Das Verbrenner-Aus in der EU kommt nur in abgemildeter Form. Branchenkenner Philipp Raasch sieht trotzdem noch sieben Faktoren, die die deutschen Autobauer weiter unter Druck setzen werden. Und eine neue technologische Zukunft für China.
Sechs Monate hat Europa über das Verbrenner-Aus gestritten. Jetzt kam die Entscheidung. Das Ergebnis? Ein Kompromiss, mit dem niemand zufrieden ist. Aber das ist nicht mal das eigentliche Problem.
Denn während Europa monatelang über Verbrenner diskutiert, verabschiedet China gerade seinen neuen 5-Jahresplan. Und E-Mobilität? Steht nicht mehr drin. Das Thema ist für sie abgehakt. Gewonnen. Der Markt ist erobert. Jetzt fließt das Kapital in die nächsten Industrien. Künstliche Intelligenz. Humanoide Roboter. Quantencomputer.
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Europa diskutiert sechs Monate darüber, ob wir in zehn Jahren noch Verbrenner verkaufen wollen. China baut derweil die KI-Fabriken und Roboter, die diese Autos in Zukunft produzieren werden. Heute schauen wir uns an, was die EU entschieden hat. Warum niemand zufrieden ist. Und warum wir ein Fokus-Problem haben.
Die unendliche Debatte über das Verbrenner-Aus
Die letzten sechs Monate haben Europa gelähmt. Eine Frage hat Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigt: Kippen wir das Verbrenner-Aus 2035?
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Das ist deshalb so emotional, weil Deutschland den Verbrennungsmotor erfunden hat. Über ein Jahrhundert war das unser Ding. Unser Exportschlager. Made in Germany hing immer auch mit Autos zusammen. Mit dem Verbrenner.
Jetzt soll genau diese Technologie verschwinden. Hunderttausende Jobs hängen daran. Und ein großer Teil unserer industriellen Identität. Deshalb wird so erbittert gekämpft. Besonders in Deutschland. In der Diskussion gab es 2 Lager:
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Lager 1: Das Verbrenner-Aus soll bleiben
Beispiele: Spanien, Volvo, Polestar.
Sie haben auf E-Autos gewettet. Milliarden investiert. Im Vertrauen auf stabile Rahmenbedingungen. Die Aufweichung finden sie unfair. Denn ihre Investitionen verlieren an Wert.
Lager 2: Das Verbrenner-Aus soll weg
Beispiele: Deutschland, Italien, Mercedes, BMW, VW. Sie wollen das Verbrenner-Aus am liebsten komplett kippen. Weil: Technologieoffenheit. Flexibilität. Dem Kunden die Wahl lassen. Aber das ist nur die offizielle Begründung.
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Diese sieben Faktoren gefährden das Geschäft der deutschen Autobauer
Die deutschen Hersteller stehen unter extremem Druck. Sieben Faktoren verstärken sich gegenseitig:
1) China ist weggebrochen
Jahrzehntelang war China die Cash-Maschine. VW hat dort mehr als jedes dritte Auto verkauft. Die Gewinne aus China haben alles andere finanziert.
Der Marktanteil deutscher Hersteller ist von 24 Prozent auf 15 Prozent gefallen. Die Cash-Maschine läuft nicht mehr.
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2) E-Autos verdrängen Verbrenner in China
Mehr als jedes zweite neue Auto in China ist elektrisch. Deutsche Hersteller werden dort hauptsächlich für ihre Verbrenner gekauft. Aber die Nachfrage nach Verbrennern bricht weg.
Philipp Raasch war 10 Jahre bei Mercedes. Heute schreibt er in seinem Newsletter Der Autopreneur über Tesla, China und warum deutsche Autobauer den Anschluss verlieren. Seine Analysen werden von 37.000 Lesern verfolgt – darunter Entscheider bei VW, BMW und BYD. Hier kostenlos abonnieren. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
3) Sie müssen in beide Technologien investieren
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Um in China zu überleben, brauchen sie also wettbewerbsfähige E-Autos. Gegen lokale Hersteller, die oft fünf Jahre Vorsprung haben. Gleichzeitig kaufen die USA weiter Verbrenner. Besonders durch Trumps Politik. Wenn deutsche Hersteller in beiden Märkten verkaufen wollen, müssen sie parallel E-Autos UND Verbrenner entwickeln.
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Das Problem: Das kostet doppelt. Zwei Plattformen. Zwei Lieferketten. Zwei Produktionslinien. In einer Zeit, wo die Gewinne aus China wegbrechen.
4) Verbrenner brauchen Volumen
Die Entwicklung eines Verbrenners kostet Milliarden. Die Kosten sind fix. Je mehr Autos du verkaufst, desto niedriger die Kosten pro Auto.
Wenn Europa keine Verbrenner mehr kauft, bleiben nur die USA und ein paar Exportmärkte. Die Stückzahlen sinken. Die Marge schrumpft. Oder wird sogar negativ.
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Deshalb brauchen deutsche Hersteller die Verbrenner-Verkäufe in Europa. Nur mit Europa lohnen sich Verbrenner überhaupt noch. Nur dann machen sie genug Gewinn.
Und diesen Gewinn brauchen sie für die Entwicklung wettbewerbsfähiger E-Autos in China. Das Paradox: Sie brauchen Europas Verbrenner-Markt. Um ihre Transformation weg vom Verbrenner zu finanzieren.
6) Die CO₂-Strafen der EU
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Das Problem: Die EU lässt ihnen diese Zeit nicht. Sie hat klare CO₂-Ziele. Wer sie verfehlt, zahlt Milliarden-Strafen.
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Deutsche Hersteller brauchen Zeit, um mit Verbrennern Geld zu verdienen. Aber die EU zwingt sie zu hohen E-Auto-Quoten.
7) Werksschließungen drohen
Und wenn die Transformation zu schnell kommt? Dann schließen Verbrenner-Werke. Jobs gehen verloren. Ganze Regionen verlieren ihre wirtschaftliche Basis. Das will man ausbremsen. Sozialverträglich gestalten.
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In Deutschland kennen wir das vom Kohleausstieg. Dort haben wir es genauso gemacht. Den Ausstieg verzögert. Was ist passiert? Die Jobs sind trotzdem weggefallen. Die Regionen haben trotzdem ihre Basis verloren. Nur dass wir in der Zwischenzeit noch mehr Geld in alte Strukturen gepumpt haben. Statt neue aufzubauen.
Diese sieben Faktoren erklären, warum deutsche Hersteller so verzweifelt kämpften. Monatelang war es DAS Thema in Brüssel. Diese Woche fiel die Entscheidung.
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Das Verbrenner-Aus wurde gekippt – ein bisschen
Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag vorgelegt. Statt 100 Prozent CO₂-Reduktion bis 2035 sollen es 90 Prozent sein.
Was heißt das konkret?
Das alte Ziel: Ab 2035 dürfen nur noch Autos verkauft werden, die 0g CO₂ ausstoßen. Faktisch ein Verbrenner-Aus.
Das neue Ziel: Ab 2035 muss der durchschnittliche CO₂-Ausstoß der verkauften Fahrzeugflotte eines Herstellers um 90% niedriger sein als 2021.
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Das bedeutet: Verbrenner dürfen weiterverkauft werden. Wenn der Hersteller genug Credits sammelt.
Ein System mit Credits soll die Hersteller regulieren
Jeder verkaufte Verbrenner verursacht CO₂. Das muss ausgeglichen werden.
Credits bekommt man durch:
- Verkauf von E-Autos (kleine E-Autos bringen Extra-Credits)
- Nutzung von grünem Stahl aus der EU in der Produktion
- Verkauf von Autos, die mit E-Fuels fahren können
Die große Änderung: Verbrenner bleiben erlaubt. Aber die Kompensation über Credits ist teuer. Sehr teuer.
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Der Effekt: Verbrenner werden zum Luxusprodukt. Wie eine Rolex. Für eine Handvoll Menschen, die es sich leisten können und wollen. Das bedeutet: 2036 kannst du dir wahrscheinlich noch einen Porsche mit Verbrenner kaufen. Wohl deutlich teurer als heute. Aber eben keinen Golf mehr.
Und das gilt nur für Privatkunden. Für Firmenflotten gelten strengere Regeln. Bis 2030 müssen 54 Prozent der Neuzulassungen elektrisch sein. Bis 2035 dann 100 Prozent. Das ist das faktische Verbrenner-Aus für den gewerblichen Markt. Und da 60-70 Prozent aller Neuzulassungen gewerblich sind, ist das der eigentliche Hebel.
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Am Ende ändert sich also kaum etwas.
Das Ergebnis: Niemand ist zufrieden
- Volvo: „Wir sind bereit. Plötzlich ändert sich das Spielfeld, nur weil jemand anderes nicht bereit war.“
- VDA: „Technologieoffenheit muss mehr sein als ein Lippenbekenntnis.“
- Polestar: „Wenn wir jetzt zurückrudern, schaden wir nicht nur dem Klima. Wir schaden Europas Wettbewerbsfähigkeit.“
Die Debatte ist nicht zu Ende. Sie wird uns weiter Zeit, Ressourcen, Steuergelder und Fokus kosten. Und während Europa sich mit sich selbst beschäftigt, passiert 8.000 km weiter östlich folgendes.
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China hakt das Thema ab
Die chinesische Regierung stuft E-Mobilität als etablierte Industrie ein. Das bedeutet keine staatliche Förderung mehr. Das Thema ist durch.
