Langweilig wird es mit Alex Karp selten. Für seine diesjährige Weihnachtsansprache hat der Manager ein Video gedreht, das ihn beim Skilanglauf zeigt. Karp ist Fan des Wintersports und erklärt, dass es ähnlich verlaufe wie in seinem Geschäft: Man trainiere und schlafe und trainiere, wenn andere Spaß haben. Aber irgendwann gleite man dann durch die Landschaft und überwinde die Schwerkraft, sagt Karp, inmitten einer winterlichen Landschaft stehend, auf der Mütze ist die norwegische Flagge zu sehen. So sei es auch bei seinem Unternehmen Palantir, das mit seiner Arbeit den Grundstein dafür lege, dass der Westen in Sicherheit leben könne, dass amerikanische Soldaten bei Einsätzen geschützt seien. Dass Karp auf winterliche Gefilde steht, zeigt auch der Kauf eines ehemaligen Klosters in den Bergen von Aspen für sagenhafte 120 Millionen Dollar, mit dem er sich kurz vor Weihnachten quasi selbst beschenkte. Und dass er sich mit der Flagge Norwegens präsentiert, passt in gewisser Weise ebenfalls, denn das Land dominiert im Wintersport die Konkurrenz bisweilen nach Belieben.
Karp sieht Palantir in einer ähnlichen Position: Denn offiziell verkaufen die Amerikaner Software, doch de facto sind sie eines der einflussreichsten Sicherheitsunternehmen der Welt. Denn die Kämpfe des 21. Jahrhunderts werden längst nicht mehr nur mit Panzern, Raketen oder Drohnen ausgetragen. Es geht um Informationen, Aufklärung und Geschwindigkeit in den Entscheidungsketten, und dabei spielt Palantir zunehmend eine zentrale Rolle. Sei es auf den Schlachtfeldern der Ukraine oder beim Aufspüren von Geiseln im Gazastreifen – Palantir wirkt an den entscheidenden Stellen mit, heißt es. Allerdings unterliegt vieles der Geheimhaltung, was auf den Mythos einzahlt, der es umgibt.
Karp arbeitet sich an Deutschland mit Leidenschaft ab
Dass diese Dienste gefragt sind, lässt sich an der Aktienkursentwicklung nachzeichnen. Schon im vorangegangenen Jahr starteten die Papiere regelrecht durch, 2025 ging der Höhenflug weiter. Kursgewinne von bis zu 180 Prozent hievten die Marktkapitalisierung in Richtung einer halben Billion Dollar. Nicht nur, dass der Umsatz mit erwarteten 4,4 Milliarden Dollar im Verhältnis dazu recht gering ausfällt, nährt jedoch immer wieder die Spekulationen, dass Palantir Teil einer gewaltigen Blase rund um Künstliche Intelligenz sein könnte, die womöglich bald platze. Auch die Abhängigkeit von öffentlichen Aufträgen wird bisweilen als großes Risiko gesehen. Im Heimatmarkt ist das bislang allerdings eher ein Bonus: Im Dezember trudelte gerade ein Auftrag über 440 Millionen Dollar der US-Navy ein.
Damit geht der wohl exzentrischste Vorstandschef nicht nur der amerikanischen Technologieszene mit reichlich Rückenwind ins neue Jahr. Anders als Meta-Chef Mark Zuckerberg oder sein Apple-Kollege Tim Cook muss Karp bislang keine peinlichen Kniefälle vor Donald Trump machen. Er würdigte den US-Präsidenten aber vor Kurzem aus offensichtlicher Überzeugung in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ als „genialen Politiker“, der sehr unterschätzt werde, gerade in Deutschland. Überhaupt Deutschland: Am Herkunftsland seines Großvaters arbeitet sich Karp mit Leidenschaft und deftigen Worten ab, gern auch auf Deutsch, denn in Frankfurt hat er einst Soziologie studiert und die Sprache gelernt. Niemand spreche mehr über das Land der Dichter und Denker, sagt Karp und fragt, ob man es sich leisten könne, so mit ihm und dem ebenfalls deutschstämmigen US-Investor Peter Thiel umzugehen, der immer noch mehr als drei Prozent an Palantir hält.
Von links oben nach rechts unten: Roland Busch (Siemens), Alex Karp (Palantir), Oliver Zipse (BMW), Bob Iger (Walt Disney), Evelyn Palla (Deutsche Bahn)Bernd Schifferdecker
Das alles klingt weniger wie die kühle Analyse eines Managers als vielmehr wie ein verschmähter Liebhaber, der immer noch der Verflossenen hinterhertrauert. Und so räumt Karp auch ein, dass ihm das Land noch immer am Herzen liegt. Allerdings tobt hierzulande längst ein Kampf darüber, ob seine Software von der Polizei verwendet werden sollte oder nicht. Einige Bundesländer tun es bereits, andere weigern sich, und die aktuelle Debatte um europäische Technologiesouveränität spielt den Gegnern in die Hände. Angeblich soll Karp nach einer Phase demonstrativer Missachtung zuletzt wieder mehr Interesse an Deutschland entwickeln. Kein Wunder, fließen in den kommenden Jahren doch Milliarden in die Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie im weiteren Sinne. Es wird sich zeigen, ob 2026 das Jahr werden kann, in dem Alex Karp wieder einen Schritt zugehen wird auf die deutschen Eliten, die er so gern in den Senkel gestellt hat.
Zipse legt mehr als solide Performance hin
Ein Einschnitt wird das neue Jahr auf jeden Fall für Oliver Zipse bringen. Nach der Hauptversammlung im Mai wird der Vorstandsvorsitzende des Autoherstellers BMW seinen Posten an den jetzigen Produktionsvorstand Milan Nedeljković übergeben. Dann werden knapp sieben Jahre vergangen sein, dass er wiederum Harald Krüger beerbt hat. Damals war die deutsche Autoindustrie tief in einen inhaltlichen Richtungsstreit verstrickt, bei dem es darum ging, wie strikt der Kurs auf Elektromobilität eingeschlagen werden sollte. Während vor allem Volkswagen unter dem damaligen Konzernchef Herbert Diess den Dieselskandal möglichst schnell hinter sich lassen und ein grünes Image aufbauen wollte, hielt BMW unter Zipse an seinem Ansatz der Technologieoffenheit fest.
Was für Außenstehende nach einem Streit unter Akademikern anmutete, zerriss damals fast den Branchenverband VDA und erwies sich in den kommenden Jahren als wirtschaftliche Gretchenfrage. Denn sowohl Volkswagen als auch der BMW-Dauerrivale Mercedes (damals noch Daimler-Benz) unter seinem Vorstandschef Ola Källenius, der nur wenige Tage vor Zipse seinen Posten angetreten hatte, überschätzten den Hochlauf der Elektromobilität kolossal. Der Schwede Källenius musste seine Fixierung auf Luxus und Elektro für die Märkte USA, Europa und China/Asien längst abräumen, weil die Kunden die Autos weit weniger nachfragen als erwartet und stattdessen die Produktionslinien wieder für Verbrennermodelle umrüsten. Auch Oliver Blume, nach Diess für Volkswagen und die Luxusmarke Porsche in Personalunion verantwortlich, hat einen harten Richtungsschwenk hinlegen müssen.
Oliver Zipse und Friedrich MerzAFP
Nur Zipse ist seiner Linie treu geblieben, hat den Verbrenner gehegt und gleichzeitig mit großen Investitionen in die Modelle der „Neuen Klasse“ die Weichen in Richtung Elektromobilität gestellt. Seine Performance seit Dienstantritt ist für die schwierige Entwicklung an den Automobilmärkten in Zeiten von Corona, gerissenen Lieferketten und neuer mächtiger Konkurrenz aus China mehr als solide: Der Aktienkurs legte seitdem um knapp 50 Prozent zu, und damit stärker als der Dax, die Marktkapitalisierung wuchs um fast ein Drittel auf annähernd 57 Milliarden Euro. Ob das reicht, damit BMW auf Dauer eigenständig bleiben kann in einem globalen Automarkt, der sich immer stärker konsolidiert, ist ebenso unklar wie die Akzeptanz, die BMW mit seinen neuen Elektromodellen finden wird. Doch mit diesen Herausforderungen wird sich sein Nachfolger herumschlagen müssen. Denn für den 61 Jahre alten Zipse ist aufgrund der internen Altersgrenze für Vorstände bei BMW bald Schluss.
Bob Iger sendet Schockwellen durch US-Film- und Kulturszene
Dabei könnte man Zipse verglichen mit Robert Allen Iger noch einen jungen Hüpfer nennen. Der amerikanische Manager, den alle Welt nur Bob nennt, feiert im Februar seinen 75. Geburtstag und steht noch immer an der Vorstandsspitze von Walt Disney, dem wohl bekanntesten Unterhaltungskonzern der Welt. Man könnte auch sagen „wieder“, denn Iger hatte sein Amt schon 2020 an Nachfolger Bob Chapek übergeben. Nach dessen Entlassung kam er jedoch 2022 zurück und führt Disney nun mindestens bis Ende 2026. Iger, der einst als einflussreichster Manager Hollywoods galt, geriet dieses Jahr mitten in ein politisches Minenfeld. Im Herbst setzte Disney die Talkshow des populären Moderators Jimmy Kimmel ab, nach dessen umstrittenen Äußerungen im Zusammenhang mit dem Mord am Aktivisten Charlie Kirk. Das Lager von Präsident Donald Trump hatte zuvor mächtig Druck auf den zu Disney gehörenden Sender ABC ausgeübt. Iger, der früher selbst mit einer Präsidentschaftskandidatur für die Demokraten geliebäugelt hatte, geriet nach seiner Entscheidung selbst massiv in die Kritik. Es ging um nicht weniger als um die freie Meinungsäußerung, und was ein Komiker im Fernsehen noch sagen darf. Zu den Wortführern gehörten Filmikonen wie Meryl Streep und Tom Hanks. Besonders pikant: Igers Vorgänger Michael Eisner nannte die auslösende Drohung an Kimmel seitens des Chefs der Aufsichtsbehörde „aggressiv, aber hohl“ und machte damit deutlich, dass er die Entscheidung seines Nachfolgers missbilligte. Iger knickte nach wenigen Tagen ein, Kimmel ging wieder auf Sendung.
Bob Iger von Walt DisneyAFP
Kurz vor Weihnachten schickte Iger dann abermals Schockwellen durch Amerikas Film- und Kulturszene, als die Zusammenarbeit mit dem KI-Unternehmen Open AI bekannt wurde. Im Rahmen einer Zusammenarbeit und einer Kapitalbeteiligung von einer Milliarde Dollar werden künftig Figuren wie Mickey Mouse und Darth Vader durch die Künstliche Intelligenz des ChatGPT-Erfinders Open AI bearbeitet werden können. Genauer gesagt, darf dessen Videoplattform Sora die Figuren für Kunden zum Leben erwecken. Zwar betont Disney die strengen Auflagen – keine Originalstimmen, kein Alkohol, kein Sex. Dennoch gilt der Deal als möglicher Dammbruch in einer Branche, die längst im Überlebenskampf gegen die Künstliche Intelligenz steckt. Veteran Iger verteidigt auf der Zielgeraden seiner langen, imposanten Karriere seine Entscheidung als Schritt nach vorn, um der Branche eine Zukunft zu ermöglichen. „Keine Generation von Menschen konnte sich jemals dem Fortschritt in den Weg stellen, und wir wollen das gar nicht erst versuchen“, so der Manager. Disney wolle lieber an einem Zukunftsmarkt teilhaben, als nur zuzusehen, wie sein Geschäft der Disruption ausgesetzt werde.
Busch macht bemerkenswerte Metamorphose durch
Die eigene Disruption hat Siemens längst hinter sich. Der frühere Vorstandschef Joe Kaeser hatte den einstigen Gemischtwarenladen in drei neue Einheiten aufgespalten, mit der Begründung, er tue dies lieber selbst, bevor ihn ein aktivistischer Investor dazu dränge. Kaeser selbst leitet seitdem den Aufsichtsrat von Siemens Energy, während seinen Platz nach langer Wartezeit im Jahr 2021 Roland Busch einnahm. Der hochgewachsene Physiker galt vielen Beobachtern als eine Art Antipode zum medienaffinen Kaeser; ein sachorientierter Naturwissenschaftler, der es selbst nicht als eine seiner vordringlichsten Aufgaben sah, der Öffentlichkeit in Fernsehauftritten und Zeitungsinterviews die Welt und sein Unternehmen zu erklären.
Seitdem hat Roland Busch eine bemerkenswerte Metamorphose durchgemacht. Mit Blick auf die Siemens AG hat er bewiesen, dass am Wittelsbacherplatz in München auch ohne Energiegeschäft und Gesundheitstechnologie mehr denn je an der Zukunft gearbeitet und gutes Geld verdient werden kann. Das Unternehmen wurde unter seiner Führung auf Effizienz getrimmt und fuhr trotz zeitweiliger Durchhänger etwa im Automatisierungsgeschäft zweistellige Margen ein.
