• 1965 präsentierte das Planungsbüro 3 einen kühnen Entwurf u. a. mit 93 Meter hohem Büroturm und Wohnhochhäusern für den Teerhof; eine Reaktion auf die Entvölkerung der Kernstadt.
  • Der Entwurf erhielt breite öffentliche Aufmerksamkeit und Zustimmung, stieß aber auf Kritik von Baubehörde und Senatsbaudirektor Franz Rosenberg, die einen Verlust städtebaulicher Maßstäbe bemängelten.
  • In den 1970er-Jahren wandelte sich die städtebauliche Wertschätzung: Moderne Großanlagen galten als abschreckend, und der Fokus lag nun auf Anpassung ans historische Stadtbild.

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Selten hat sich ein Wandel allgemeiner architektonischer Wertschätzung so rasch und radikal vollzogen wie in den zehn Jahren zwischen der Mitte der 1960er- und der Mitte der 1970er-Jahre. Als im Juli 1977 endlich ein städtebaulicher Ideenwettbewerb für den Teerhof, der größten verbliebenen innerstädtischen Brachfläche, ausgeschrieben wurde, waren die Ideen, die rund zehn Jahre zuvor mit viel Emphase für diesen Ort vorgetragen und diskutiert wurden, kein Thema mehr. Im Gegenteil, sie galten als abschreckendes Beispiel dafür, was man auf keinen Fall hier wolle: eine modernistische Großanlage mit formal herausstechenden Merkmalen. Anpassung an beziehungsweise Rückbesinnung auf das historische Stadtbild an der Weserfront war das Gebot der Stunde.

Rückblende 1965: Wie ein verspätetes Weihnachtsgeschenk hatten die lokalen Zeitungen zwischen Weihnachten und Neujahr ihren Lesern Planungen für die Weserhalbinsel vorgestellt, die sie mit Stichworten wie „kühn“ und „Manhattan“ ankündigten. Sie stammten von den vier jungen Architekten Welp, Ude, Wolpert und Jebens-Friccius, die sich „Planungsbüro 3“ nannten. Die vier hatten den Auftrag von der Bauverwaltung erhalten, Vorschläge für eine Verbesserung der Struktur der Alten Neustadt zu unterbreiten, fanden aber, dass dies ohne Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Teerhof keinen Sinn mache. Darum erweiterten sie ihren Auftrag eigenmächtig, um mit einem „Idealplan“ für den markanten Ort zu starten.

Ein komplexes Raumprogramm

Dieser sah ein optisches Zentrum mit zwei Hochpunkten etwa gegenüber der Martinikirche vor: einem 25-geschossigen Büroturm, der mit 93 Metern einen neuen Bremer Höhenrekord aufgestellt hätte, sowie einer 18-geschossigen Wohnhochhausscheibe am Weserufer, die sich nach Westen sprungschanzenartig zu einem Terrassendach abstufte. Eine etwas niedrigere zweite Wohnscheibe an der Kleinen Weserseite wiederholte die Abstufung der ersten – nur in Gegenrichtung. In den beiden Wohnblocks sollten rund 250 Wohnungen geschaffen werden, um ein Stück weit der „Entvölkerung der Kernstadt“ entgegenzuwirken. Auch an die soziale Mischung war gedacht, während das weserseitige Haus Eigentumswohnungen aufnehmen sollte, war sein Gegenpol dem sozialen Wohnungsbau vorbehalten. Hinzu kamen noch 260 Studierendenwohnungen auf der westlich zur Weserburg gelegenen Fläche. Hier sollten zudem öffentliche Gebäude für die Volkshochschule und die Stadtbibliothek entstehen.

Bremen hätte ein anderes Gesicht gehabt: Luftbild der Innenstadt mit dem Teerhof-Entwurf von 1965.

Bremen hätte ein anderes Gesicht gehabt: Luftbild der Innenstadt mit dem Teerhof-Entwurf von 1965.

