Anastasiia Derevianko will was erreichen in ihrem Leben. Die 20-Jährige kommt aus der Ukraine, lebt seit einigen Jahren in Stuttgart und musste schon einige Herausforderungen meistern.

Anastasiia Derevianko verliert ihr Ziel nicht aus den Augen. Die 20-Jährige möchte im nächsten Jahr ihr Abitur machen und dann „etwas in Richtung Medizin, vielleicht Mikrobiologie“ studieren.

Ihr Leben war nicht immer einfach. Anastasiia Derevianko kommt aus Charkiv, einer der Städte in der Ukraine, die unter dem russischen Angriffskrieg am meisten zu leiden hat. Wegen der erbitterten Kämpfe floh Anastasiia Derevianko mit ihrer Mutter und zwei Katzen im Frühjahr 2022 nach Deutschland. Zunächst war sie in einer Notunterkunft in Brandenburg, später kam sie nach Stuttgart.

Der Krieg in ihrem Heimatland belastet die junge Frau. Große Teile ihrer Familie sind noch dort, sie telefonieren regelmäßig. „Aber wir sprechen nicht über die Kämpfe“, sagt Anastasiia Derevianko. Sie vermeide es auch, Nachrichten über den Krieg zu lesen, zu hören oder zu sehen. „Ich hoffe einfach nur auf ein baldiges Ende der Kämpfe.“

In der Schule und im Verein fand sie neue Freunde

Ihren Lebensmut hat Anastasiia Derevianko nicht verloren. Zunächst in einer Vorbereitungsklasse lernte sie in nur wenigen Monaten Deutsch. Mittlerweile ist sie nahezu perfekt in der Sprache. Wie sie das geschafft habe? „Ich kann es nicht erklären“, antwortet sie bescheiden. In der Schickhardt-Gemeinschaftsschule und in einem Volleyball-Sportverein hat sie neue Freunde gefunden. Sie engagiert sich ehrenamtlich. Vier Monate lang arbeitete sie in einer Flüchtlingsunterkunft der Malteser. Sie verteilte Essen und stand als Gesprächspartnerin zur Verfügung, beantwortete viele Fragen oder hatte einfach nur ein offenes Ohr.

Mittlerweile gibt es die Unterkunft der Malteser nicht mehr. Aber die junge Frau hilft nach wie vor. Sie bietet Nachhilfe an und unterstützt in der Hausaufgabenbetreuung an ihrer Schule. Beim Sport steht sie als Schieds- und Linienrichterin bereit. Für ihr Engagement wurde sie vor Kurzem ausgezeichnet und in das StipendienprogrammTalent im Land“ der Baden-Württemberg Stiftung und der Josef Wund Stiftung aufgenommen. Ihre Klassenlehrerin hatte sie dafür vorgeschlagen.

Geld für Bildung

Das Stipendium umfasst einen monatlichen Betrag, den die jungen Talente in ihre Bildung investieren können. Anastasiia Derevianko investiert das Geld zum Beispiel in Bücher, gute Schuhe für ihren Sport oder auch mal einen Museumsbesuch. Zu dem Stipendium gehören aber auch Seminare, persönliche Beratungstermine und Stipendiatentreffen. Eine besondere Veranstaltung sei der offizielle Festakt im Neuen Schloss gewesen. „Viele wichtige Menschen waren da, unter anderem die Kultusministerin Theresa Schopper“, erzählt Anastasiia Derevianko.

Die junge Frau ist dankbar für das Stipendium. Nur eines verstehe sie nicht. „Was genau ist mit ,Talent’ gemeint“, fragt sie. Ein Talent sei doch eine ganz besondere, angeborene Gabe, die in einem stecke. Sie glaube nicht, dass sie so etwas habe. „Ich muss mich schon ordentlich anstrengen“, sagt sie. Aber eine besondere Gabe hat sie dann doch: Ihr Ziel verliert sie nie aus den Augen.

„Talent im Land“

Programm
Aktuell werden 56 junge Menschen im Alter von 13 bis 21 Jahren im Rahmen des Stipendienprogramms „Talent im Land“ von der Baden-Württemberg Stiftung und der Josef Wund Stiftung gefördert. Es richtet sich an besonders engagierte und begabte Schülerinnen und Schüler, die auf dem Weg zum Abitur oder zur Fachhochschulreife wegen ihrer persönlichen Geschichte oder aufgrund von sozialen Umständen besondere Herausforderungen zu meistern haben.

Teilnehmer
Zwei der aktuellen Stipendiatinnen und Stipendiaten kommen aus Stuttgart. Neben Anastasiia Derevianko ist das der 13-jährige Ilyas Sami Hendekci aus der Türkei. Er interessiert sich für Astronomie und Mathematik, ist im Mathe-Club und nimmt erfolgreich an den Känguru-Wettbewerben teil. Zudem mag er Musik, spielt Klavier und gibt Konzerte. In seiner Freizeit liebt er es, in die Bibliothek zu gehen. Er hilft im Haushalt und unterstützt seinen Bruder bei den Hausaufgaben. Seine Pläne für die Zukunft? Astrophysik studieren.