Anbiederung an Jensen Huang? Roland Busch im Januar 2024 in Las VegasAFP
Busch prägte das Schlagwort vom „Industrial Metaverse“, das eine virtuelle Umgebung meint, in der komplette Fabriken, Energieanlagen oder Züge in Echtzeit digital geplant, simuliert und optimiert werden. Damit lassen sich gewaltige Summen sparen. Für Besuche bei amerikanischen Techunternehmen tauschte der Franke den Anzug gegen ein weißes Shirt und eine Lederjacke, was manche als Anbiederung empfanden, schließlich ist etwa Jensen Huang, der Chef des Chipgiganten Nvidia, für dieses legere Outfit bekannt. Doch Busch sorgte dafür, dass Siemens mit seinen Zugängen zu wertvollen Industriedaten zum begehrten Ansprechpartner in der US-Technologieszene wurde.
Ebenso markant ist sein Wandel in öffentlichen Debatten. Nach dem Rückzug von BASF-Chef Martin Brudermüller war die Rolle des Dax-Gesichts vakant geworden. Busch füllt es derzeit neben Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing am ehesten aus. An deutlichen Worten zur überbordenden Bürokratie mangelt es ebenso wenig wie am klaren Bekenntnis zur Demokratie, die angesichts wachsender autoritärer Entwicklungen zusehendes unter Druck gerät, was Busch offen besorgt. Zusammen mit Sewing und einer Kommunikationsagentur ist Busch auch der treibende Kopf hinter der Aktion „Made for Germany“, die allen Standortzweifeln zum Trotz Investitionen in Deutschland transparent macht. Es mangelte ob der Umsetzung nicht an Kritik, aber klar ist: Roland Busch ist präsent.
Palla ist Newcomerin des Jahres
Der Titel der Newcomerin 2025 gebührt eindeutig Evelyn Palla. Am 1. Oktober trat die Südtirolerin ihren Posten an der Spitze der Deutschen Bahn an. Ihr Vorgänger Richard Lutz galt als Teil des Problems, weil er aus dem Unternehmen kam und ihm die nötigen harten Einschnitte nicht zugetraut wurden. Die 52 Jahre alte Palla hingegen hatte sich schon beim Energieriesen Eon, bei der österreichischen Telekom und der Staatsbahn ÖBB in der Alpenrepublik ihre Sporen verdient, bevor sie 2019 zur Deutschen Bahn kam. Dort war sie im Vorstand der Fernverkehrssparte für Finanzen zuständig, später rückte sie in den Konzernvorstand auf und übernahm die Verantwortung für den Regionalverkehr. Nun soll die erste Frau an der Spitze der Deutschen Bahn schaffen, woran ihre Vorgänger gescheitert sind: die Bahn pünktlich und wirtschaftlich zu machen. Zeit lässt sie bei dieser Mission keine verstreichen. Getreu dem alten Managermotto handelnd, harte Einschnitte gleich am Anfang vorzunehmen und verdeckte Probleme der alten Führung brutal offenzulegen, hat sie dafür gesorgt, dass etwa das neuerliche Debakel um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 nicht ihr zugeordnet werden wird.
Bahn-Chefin Evelyn PallaAFP
Sie hat schon den Bahn-Vorstand fast komplett neu besetzt und um zwei Plätze verkleinert, wohl auch auf Druck des Finanzministeriums. Ein kleineres Gremium muss kein Nachteil sein, vor allem nicht beim Staatskonzern. Im Gegenteil, Ex-Politiker und Parteifreunde auf Versorgungsposten waren in der Vergangenheit häufig Grund zum Ärgernis. Palla hat auch schon ein Konzept vorgelegt, wie sie den häufig dysfunktionalen Bahn-Konzern nach vorn bringen will. Mehr Entscheidungsgewalt in die Fläche bringen ist ein Kernpunkt ihrer Agenda. Im Umkehrschluss soll der Wasserkopf in der Berliner Zentrale schrumpfen: 30 Prozent der Führungskräfte müssen gehen, die Hälfte der Führungsebenen wird gestrichen. Vieles ist aber noch im Werden, das weiß auch die Frau, die sich aktuell (noch) auf die Unterstützung aus dem Gewerkschaftslager verlassen kann, was angesichts der Größe der Aufgabe ein wichtiger Faktor ist. Dennoch ist Palla die Größe der Herausforderung bewusst. „2026 wird das Jahr der schwierigen Entscheidungen“, sagte sie gerade im Gespräch mit der F.A.S. Wenn Palla ihr Tempo beibehält, wird es für die Bahn auf jeden Fall ein spannendes Jahr werden.