zentrale, 19 Quadratmeter große Partie des monumentalen Wandgemäldes von Gerhard Richter wieder freigelegt. Die ursprünglich 63 Quadratmeter große Diplomarbeit des damaligen Studenten der Hochschule der Bildenden Künste war 1956 entstanden: „Lebensfreude“ lautet der Titel.
Mehrere Stationen im Leben eines jungen Paars in der angedeuteten Szenerie einer sozialistischen Gesellschaft hat der damals 24-jährige Künstler darauf dargestellt. Dabei weist das Bild deutliche motivische Bezüge zu einigen Größen der Kunstgeschichte wie Sandro Botticelli, Édouard Manet, Henri Matisse oder Pablo Picasso auf.
Dresdner Museum erinnert sich
1979 wurde das Wandbild dann überstrichen und geriet nahezu in Vergessenheit. Dass das Wandbild nun in Teilen wieder freigelegt wurde, verdankt sich der Initiative von Museumsdirektorin Iris Edenheiser. Anlass für sie war unter anderem die Auseinandersetzung mit der Geschichte ihres Hauses in der DDR, die im vergangenen Jahr in der Sonderausstellung „VEB Museum“ erzählt wurde.
„Der restauratorische Prozess der partiellen Freilegung von Gerhard Richters Wandbild ‚Lebensfreude‘ ist jetzt zu einem wunderbaren Abschluss gekommen. Nicht abgeschlossen ist hingegen die kritische Auseinandersetzung mit den kunst- und zeithistorischen Schichten, unter denen das Bild ebenfalls verborgen war“, meint Iris Edenheiser, Direktorin des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden. So soll das Publikum in Zukunft in einen offenen Dialog mit dem immer noch teilweise übermalten Bild treten mit Hilfe von Medienstationen oder Führungen durch das Gebäude.
Gerhard Richter überrascht mit Farben
Iris Edenheiser war nicht die Erste, die sich mit diesem Gedanken beschäftigte. Allerdings stieß eine Anfrage des Dresdner Hygiene-Museums 1994 bei Gerhard Richter auf Ablehnung. Denn von seinem Frühwerk aus der DDR hatte er, der 1961 in die BRD geflohen war, sich lange Zeit distanziert. 30 Jahre später scheint sich Richters Standpunkt offensichtlich geändert zu haben. Auf einen mit Bedacht formulierten Brief des Museums folgte relativ schnell das Ja des Künstlers.
Überrascht über die erneute Initiative war unter anderem Dietmar Elger, Leiter des in Dresden beheimateten Gerhard-Richter-Archivs. Für ihn war das Kapitel eigentlich abgeschlossen. Umso größer ist nun seine Freude angesichts des Ergebnisses: „Wir kannten das Bild. Da gibt es gute Fotos, aber nicht eines, das farbig gewesen wäre“, erklärt Elger. „Von daher war die Farbigkeit eine große Überraschung und diese spezielle Art des Farbauftrags in kleineren vertikalen Pinselstrichen und der Gesamteindruck ist eigentlich wunderbar“, meinte der Archivleiter schon während der Restaurationsarbeiten.
Kunst Schritt für Schritt freilegen
Über Monate hinweg haben sich Restaurator Albrecht Körber und seine Kollegin Susan Förster durch die zehn Farbschichten, die über Richters Wandgemälde liegen, durchgearbeitet. Zentimeter für Zentimeter haben sie die alte Farbe abgelöst. Dabei konzentrierten sie sich auf den Mittelteil des Wandbildes: eine Strandszene, die unter anderem eine Frauenfigur im Badeanzug zeigt und Kinder, die spielen. Das Museumspublikumspublikum konnte ihnen dabei über die Schulter schauen, denn die Restaurierung erfolgte öffentlich in einer Schauwerkstatt. Finanziell ermöglicht wurde das Projekt, das 220.000 Euro kostete, von der Wüstenrot-Stiftung und der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung.