Tradition gegen Zeitgeist: Auf Nürnbergs Straßen sind augenscheinlich immer mehr Bolt- oder Uber- Fahrzeuge unterwegs und vermasseln den Taxis immer häufiger die Tour. In einem Offenen Brief hatte die „Taxi-Zentrale“ den Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König (CSU) unter der Überschrift „Unfairen Wettbewerb stoppen – ÖPNV retten“ schon vor Monaten vor einer „Zerstörung der gesamten Taxibranche“ gewarnt. Nun will die Politik im Rathaus offenbar mit vereinten Kräften handeln.
Die ungleichen Regeln seien laut der Genossenschaft der Nürnberger Taxiunternehmer das Kernproblem. Während die elfenbein-farbenen Limousinen mit den schwarz-gelben Schildern auf dem Dach als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs verpflichtet seien, Jedermann rund um die Uhr zu festen Fahrpreisen zu chauffieren, könnten sich internetbasierte Fahrdienstleister-Plattformen erlauben, nur lukrative Fahrten anzunehmen.
Zusätzlich könnten Anbieter wie Bolt, Uber & Co. unterschiedliche Fahrpreise verlangen. Ist die Nachfrage hoch – zum Beispiel an Weihnachten oder Silvester – müssten Kunden laut Taxi-Zentrale bei gleicher Strecke „mindestens doppelt so viel“ wie an normalen Tagen bezahlen. Von diesen mehr oder weniger paradiesischen Möglichkeiten der Preisgestaltung können die traditionellen Taxibetriebe nur träumen. Die Beförderungsentgelte werden hier von der Behörde festgeschrieben.
Uber, Bolt und Co. locken mit Festpreisen
Zuletzt hat Nürnberg die Beförderungsbedingungen im August geändert und den Mindestfahrpreis für Taxis auf 4,70 Euro erhöht. Für den ersten gefahrenen Kilometer werden 4,90 Euro, für den zweiten bis einschließlich fünften Kilometer 2,60 Euro und für jeden weiteren Kilometer 2,10 Euro berechnet.
Nach Auskunft einer Mitarbeiterin der Taxi-Zentrale würde eine Fahrt beispielsweise von Nürnberg nach Neumarkt je nach Verkehr zwischen 110 und 120 Euro kosten. Festpreise könnten nur beim Fahrer direkt vereinbart werden. Billiger würden die Fahrten dadurch allerdings nicht. Festpreise zahlen sich nur aus, wenn die Taxis im Stau feststecken.
Dagegen locken die Vermittler von Fahrdiensten aus dem Internet mit Festpreisen. „Plattformen wie Uber und Bolt haben den Zeitgeist der Kunden sehr gut verstanden“, sagt Miran Ali. Der gebürtige Iraker hat seine „Mars-Holding“ innerhalb kurzer Zeit vom kleinen Familienbetrieb zum großen Logistikunternehmen in Nürnberg ausgebaut, das bundesweit für Lieferdienste wie Amazon unterwegs ist und mittlerweile auch Personen befördert.
Nachfrage steigt weiter
In Nürnberg, Erlangen und Forchheim sucht Ali aktuell nach neuen Fahrern, die die wachsende Nachfrage über Online-Plattformen wie Uber – die pro Fahrt eine Serviceprovision in Höhe von rund 25 Prozent für die Vermittlung kassieren – bedienen sollen.
„Die Preise werden algorithmisch auf Basis von Angebot und Nachfrage bestimmt. Bei geringer Nachfrage gibt es häufig günstige Preise, während sie zu Stoßzeiten auch über dem Taxiniveau liegen können“, erklärt Ali und spricht von Erfolgsfaktoren wie einfacher Bezahlung und transparenten Festpreisen. „Dieses Gesamtpaket schafft Vertrauen, Komfort und eine hohe Kundenbindung.“ Seiner Meinung nach würde die traditionelle Taxibranche umgekehrt unter fehlender Digitalisierung und geringerer Preistransparenz leiden.
Diese Schwierigkeiten hat offensichtlich auch die Politik erkannt und diskutiert nun darüber, wie die Regeln besser kontrolliert werden können. Beispielsweise dürfen Uber & Co. keine winkenden Fahrgäste spontan auflesen und nicht auf Kundschaft am Straßenrand warten.
Stadt soll „Hamburger Modell“ einführen
Weil diese Regeln in der Praxis schwer zu überprüfen sind, fordern CSU, SPD und Grüne in einem gemeinsamen Antrag, die Einführung des „Hamburger Modells“ zu überprüfen. Dabei wird die betriebswirtschaftliche Plausibilität vom realen Betriebssitz über die Schicht- und Personalplanung bis zu Lohn- und Lohnnebenkosten unter die Lupe genommen, um festzustellen, ob die Gesetze überhaupt eingehalten werden können.
„Das Taxigewerbe leistet mit tarifgebundenen Preisen, Schichtarbeit und barrierefreien Angeboten einen unverzichtbaren Beitrag zur Mobilitätssicherung in Nürnberg – auch nachts und in Randlagen. Es steht für Verlässlichkeit, Sicherheit und faire Arbeitsbedingungen. Diese Werte wollen wir schützen und stärken“, heißt es in dem gemeinsamen Antrag.
Ali fürchtet sich vor der Einführung des „Hamburger Modells“ nicht. „Im Gegenteil, wir begrüßen es ausdrücklich. Die zentrale Idee des Modells ist die konsequente Durchsetzung bestehender gesetzlicher Vorgaben für alle Marktteilnehmer, sowohl für Taxis als auch für Mietwagen“, sagt der Chef der Nürnberger „Mars-Holding“.
Zu Stoßzeiten wie demnächst wieder an Silvester werden sich wohl alle Menschen, die auf der Suche nach einem Chauffeur sind, in Geduld üben müssen. „Am besten, Sie winken einem Taxi auf der Straße zu oder reihen sich am Telefon in die Warteschlange ein“, rät die Mitarbeiterin von der Taxi-Zentrale.