
Empfehlungen der Redaktion
In Gedenken an den zu Weihnachten verstorbenen Perry Bamonte blickt ROLLING STONE auf sein erstes Deutschlandkonzert mit The Cure zurück – das vielen Fans aus verschiedenen Gründen im Erinnerung geblieben ist.
1990 spielten The Cure auf der Festwiese am Zentralstadion in Leipzig ihr erstes Konzert in der DDR – solange sie noch stand. Der Auftritt fand am 04. August, also nur knapp zwei Monate vor der Wiedervereinigung statt (einen Tag später traten Robert Smith und Band auf der Freilichtbühne Großer Garten Junge Garde in Dresden auf).
Rund 15.000 Fans besuchten die lange ersehnte Show in Leipzig. Neu in der Band war Perry Bamonte, 30 Jahre alt. Der ehemalige Gitarrentechniker war zum Live-Gitarristen und Live-Keyboarder aufgestiegen, auch, weil der mit Alkoholsucht kämpfende Lol Tolhurst endgültig gefeuert wurde und auch Keyboarder Roger O’Donnell ersetzt werden musste.
Erstes Cure-Konzert in der DDR
Für Perry Bamonte war dies der erste Cure-Auftritt in Deutschland. Robert Smith wusste um die harte Fanbase in der DDR. Das Konzert war mit 27 Songs außergewöhnlich lang, Robert Smith würdigte seine „schwarze Gemeinde“ mit speziellen Ansagen („this is the goth bit of the set“, sagte er vor „Lament“), und in der DDR wurde das Konzert später auf DFF2 ausgestrahlt – wenn auch nicht als komplette Live-Übertragung, sondern Auszüge mit ausgewählten Songs.
Allerdings scheinen die „Baseballschlägerjahre“ auch hier keine Pause eingelegt zu haben. „Im Cure-Schatten lauerten Skinheads“ ist ein damaliger Artikel der „Leipziger Volkszeitung“ betitelt, der auf der Seite „cure-concerts.de“ nachzulesen ist.
Allzu begeistert war der „LVZ“-Rezensent nicht („Wer eine pompöse, mystische Bühnenshow erwartet hatte, musste enttäuscht sein: Der exzentrische Brite gab sich schlichter denn je und setzte alle Energie in seine nicht müde werdende, klare, markante Stimme. Schien die Grundstimmung auf der Leipziger Festwiese zunächst eher verhalten, explodierte sie kurzzeitig in der einstündigen Zugabe zu „A Forest“.)
Gewalt rund um das Konzert
Dann berichtet der Autor von einem gewaltsamen Zusammenstoß zwischen Grufties und Skins. Die Glatzen wollten den Konzertbesuchern die Party versauen. „Der Sommernachtstraum wandelte sich für viele Fans allerdings schon im Vorfeld des Konzerts zum Alptraum: Skinheads lauerten am Bahnhof und an Straßenbahnhaltestellen, um zusammenzuschlagen, was ihnen nach ‚Gruftie‘ aussah.“
Schließlich schritten die Beamten ein. „Nach Auskunft der Leipziger Volkspolizei wurde ein 17-jähriges Mädchen aus der Bundesrepublik verletzt. Für 59 Rechtsextreme endete der Abend im Polizeirevier. Drei Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet.“
Polizei und organisierte Angriffe
Zu den Ereignissen nach dem Cure-Konzert gab es einen weiteren Bericht der „LVZ“. „Die Skinheads, die am vergangenen Samstag mehrfach Auseinandersetzungen mit Besuchern des Konzerts von The Cure in Leipzig heraufbeschworen haben, hatten ihre Aktionen vermutlich langfristig vorbereitet. Zu dieser Einschätzung gelangt der stellvertretende Leipziger Polizeichef Horst Böse.“
Anscheinend haben die Neo-Nazis pflichtbewusst zum Hörer gegriffen, um ihre Aktion amtlich anzukündigen. „Bereits am 31. Juli hatte die Polizei über den Notruf 110 einen anonymen Hinweis erhalten, dass bei dem Konzert mit Randale zu rechnen sei. Entsprechend waren am Samstag rund 360 Polizisten im Einsatz. Sie mussten schon vor Konzertbeginn zweimal eingreifen, als Gruppen von Skinheads versuchten, Konzertbesuchern den Zutritt zur Festwiese zu verwehren.“
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.
Soziale Netzwerke aktivieren
Die konzertierte Aktion folgte demnach einem straffen Zeitplan. „Etwa ab 19.30 Uhr wurden Skinhead-Gruppierungen zwischen Sachsenplatz, Hauptbahnhof und Naturkundemuseum beobachtet. Teilweise waren dabei 70 bis 80 Personen zusammen. Kurz darauf splitterten sich die Gruppen wieder auf. Augenscheinlich, um die Polizei in Atem zu halten. Ziel sei es gewesen, so Böse, auf dem Rückweg der Konzertbesucher von der Festwiese zum Hauptbahnhof, insbesondere sogenannte ‚Grufties‘, aufzulauern.“
An den Anführungszeichen bei der Erwähnung der Gruftis merkt man, dass die „LVZ“ ihren Lesern behutsam mitteilen wollte, dass diese dunkel gekleideten Menschen mit den toupierten Harren als Gruppierung auch einen eigenen Namen haben.
Bilanz: Dank Polizeimaßnahmen „wurden durch die Sicherheitskräfte insgesamt 59 Personen zugeführt. Einige von ihnen waren für den Abend komplett ausgerüstet. Die Polizei beschlagnahmte unter anderem eine Schreckschusspistole, eine Gaspistole mit Munition sowie Klappmesser. Unter den Festgenommenen befanden sich 37 Leipziger sowie sechs Personen aus dem Landkreis.“
Haltung von The Cure
Dass Neonazis keine Cure-Fans sind, ist nichts Neues. Robert Smith hat sich seit jeher für Toleranz und Vielfalt eingesetzt. In seiner Jugend lieferte er sich Schlägereien mit Skinheads, die ihn, den Musiker-Typen mit den lackierten Fingernägeln, naturgemäß hassten. Ob Perry Bamonte oder Smith von den massiven Schlägereien in Leipzig erfahren haben, ist nicht bekannt.