Foto:
Hohnholt

Mit Büroflächen, unterschiedlichen Wohnnutzungen und öffentlichen Einrichtungen war das komplexe Raumprogramm aber noch nicht erschöpft: Auch für den Fußverkehr und für den ruhenden Verkehr wurden Angebote mit weiterreichenden Effekten gemacht. Eine gedeckte Fußgängerbrücke in Verlängerung der Böttcherstraße versprach neben einer guten Anbindung der Halbinsel an den Stadtkern auch mit einer neuen Brautbrücke eine gute Verbindung zwischen Alt- und Neustadt. Und eine Großgarage mit 2500 Einstellplätzen auf fünf Ebenen (drei davon unter der Erde) war ein zusätzliches Angebot bei der Parkplatznot in der City. Eine autofreie Fußgängerzone als Hauptebene des Komplexes sollte zum Flanieren einladen. An der Kleinen Weser konnte man auf dem Modellfoto zudem einen Yachthafen erkennen. Mindestens ebenso bedeutsam wie die Programmatik dieses Großprojektes war natürlich seine symbolische Aussagekraft. Seine Verfasser wollten bewusst einen modernen „Kontrapunkt zur Altstadt“ setzen.

Zahlreiche Fürsprecher

Verfolgt man die Reaktionen auf den Vorschlag in der lokalen Presse, so scheinen die Zustimmungen zu überwiegen. Zwar gab es Kritik seitens der Baubehörde. Senatsbaudirektor Franz Rosenberg bemängelte, das Projekt habe „jeden Maßstab verloren“, die mittelalterliche St.-Martini-Kirche werde „zum Zwerg degradiert“. Doch die Behörde musste sich entgegenhalten lassen, selbst seit 20 Jahren keinen stimmigen Vorschlag für die Nutzung des zentralen Sahne-Grundstücks geliefert zu haben. Was war hier nicht alles im Lauf der Jahre als Standort im Gespräch? Das Focke-Museum, das Haus der Bürgerschaft, der Bauhof (das Gebäude der Bauverwaltung) oder nur ein Park – der Vorschläge gab es viele für das Grundstück, das inzwischen fast ganz im Besitz der Stadt war. Aber so etwas wie ein plausibles Gesamtkonzept wurde vermisst.

Zustimmung für den Entwurf des Planungsbüros 3 kam schon bald von der St.-Martini-Kirchengemeinde. Die Bedenken, dass die Hochhäuser die Kirche „verzwergten“, teile man nicht, hieß es. Dafür sei die Weser an dieser Stelle viel zu breit. Vielmehr freue man sich, durch die geplanten Wohnbauten auf dem Teerhof, der zum Sprengel von St. Martini gehöre, für die schwindende Gemeindegröße neue Mitglieder zu gewinnen. Zudem ließe sich der Bau von Altenwohnungen und eines neuen Gemeindezentrums dort realisieren.

Ebenfalls positiv reagierte der Neustädter Bürgerverein. Er versprach sich von dem Projekt eine Belebung der Alten Neustadt. Auch aus der Bauwirtschaft gab es positive Signale. So sprach sich der Unternehmerarchitekt Siegfried Morschel, der gerade den Baukomplex rund um das Siemens-Hochhaus entwickelt hatte, für das Projekt auf dem Teerhof aus, für das die Architekten im August 1966 eine Kostenberechnung von 105 Millionen Mark vorlegten. Schließlich soll sich auch Richard Boljahn aufgeschlossen für das Vorhaben gezeigt haben. Der SPD-Fraktionsvorsitzende und Aufsichtsratsvorsitzende der Neuen-Heimat-Tochter Gewoba war seinerzeit in baupolitischen Fragen überaus einflussreich.

Vergleich mit dem Hamburger Alsterzentrum

Stolz konnten die Architekten inzwischen darauf verweisen, dass ihr Projekt auch außerhalb Bremens Beachtung fände. Als Beispiel führten sie das von der Neuen Heimat Hamburg 1966 vorgestellte „Alsterzentrum“ an. Hinter dem harmlos klingenden Projekttitel verbarg sich der Vorschlag, den Hamburger Bahnhofsstadtteil St. Georg fast komplett freizuräumen und durch einen halbmondförmigen Hochhausring mit fünf bis zu 200 Metern aufragenden Turmhäusern zu ersetzen, in dem rund 20.000 Menschen leben sollten. Dass sich die Planer dieses gigantomanischen Entwurfs an den Bremern orientiert haben, ist zu bezweifeln. Beide Visionen belegen aber, wie damals unter dem Banner der Fortschrittlichkeit recht angstfrei in ganz großen Dimensionen entworfen wurde.

Der Teerhof als verdichtete Terrassenhausanlage. Alternativentwurf der Planungsgruppe Nord von 1966.

Der Teerhof als verdichtete Terrassenhausanlage. Alternativentwurf der Planungsgruppe Nord von 1966.

