Das Arbeitsleben könnte so schön sein, auch in der Stadtverwaltung. Die zwei Mitarbeiter strecken jedenfalls jubelnd die Hände in die Höhe. Ein breites Lächeln in den Gesichtern belegt, wie reibungslos ihr Job läuft. Daneben ist auf dem animierten Video ein Computerbildschirm zu sehen, auf dem der Grund steht, warum selbst die Reparatur eines angefahrenen Parkautomaten solche Glücksgefühle auslöst. „S/4 Hana“ steht dort.

Das ist der Name des neuen Computerprogramms von SAP, das die Stadtverwaltung so entspannt und gut gerüstet in die digitale Zukunft führen sollte, wie es auf dem Glücklich-Video zu bewundern ist. 171 Millionen Euro hat die Stadt dafür bereits ausgegeben. Doch bisher steht die Software „S/4 Hana“ nicht für Freude, sondern für Frust und gerissene Fristen. Zum zweiten Mal ist nun der anvisierte Start der neuen digitalen Zukunft in der Stadtverwaltung geplatzt.

Die Mitarbeiter, aber auch die Bürger müssen sich also noch einmal gedulden, bis die in Aussicht gestellten Verbesserungen kommen werden. Mit der Einführung der Software sollen die Planung aller Einnahmen und Ausgaben, der Einkauf, die Logistik und die Immobiliengeschäfte sowie Instandhaltungen und Reparaturen, zum Beispiel von umgefahrenen Parkautomaten, digital vereinfacht und beschleunigt werden. Für die Münchner soll das elektronische Angebot der Stadt ausgebaut werden, Rechnungen sollen nicht mehr auf Papier kommen, Anliegen schneller bearbeitet werden.

Doch die Steuerungsgruppe für die Einführung der Software zog am 5. Dezember quasi im allerletzten Moment die Notbremse. Eigentlich sollte die Stadtverwaltung am 1. Januar 2026 auf das neue Programm umgestellt werden. Die Federführung liegt aus historischen Gründen nicht im IT-Referat, sondern in der Kämmerei. „Dass wir die Systemumstellung nicht geschafft haben, schmerzt schon“, sagt Kämmerer Christoph Frey. „Vor allem, weil wir so kurz vor der Ziellinie waren und viele Kolleginnen und Kollegen alles reingeworfen haben, um das Ziel zu erreichen.“

Doch letztlich hat es nicht gereicht. Zu viele Fehler, die den Start verhinderten, konnten nicht beseitigt werden. Und auch weitere nicht ganz so gravierende Tücken flossen in die Entscheidung zur Absage des Starts hinein. „Gerade für uns als Verwaltung führt aber bei der Abwägung von Risiken – die beinhaltet so eine Umstellung immer – an der Stabilität des Systems kein Weg vorbei. Die Prozesse müssen für die Bürgerinnen und Bürger funktionieren“, sagt der Kämmerer.

Als er gerade ein halbes Jahr im Amt war, verkündete er zu Beginn des Jahres 2019 den Start der Umstellung auf die neue Software. Der Stadtrat gab damals ein maximales Budget von sogar 300 Millionen Euro frei. Die größte Verwaltungsreform seit Jahren verkündete Frey. In der Corona-Zeit wurde das Projekt auf 151 Millionen Euro begrenzt. Damit wäre die Stadt auch hingekommen, wenn nicht schon der erste Start zum 1. Januar 2025 geplatzt wäre. Knapp 20 Millionen kostete die Verschiebung zusätzlich, doch das soll bei der zweiten zusätzlichen Runde nicht passieren.

Die zusätzlichen Kosten sollen diesmal deutlich geringer ausfallen, weil der Prozess schon viel weiter fortgeschritten sei, heißt es aus der Kämmerei. Im Haushaltsplan für 2026 taucht der Betrag bisher auch nicht auf. In der Bekanntgabe der Verschiebung für den Stadtrat von Mitte Dezember steht, dass die städtische Dienstleisterin IT@M, so etwas wie die kommunale Computerfirma der Stadt, die Kosten aus ihrem Gewinn bezahlen soll. Wie hoch die Summe sein wird, dazu gibt es keine Auskunft.

Die Stadt verweist darauf, dass sie mit ihren Problemen bei dem Projekt nicht alleine dasteht. Die Wirtschaftswoche zitierte im Frühjahr 2025 die Studie einer Unternehmensberatung, die Firmen nach ihrer Erfahrung mit der Einführung der neuen Software S4/Hana befragt hat. Etwa 60 Prozent aller Umstellungs-Projekte würden Budget und Zeitplan reißen, heißt es dort. In zwei Drittel aller Fälle seien die Unternehmen mit der Qualität der Ergebnisse unzufrieden.

Es scheint also auf allen Seiten noch jede Menge Arbeit bevorzustehen, bis das neue System läuft. Schon jetzt bot die Stadt 70 unterschiedliche Schulungen an. Mehr als 4500 Mitarbeiter nahmen teil. Seit August 2025 lief ein Versuch, der die Umstellung simulierte. Mehr als 700 Teilnehmer aus den Referaten arbeiteten an 11 000 Testfällen. Bis kurz vor Ende hoffte die Führungsetage, alle Macken noch in den Griff zu bekommen. Vergeblich, „ein signifikanter Prozentsatz an Testfällen“ konnte nicht durchgeführt und „entdeckte Fehler nicht behoben werden“, heißt es in der Information des Stadtrats.

Das habe weitreichende Konsequenzen, unter anderem sei ein „Motivationseinbruch bei allen Beteiligten“ zu befürchten. Die werden der Kämmerer und sein Team wieder aufbauen müssen. „Wir machen das ja nicht aus Lust und Laune. An der Umstellung führt kein Weg vorbei, weil der Support des Herstellers für das alte System ausläuft“, sagt Frey. „Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das gemeinsam mit unserer IT und dem Hersteller 2027 hinbekommen.“