In Kopenhagen ist die Ernüchterung groß. Der amerikanische Präsident Donald Trump hat seinen zum Amtsantritt geäußerten Annexionswunsch zu Grönland im Verlauf des Jahres nicht vergessen. Und er hat sich auch nicht dadurch davon abbringen lassen, dass die dänische Regierung zuletzt mehrfach massive Investitionen in die Sicherheit der riesigen Insel angekündigt hatte, von einem neuen Hauptquartier des Arktis-Kommandos bis hin zur Anschaffung von Flugzeugen, Patrouillenschiffen und Drohnen mit erhöhter Reichweite. Trump will Grönland immer noch – und ist weiterhin bereit, dafür Dänemark, das sich als einer der engsten Verbündeten der USA sieht, mit Füßen zu treten.
Amerika brauche Grönland für die nationale Sicherheit, sagte Trump am Montag während einer Pressekonferenz in Florida. So hatte er es schon zu Beginn des Jahres gesagt. Auch den Vorwurf, Dänemark habe Grönlands Sicherheit vernachlässigt, wiederholte er.
Neu war, dass der amerikanische Präsident auch auf die Historie Grönlands anspielte – offenbar zur Relativierung dänischer Ansprüche. „Sie sagen, dass Dänemark vor 300 Jahren oder so mit einem Boot dort war. Aber wir waren auch mit Booten dort, da bin ich mir sicher. Das müssen wir also herausfinden“, sagte Trump. Tatsächlich gilt der Wikinger „Erik der Rote“ als Entdecker der Insel. Um das Jahr 982 herum soll er von Island aus Grönland erreicht haben.
Kopenhagen bestellt US-Botschafter ein
Am Sonntag hatte Trump den Konflikt verschärft, indem er den Gouverneur von Louisiana, Jeff Landry, als Sondergesandten für Grönland ernannte. Der dankte dem Präsidenten auf der Plattform X und schrieb: „Es ist mir eine Ehre, Ihnen in diesem Ehrenamt zu dienen, um Grönland zu einem Teil der USA zu machen.“
Anderswo teilte er mit, er wolle mit den Menschen auf Grönland „ein gutes Gespräch“ führen. Diese seien Teil der westlichen Hemisphäre und passten in die Monroe-Doktrin. Auch das rief in Kopenhagen Aufsehen hervor, hatte die Monroe-Doktrin doch ursprünglich das Ziel gehabt, Europas Einfluss auf und um den Kontinent zurückzudrängen. Laut Landry hatte Trump ihn angerufen, damit er nach Grönland reise und sich für die Sache einsetze. Trump wiederum gab an, Landry, der „sehr proaktiv“ und ein „deal making guy“ sei, habe ihn angerufen und seine Hilfe angeboten.
Kämpft um Grönlands Verbleib: Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am 24. September in NuukMads Claus Rasmussen
Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen erneuerte danach ihre Feststellung, Grönland sei Teil des dänischen Königreichs. „Wir erwarten eindeutig, dass andere Nationen unsere territoriale Integrität respektieren.“ Weiterhin sagte sie, die dänische Regierung unterstütze „voll und ganz“ eine Erklärung der fünf grönländischen Parteivorsitzenden. Diese hatten zuvor Trumps Verhalten als „inakzeptabel gegenüber Freunden und Verbündeten in einem Verteidigungsbündnis“ bezeichnet.
„Grönland ist unser Land“, teilte Grönlands Regierungschef Jens-Frederik Nielsen am Dienstag mit. Er werde „jederzeit für unsere Freiheit und unser Recht kämpfen, selbst über unsere Zukunft zu entscheiden“.
Dänemarks Außenminister Lars Løkke Rasmussen hatte am Montag den amerikanischen Botschafter in Dänemark einbestellt. Dänemark habe eine rote Linie gezogen und seinen Standpunkt sehr deutlich gemacht, sagte Rasmussen danach dem Sender TV2. Die Ernennung des Sondergesandten sei ein weiterer Schritt der Eskalation, den es ernst zu nehmen gelte. Doch habe er den Eindruck, dass die amerikanische Administration keine Kenntnis von Trumps Ankündigung gehabt habe.
Gab es schon eine amerikanische Strafaktion?
Vor rund zwei Wochen hatten sich ranghohe Beamte aus den USA, Dänemark und Grönland in Nuuk zum jährlichen Gemeinsamen Ausschuss getroffen. Ein Dialogforum, das es seit 2004 gibt. In einer gemeinsamen Erklärung bestätigte man eine „starke, zukunftsorientierte Partnerschaft auf Basis gegenseitigen Respekts“. Gebracht hat es offenkundig wenig.
Pipaluk Lynge, Vorsitzende des Ausschusses für Außen- und Sicherheitspolitik im grönländischen Parlament, sagte nun, es sei falsch zu glauben, dass der amerikanische Traum noch existiere. „Keine Wohlfahrtsgesellschaft möchte Teil der USA werden, wenn jeder sehen kann, dass die USA kein Wohlfahrtsstaat sind.“
Grönland strebt schon lange nach Unabhängigkeit. Das Vorgehen Trumps hat diese Bestrebungen aber erst einmal abgeschwächt. Würde die Insel mit nur rund 57.000 Einwohnern nun unabhängig, so die Annahme in Nuuk, würde der amerikanische Druck zunehmen. Erwartet wird jetzt, dass Landry bald in Nuuk eintreffen dürfte, um Gespräche zu führen. Auf offene Arme dürfte er kaum treffen.
Im Januar hatte Trump nicht einmal militärische Gewalt ausgeschlossen, um Grönland zu bekommen. Das immerhin hält man in Kopenhagen trotz allem für unrealistisch. Doch wird davon ausgegangen, dass Trump vermehrt wirtschaftlich und technologisch Druck ausüben dürfte. Die durchdigitalisierte Handelsnation Dänemark ist essenziell auf amerikanische IT und auf den freien Zugang auf die Weltmärkte angewiesen – etwa im Bereich erneuerbare Energien.
Einen Hinweis auf einen harten Kurs gibt es schon: Am Montag gab das amerikanische Innenministerium bekannt, dass fünf weitere große Offshore-Windkraftprojekte vor der Ostküste gestoppt werden aus Gründen der nationalen Sicherheit. Betroffen sind gleich mehrere dänische Firmen.