Die Zahlen belegen das. 2025 werden in China rund 16 Mio. E-Autos und Plug-in-Hybride verkauft. Der Marktanteil liegt inzwischen stabil über 50 Prozent. Mehr als jedes zweite neue Auto ist elektrisch. China hat in den letzten Jahren über 230 Mrd. Dollar in E-Mobilität investiert. Das Ergebnis: Über 400 E-Auto-Hersteller sind seit 2018 pleite gegangen. 80 Prozent der verbleibenden werden folgen.
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Das klingt nach Krise. Ist es aber nicht. Das ist eine Marktbereinigung nach dem Sieg.
Das gesamte chinesische System fokussiert sich auf die nächste Technologie
China hat Kapazitäten aufgebaut, um 50 Mio. Fahrzeuge pro Jahr zu produzieren. Gekauft wird nur die Hälfte. Die Folge: Ein brutaler Preiskampf. Hunderte Insolvenzen.
Der gewollte Nebeneffekt: Ausländische Autobauer wurden systematisch aus dem Heimatmarkt gedrängt. China hat eine komplette Industrie aus dem Boden gestampft. Mit Marktführerschaft. Mit Kostenführerschaft. Mit Technologieführerschaft.
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Im kommenden chinesischen 15. Fünfjahresplan (2026-2030) tauchen E-Autos in der Liste der strategischen Industrien nicht mehr auf. Die Botschaft ist klar. Die Inkubationsphase ist vorbei. Der Staat zieht sich zurück. Es folgt: Survival of the fittest. Die schwachen Player sterben. Die starken bleiben.
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Jetzt fokussiert sich das gesamte chinesische System auf die nächste Technologie.
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China fokussiert sich auf übermorgen
Die neuen strategischen Industrien: Künstliche Intelligenz. Quantum Computing. Bio-Manufacturing. Humanoide Robotik. Selbst Autohersteller wie BYD, Xpeng und Xiaomi investieren massiv in Embodied AI. Humanoide Roboter für die Produktion. Das Ziel: Fabriken, die 24/7 laufen. Ohne Löhne. Ohne Gesundheitsvorsorge. Ohne Gewerkschaften.
BYD investiert gerade 13 Mrd. Euro in intelligente Technologien. Xiaomi baut seine menschenleeren Dark Factories. Chinas Plan? E-Mobilität ist gewonnen. Jetzt geht es um die Fertigung. Um KI und Robotik. Um die nächste Kostenrevolution. Europa diskutiert darüber, ob wir 2036 noch Verbrenner bauen. China baut die Roboter, die diese Autos 2036 zu unschlagbaren Kosten produzieren werden.
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Der Polestar-CEO fasst es so zusammen: „Die Chinesen werden nicht pausieren. Sie werden übernehmen.“
Mein Take
Das eigentliche Problem ist unser Fokus. Worauf lenken wir unsere Aufmerksamkeit? Wo konzentrieren wir unsere Ressourcen? Dieser Kompromiss hat sechs Monate gekostet. Für ein Ergebnis, mit dem niemand zufrieden ist. Für eine Regelung, die kaum etwas ändert. Für eine Situation, die erst 2035 eintritt. Die Welt wird sich bis dahin grundlegend verändert haben.
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KI ist die nächste industrielle Revolution. Sie wird grundlegend verändern, wie Branchen ticken. Wie Wirtschaft funktioniert. Wie wir arbeiten. Und sie verschiebt den Fokus noch stärker weg von Hardware zu Intelligenz. In zehn Jahren ist das Auto kein mechanisches Fortbewegungsmittel mehr. Sondern ein Roboter, in den man sich hineinsetzt.
Viele Experten sagen: Bis dahin haben wir AGI. Also: Künstliche Intelligenz, die den Menschen in jedem Bereich übertrifft. KI wird den Großteil der Wissensarbeit erledigen. Humanoide Roboter werden in den Fabriken stehen. Und vermutlich auch in unserem Alltag ankommen.
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In jedem Fall wird die Welt im Jahr 2035 fundamental anders aussehen.
Festhalten am Verbrenner ist kein Geschäftsmodell
Und während diese tektonische Verschiebung passiert? Debattieren wir ernsthaft darüber, ob wir 2035 noch zehn Prozent Verbrenner verkaufen dürfen. Wir haben ein Fokus-Problem. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich verstehe jeden, der emotional an der Automobilbranche hängt. Tu ich ja selbst.
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Aber Nostalgie ist kein Geschäftsmodell.
China hat etwas, das wir nicht haben. Langfristigen Fokus. Kapital wird strategisch konzentriert. Und zwar in den Aufbau neuer Industrien. Eine nach der anderen. Wir investieren Zeit und Geld in das Bewahren alter Strukturen. Mit Kompromissen. Mit Ausnahmen. Mit Technologieoffenheit.
Noch funktioniert das. Solange die alten Industrien noch Geld abwerfen. Aber was passiert danach? Wenn das Alte dann endgültig weggebrochen ist. Und wir nichts Neues aufgebaut haben? Die eigentliche Frage ist: Wann hören wir endlich auf, über Gestern zu sprechen? Und fangen an, Morgen zu aufzubauen?