Foto:
Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb)

Im September 1966 erschien ein weiterer Teerhof-Entwurf einer zehnköpfigen Arbeitsgemeinschaft anderer junger Architekten, die sich „Planungsgruppe Nord“ nannte, in der Presse. Sie schlug eine hochverdichtete, terrassierte Großwohnanlage an diesem Ort vor, ein Bautyp, der seinerzeit international in Mode kam. Durch den zweiten relativierte sich die Debatte um den ersten Entwurf. Der Teerhof geriet allmählich wieder aus dem Fokus. Für das Planungsbüro 3 hatte der kühne Aufschlag am Teerhof immerhin einen öffentlichen Auftrag zur Folge: Es übernahm die Gestaltung der Fußgängerunterführung an der Brill-Kreuzung, die inzwischen nicht mehr zugänglich ist.

Von den Mitgliedern der Gruppe hat der Architekt Karl-August Welp (1926–2015) wohl die bemerkenswerteste Karriere hingelegt. 1968 wurde er Architekturdozent an der damaligen Bremer Hochschule für Gestaltung (HfG) und führte als Rektor die spätere Hochschule für Künste (HfK) zum Status einer künstlerischen Hochschule. Als Architekt konnte Welp in der Planergruppe „Team 4“ zahlreiche Entwürfe verwirklichen, auch Hochhäuser wie die Großwohnanlagen „Grohner Düne“ und „Wohlers Eichen“ für die Bremer Treuhand, die allerdings nicht so wie gedacht funktionierten und mit zum oben angesprochenen raschen Wertverfall spätmoderner Architekturvorstellungen führten. 1991 machte Welp noch einmal von sich reden, als er mit seinem Sohn Uwe den städtebaulichen Ideenwettbewerb für eine Bebauung des Rembertikreisels gewann: ein immer noch relevantes städtebauliches Thema. 1991 wurde endlich auch auf dem Teerhof gebaut – ohne Frage ganz anders, als 1965 vorgeschlagen.

Wie entwickelte sich die öffentliche und fachliche Wahrnehmung von Großprojekten wie dem Teerhof-Entwurf in Bremen zwischen den 1960er- und 1970er-Jahren?

Zwischen den 1960er- und 1970er-Jahren wandelte sich die öffentliche Wahrnehmung von Großprojekten wie dem Teerhof-Entwurf in Bremen von einer technisch-funktionalen Sichtweise hin zu einer breiteren gesellschaftlichen Debatte, bei der neben städtebaulichen und gestalterischen Aspekten auch soziale und ökologische Wirkungen stärker berücksichtigt wurden (Artikel 2, 3). Fachlich rückten Themen wie die Integration unterschiedlicher Nutzungen, eine Mischung von Wohnen und Arbeiten, sowie die Verbesserung öffentlicher Räume und der sozialen Teilhabe ins Zentrum der Diskussion (Artikel 3). Dieser Perspektivwechsel spiegelte sich in den zunehmenden Beteiligungsprozessen und kontroversen Auseinandersetzungen zwischen Verwaltung, Politik, Planern und Bürgerschaft über Sinn, Nutzen und Gestaltung solcher Projekte wider (Artikel 2, 3).

Quellen

Wie beeinflussten ähnliche Großprojekte in anderen Städten, etwa das Alsterzentrum in Hamburg, die Diskussion und Planung urbaner Zentren in Deutschland?

Ähnliche Großprojekte wie das Alsterzentrum in Hamburg haben die Diskussion und Planung urbaner Zentren in Deutschland maßgeblich beeinflusst, indem sie die Bedeutung sozialer Durchmischung, multifunktionaler Nutzungen sowie die Anpassung an veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse in den Vordergrund rückten. Wie aus den Artikeln hervorgeht, werden bei aktuellen Vorhaben verstärkt partizipative Planungsprozesse sowie Klimaschutzmaßnahmen berücksichtigt und die Schaffung lebenswerter Quartiere mit vielfältigen Funktionen und Nutzungsangeboten verfolgt. Gleichzeitig zeigen Projekte in anderen Städten, dass kontroverse Debatten etwa um Verkehrsberuhigung, Gentrifizierung oder soziale Ausgewogenheit heute fest zu den Herausforderungen moderner Stadtentwicklung gehören; die Erfahrungen aus Großprojekten früherer Jahrzehnte dienen dabei als mahnendes Beispiel und Orientierung für gegenwärtige Planungsziele.

Quellen

Diese Fragen und Antworten wurden mit KI basierend auf unseren Artikeln erstellt.

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