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AS Donauschwaben: Über 1000 Kilometer mit dem Pferdewagen von der Batschka nach Bayern. Etwa 250.000 Donauschwaben wurden aus Ungarn nach Deutschland vertriebenFlüchtlingstreck aus Brestowatz. Über 1000 Kilometer mit dem Pferdewagen von der Batschka nach Bayern. Etwa 250 000 Donauschwaben wurden vertrieben. © Archiv Peter Stilling

Ortschronist Peter Stilling dokumentiert die Vertreibung der Donauschwaben und die Aufnahme von 70 Familien in Aschheim. Ein sehr persönlicher Film.

Aschheim – Brechend voll war der Festsaal im „Kulti“, Ortschronist Peter Stilling hatte geladen. Im Gegensatz zu seinen bisherigen Filmen über Schäffler, Kartoffelernte oder Speichersee zeigte er an diesem Abend „seinen“ Film: Über die Vertreibung der Donauschwaben und ihre Aufnahme in Aschheim. Gekommen waren Donauschwaben aus benachbarten Landkreisen und der ukrainische Konsul Kulaiexs.

AS Donauschwaben: Aschheims Altbürgermeister Helmut Engelmann, der ukrainische Konsul in München, Taras Kulaixes, und Bürgermeister Florian MeierIn der ersten Reihe im vollen Saal: (v.l.) Altbürgermeister Helmut Englmann, der ukrainische Konsul in München, Taras Kulaixes, und Bürgermeister Florian Meier. © Bert BroschIn der Pause original Batschkaer Kesselgulasch

Nach einer Stunde Film – in der Pause gab es ein original Batschkaer Kesselgulasch mit echten, donauschwäbischen Fleischwürsten, fünf Stunden lang geköchelt von Stillings Sohn Bernhard und dessen Cousin Christian Fürst – verließen nicht nur die Donauschwaben aus den Landkreisen Dachau, Erding und Freising den Saal mit feuchten Augen. Auch Peter Stilling selbst war anzumerken, wie nah ihm die Vertreibung aus der Heimat seiner Eltern und Großeltern aus der Batschka, einem Gebiet zwischen Donau und Theis, das heute in Serbien liegt, vor 80 Jahren gegangen ist.

AS Donauschwaben: Der Film über die Donauschwaben und deren Vertreibung aus der Batschka war Peter Stillings ganz persönlicher FilmGanz persönlicher Film: Peter Stilling bei der Vorstellung. © Peter StillingGroßes Interesse an Ortsgeschichte

„Noch nie war der Saal im Kulti bei einem Film so voll wie heute. Das zeigt, wie groß das Interesse an unserer Geschichte ist“, begrüßte Bürgermeister Florian Meier (CSU). Sein Opa habe immer wieder erzählt, dass das Haus des heimischen Bauernhofes voll war mit Heimatvertriebenen. „Aschheim könnte man sich gar nicht vorstellen ohne die vielen hundert deutschen Geflüchteten und Vertrieben.“

AS Donauschwaben: Fünf Stunden hatten Christian Fürst und Bernhard Stilling (v.l.) am original Batschkaer Kesselgulasch geschnippelt und geköchelt. Über 180 Portionen konnten sie letztlich davon ausgebenOriginal Batschkaer Kesselgulasch: Fünf Stunden hatten Christian Fürst (l.) und Bernhard Stilling geschnippelt und geköchelt und 150 Portionen ausgegeben. © Bert Brosch Ukrainischer Konsul Taras Kulaixes zu Gast

Selbst der ukrainische Konsul Taras Kulaixes war zum Film gekommen, Stilling hatte nämlich als Besonderheit eine Spendenbox aufgestellt, deren Inhalt sowie der Erlös aus dem Gulasch und den Getränken dem ukrainischen Kinderheim in Sumy zugute kommt. Dort werden Kinder, die im Krieg verletzt oder zu Waisen wurden, betreut. „Den Kindern in der Ukraine geht es heute so wie meinen Brüdern und ihren Freunden in der Batschka, die von den anrückenden russischen Truppen beschossen wurden“, begründete Schilling den Spendenort Sumy. Konsul Kulaixes bedankte sich für die nette Aufnahme seiner Landsleute in Bayern: „Hier leben mittlerweile 190 000 Ukrainer, und wir fühlen uns sehr wohl.“

Peter Stilling schildert Geschichte der Donauschwaben

Peter Stilling schildert in seinem Film, in dem er historische Fotos und Filmschnipsel montiert hat, die er im Laufe von Jahrzehnten gesammelt hatte, die Geschichte der Donauschwaben. Sie bauten sich als deutsche Siedler im späten 17. und vor allem im 18. Jahrhundert eine neue Existenz im Königreich Ungarn auf. Der Start war in Ulm, mit den „Ulmer Schachteln“ fuhren sie flussabwärts und besiedelten den südlichen Teil Ungarns, das Pannonische Becken, eine ausgedehnte, von Donau und Theiß durchquerte Tiefebene. Als Spezialisten im Ackerbau machten sie die Sumpflandschaft urbar und bauten Getreide, Hanf und Wein an.

Flucht und Vertreibung

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet unter Ungarn, Rumänien und Jugoslawien aufgeteilt. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs schlug den Donauschwaben aus ideologischem Fanatismus und verstärkt durch Gräueltaten der deutschen Besatzer, Hass und Rache entgegen. Sie wurden entweder nach Russland deportiert oder mussten in Titos jugoslawische Arbeits- und Vernichtungslager. Viele Ältere und Kinder starben vor Hunger und aufgrund von Seuchen.

Rund 70 Familien landen in Aschheim

Einer Mehrheit gelang die Flucht, etwa 70 Familien, so schätzt Peter Stilling, kamen nach Aschheim. Er selbst wurde bei einem Zwischenstopp der Flucht im österreichischen Retz geboren. „Die Aschheimer haben uns super aufgenommen. Weil ich ein guter Fußballer und Leichtathlet war, blieb ich von zu viel Mobbing verschont“, sagte Stilling.