22.12.2025

von Alon David

JERUSALEM, 22.12.2025 – Die Sicherheitslage im Nahen Osten bleibt explosiv – und ein wiederholter Angriff Israels auf das iranische Raketen- und Atomprogramm ist nach Einschätzung führender Nachrichtendienste und Sicherheitskreise offenbar realistische Option und politische Vorbereitung. Hintergrund sind nicht nur die jüngsten Entwicklungen im Iran, sondern die tief verwurzelte strategische Gefahr, die vom Raketenarsenal der islamischen Republik ausgeht.

Nach einem bedeutenden Direktangriff Israels auf iranische Atom- und Militärinfrastruktur im Juni 2025 bereitet Israels Premierminister Benjamin Netanjahu nach neuesten Berichten eine Unterrichtung des US-Präsidenten Donald Trump über mögliche weitere Angriffe vor, speziell gegen das iranische Raketenprogramm. Laut NBC News–Bericht plant Netanjahu, Mitgliedern der US-Regierung Optionen vorzulegen, um Iran erneut entscheidend zu treffen, falls das Regime seine ballistischen Fähigkeiten wiederaufbaut.

Diese Gespräche signalisieren klar: Auch wenn formell kein erneuter Angriff beschlossen ist, wird ernsthaft überlegt, das iranische Raketenprogramm erneut anzugreifen, bevor es wieder voll funktionsfähig ist – als Präventivmaßnahme gegen eine neue rundumbedrohliche Waffe.

Warum genau die Raketen im Mittelpunkt stehen

Der Iran verfügt trotz militärischer Rückschläge weiterhin über ein umfangreiches Arsenal an Raketen, das Israel und andere Staaten bedrohen kann. Nach israelischen Einschätzungen – unter anderem von Netanjahus Sicherheitsberater – hat Teheran weiterhin „Tausende ballistische Raketen“, die potenziell gegen israelische Städte und strategische Ziele eingesetzt werden könnten.

Ballistische Raketen mit großer Reichweite, Hyperschall- und Mittelstreckenraketen stellen eine doppelte Gefahr dar:

Sie können ohne Vorwarnung israelisches Territorium erreichen – wie der groß angelegte iranische Raketenangriff im Juni 2025 zeigte, als über 150 ballistische Raketen eingesetzt wurden.

Moderne Raketenprogramme erlauben es einem Regime mit regionaler Reichweite, Stellvertreter- und asymmetrische Kriegsführung zu betreiben – und potenziell internationale Schiffe, zivile Infrastruktur oder westliche Interessen ins Visier zu nehmen

Lehre aus dem „Zwölf-Tagekrieg“

Der „Zwölf-Tagekrieg“ zwischen Israel und Iran im Juni 2025 zeigte, wie gravierend die Einschläge werden können: Israel hatte zuvor gezielte Luftangriffe gegen iranische Nuklear- und Raketenanlagen geflogen, worauf der Iran mit massiven Raketen- und Drohnenangriffen reagierte.

Von einem iranischen ballistischen Raketenangriff getroffene Gebäude in Tel Aviv, Israel, am 22. Juni 2025. Foto: Flash90/Gili Yaari

Die daraus resultierenden Zerstörungen, der wirtschaftliche Schock und die steigende Zahl an zivilen Opfern verdeutlichen, dass ein iranisches Raketenarsenal, das unbehindert weiterbesteht, ein Dauerrisiko für Israel ist – und nicht nur für Israel.

Warum Europa und Deutschland aufhorchen müssen

Auch für Europa ist diese Debatte nicht abstrakt. Iran hat in der Vergangenheit moderne Raketen und Drohnen mit großer Reichweite präsentiert – und Raketenangriffe gegen Israel nicht nur angekündigt, sondern auch praktisch durchgeführt. Europas eigene Fähigkeit zur Raketenabwehr gilt als begrenzt, und Experten warnen, dass moderne Raketenkriege auch Europa erreichen könnten, etwa durch asymmetrische Angriffe auf wichtige Infrastruktur oder durch politische Destabilisierung, wenn der Iran weiter aufrüstet.

Deutschland als größte Volkswirtschaft in Europa ist insofern besonders betroffen, als es einerseits ein zentraler Partner der USA und Israels in Sicherheitsfragen ist, andererseits aber bislang nur begrenzte eigene strategische Raketenabwehr hat. Viele europäische Staaten diskutieren erst zaghaft, wie sie sich gegen moderne Raketen- und Drohnensysteme schützen sollen.

Prävention, Abschreckung, Verantwortung

Israels mögliche erneute Angriffe gegen das iranische Raketenprogramm sind nicht Ausdruck einer aggressiven Außenpolitik, sondern eines tief empfundenen Sicherheitsimperativs:
Ein Regime mit ballistischen Raketen, die israelische Städte und strategische Ziele erreichen können, stellt für den jüdischen Staat eine existenzielle Gefahr dar. Die Ereignisse der vergangenen Monate haben gezeigt, wie schnell daraus ein großflächiger Krieg entstehen kann.

Für Deutschland und Europa ist klar: Strategische Stabilität im Nahen Osten schützt auch europäische Sicherheit. Das beinhaltet die Bereitschaft, nicht nur diplomatisch Druck auf Iran auszuüben, sondern auch in die eigene Abwehr und Abschreckung zu investieren – bevor eine Eskalation Europa selbst trifft.

Titelbild: Kampfjets der israelischen Luftwaffe (IAF) auf einem Einsatzflug während der Operation „Rising Lion“. Die Maschinen legten dabei mehr als 1.500 Kilometer aus israelischem Staatsgebiet bis in den Iran zurück. Foto: IDF