Dresden. Ein Jahr, elf Monate und ein Tag. Leicht zu merken, aber schwer zu begreifen. Exakt so lange hat es gedauert, bis Bäcker Stefan Richter wieder in sein Ladengeschäft an der Bautzner Landstraße 139 zurückkehren konnte. In der Nacht zum 15. Januar 2024 war ein DVB-Bus in die Bäckerei gekracht, hatte den Verkaufsraum in Trümmer gelegt. Seit Mitte Dezember erst kann dort wieder verkauft werden.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Das freut auch die Kunden. Einige haben Blumen mitgebracht, die schmücken jetzt den Verkaufsraum. Und auf dem Tresen steht eine selbstgebastelte Spendenbox: „Hilfe für den Wiederaufbau“. Das sei nicht seine Idee gewesen, sagt Stefan Richter, ein Freund habe das vorgeschlagen. Erst nach Rücksprache mit seinen drei Verkaufsmitarbeiterinnen hat er sie aufgestellt. „Die waren sofort dafür.“ Und er ist erstaunt und erfreut, dass doch viele Kunden sie nutzen.
„Ein kleiner bis mittlerer sechsstelliger Betrag“
Ein Tropfen auf den heißen Stein? Vermutlich. Aber ein Zeichen der Solidarität. Und natürlich geht es ums Geld. Auf einen „kleinen bis mittleren sechsstelligen Betrag“ schätzt der Bäcker den Schaden und die Kosten, die ihm entstanden sind seit jener unglückseligen Nacht. Wie viel es am Ende sein wird – offen, denn „draußen ist ja noch Baustelle“.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Drinnen in der Feinbäckerei Richter aber sieht alles aus wie zuvor – mit ein paar kleinen Änderungen im Detail. Er hat denselben Ladenbauer wieder beauftragt, der erst 2020 schon einmal den Laden neu gestaltet hatte; damals ging es um eine Modernisierung, dieses Mal um einen kompletten Wiederaufbau. Auch der Außenwände.

Stefan Richter wäre froh, wenn das alles mal zu einem guten Ende käme. Nicht nur die Bauarbeiten, sondern auch die finanzielle Abwicklung. In der ersten Zeit gab es ein paar Abschlagszahlungen von der Versicherung der Verkehrsbetriebe, seit dem Sommer nicht mehr. Alle Rechnungen, Kosten, Pläne, Unterlagen müssen eingereicht werden bei einem Gutachter, der für die DVB prüft, ob auch wirklich alles unfallbedingt entstanden ist. Richter wird vertreten durch eine Anwaltskanzlei.
Was wir verursacht haben, wollen wir auch bezahlen.
Falk Lösch, Pressesprecher der DVB
Der Gutachter setzt aus Sicht der Beteiligten einen ganz schön spitzen Bleistift an. „Aber“, stellt Falk Lösch, Pressesprecher der Dresdner Verkehrsbetriebe, klar, „bei solchen Fällen wird immer ein Gutachter eingeschaltet – wir sind schließlich dem Steuerzahler verpflichtet.“ Auf keinen Fall solle aber „der Eindruck entstehen, dass hier David gegen Goliath kämpft“. Auch die DVB wollten, dass es möglich schnell zu einer einvernehmlichen Lösung komme – eine Auseinandersetzung vor Gericht wollen beide Seiten vermeiden: „Was wir verursacht haben, wollen wir auch bezahlen.“
Ob dazu z. B. auch die komplette Miete für den Verkaufswagen, der eilends auf dem Hof aufgestellt wurde, und den Container zählt, der dann an der Straße aufgebaut wurde, prüft der Gutachter gerade. Den Container hatte der Bäcker liebevoll „Gartenhaus“ getauft. In diesen Tagen soll er wieder abgeholt werden – noch steht vor ihm ein Schild mit dem Hinweis „Wir verkaufen (tatsächlich) wieder im Laden!“ Ein kleiner Seitenhieb, wie lange das alles gedauert hat.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Falls er zwischendurch mal gezweifelt haben sollte, ob er das alles durchsteht, ist Stefan Richter jedenfalls mittlerweile sicher: „Das wird jetzt durchgezogen, bis es fertig ist.“ Auch, weil er den Familienbetrieb in dritter Generation führt. „Das schmeißt man nicht einfach so hin.“ Finanziell halfen auch Freunde und die Familie über die ersten Runden. „Das wird alles zurückgezahlt.“ Möglicherweise muss er noch einen Kredit aufnehmen.
1000 Euro an die Verkehrswacht
Der Fahrer, der den Unfall in Bühlau damals verursacht hatte und selbst schwer verletzt wurde, ist laut Falk Lösch weiter bei den Verkehrsbetrieben beschäftigt. Ein Verfahren gegen ihn wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr wurde gegen Zahlung von 1000 Euro an die Verkehrswacht eingestellt. Er habe sich nicht müde gefühlt, hatte der Mann damals angegeben, vor Antritt der Schicht einige Stunden geschlafen und auch seine Pause gemacht: „Ich kann es mir nicht erklären.“

Nicht viel Zeit für Erklärungen haben derzeit Stefan Richter, sein Geselle und die neue Auszubildende in der Bäckerei sowie die drei freundlichen Damen im Verkauf. Sie müssen eher mal durchschnaufen. Gerade in der Zeit vor Weihnachten und bis ins neue Jahr ist richtig viel zu tun. Und für Stefan Richter ist klar: „Wir arbeiten durch -was anderes bleibt uns gar nicht übrig.“
DNN