Nur Timo Pielmeier und Jimmy Waite standen in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) häufiger im Tor des ERC Ingolstadt als Michael Garteig. Nach insgesamt vier Spielzeiten wechselt der 33-Jährige nun zum Rivalen nach Augsburg. Mit unserer Zeitung spricht der Kanadier vor seinem Heimflug nach New Hampshire/USA über die Gründe für seine Entscheidung und den Frust über die Gehirnerschütterung, die einen Abschied auf dem Eis verhinderte.
Herr Garteig, seit März sind Sie und Ihre Frau Ali Eltern des kleinen Finn Mason. Wie hat sich Ihr Leben dadurch verändert?
Michael Garteig: Wir wechseln viele Windeln und schlafen wenig (lacht). Aber es wird besser. Man denkt nicht mehr so viel an sich, sondern an das Kind. Es ist einfach eine verrückte Erfahrung, die Geburt an sich war unglaublich, die Unterstützung in der Klinik fantastisch. Und die Tatsache, dass der Kleine gesund und munter ist, macht uns glücklich. Zum Glück kam Alis Mutter zur Geburt, und sie ist bis jetzt noch hier. Das war und ist uns eine große Hilfe.
Eine weitere Veränderung steht an: In der Saison 2025/26 stehen Sie im Tor der Augsburger Panther. Wie kam es zu diesem Wechsel, wie ging er vonstatten?
Garteig: Tim (Sportdirektor Regan, d. Red.) und ich haben uns nach der Saison zusammengesetzt und darüber unterhalten, ob ich einen neuen Vertrag bekomme oder nicht. Wir sind zu keinem finalen Ergebnis gekommen. Ich wollte aber eine schnelle Entscheidung und nicht mehr warten. Gerne wäre ich in Ingolstadt geblieben, aber ich hatte gleichzeitig auch zwei andere Angebote aus der Liga.
Aus Nürnberg und Straubing?
Garteig: (lacht) Vielleicht, dazu sage ich nichts. Ich musste eine Entscheidung treffen, was das Beste für meine Familie ist. Von Ingolstadt hatte ich noch kein neues Vertragsangebot bekommen, und ich wollte einfach nicht mehr warten. Augsburg hat mir das Gefühl gegeben, dass sie mich wirklich wollen, auch mit dem Risiko dieser Saison, die ich hinter mir habe. Schon als ich fünf Jahre alt war, hat man mir beigebracht, dass ich dahin gehen soll, wo man mich wirklich will. Ich bin dankbar und froh, dass ich meine Karriere überhaupt fortsetzen kann. Daran habe ich in den vergangenen Monaten manchmal gezweifelt.
Nachrichten von ERC-Fans
Welche Rolle spielte AEV-Sportdirektor Larry Mitchell, der Sie – damals in Diensten des ERC – nach Deutschland geholt hat?
Garteig: Larry hat Vertrauen in mich, er gibt mir eine Chance. Es scheint so, dass viele DEL-Teams – Ingolstadt eingeschlossen – am liebsten mit zwei deutschen Goalies ins Rennen gehen würden, um eine Ausländerlizenz einzusparen. Das war wohl zunächst auch Larrys Plan, aber als ich dann verfügbar wurde, hat er zugegriffen.
Die Augsburger sind der größte Rivale der Ingolstädter. Verstehen Sie, dass der eine oder andere ERC-Fan mit Ihrem Wechsel nicht glücklich ist?
Garteig: Ja, ich habe schon ein paar Nachrichten in diese Richtung erhalten. Ich möchte kein Feindbild sein, weil ich zum Rivalen wechsle, und auch der ERC möchte keines sein, weil er mich ziehen lässt. In Augsburg kann ich meinen Beruf weiter ausüben, der mir und meiner Familie den Lebensunterhalt sichert. Unsicherheit war für mich keine Option, gerade jetzt mit meinem sieben Wochen alten Sohn. Natürlich weiß ich, dass die Spiele zwischen Ingolstadt und Augsburg die vielleicht umkämpftesten Derbys sind, und der Wechsel fühlt sich auch für mich noch etwas seltsam an. Trotz allem bin ich sehr dankbar für unsere vier Jahre in Ingolstadt, mein Sohn wurde hier geboren, unser Hund kommt von hier. Wir waren ein Teil dieser Gemeinschaft.
Ihr Vorgänger Strauss Mann war beliebt bei den Augsburger Anhängern. Denken Sie, dass es etwas dauern wird, bis Sie deren Herzen gewinnen?
Garteig: Gut möglich. Ironischerweise war ich es, der Strauss den Wechsel nach Augsburg empfohlen hat.
„Werde eine richtig gute Saison spielen“
Sie kennen sich?
Garteig: Ja, Peyton Jones (Augsburgs zweiter Torhüter, d. Red.) auch. Wir trainieren im Sommer zusammen und haben dieselben Trainer. Alles was zählt ist, dass ich gute Leistungen zeige. Ich bin extrem motiviert. Das war ich zwar in den vergangenen Jahren auch. Aber erstens möchte ich mit Augsburg besser abschneiden als zuletzt, und zweitens will ich nach meiner Verletzung beweisen, dass ich es noch kann. Ich weiß, dass ich eine richtig gute Saison spielen werde.
Augsburg hat noch keinen Trainer. Ist das nicht seltsam, zu wechseln und nicht zu wissen, wer einen trainieren wird?
Garteig: Schon. Diese Position ist sicher eine der wichtigsten. Aber ich vertraue Larry, er ist lange genug im Geschäft.
Sprechen wir über Ihre Gehirnerschütterung, die Sie kurz vor Weihnachten im Spiel gegen Schwenningen erlitten haben und die Ihre Saison früh beendet hat. Anfangs ging niemand von einer längeren Verletzungspause aus. Wann haben Sie gemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Garteig: Mein Gehirn war irgendwie völlig durcheinander. In der Pause musste ich mich übergeben, dann wurde ich ausgewechselt. Nach ein paar freien Tagen fühlte ich mich eigentlich okay, bis auf ziemliche Nackenschmerzen. Ich begann das Protokoll nach Gehirnerschütterungen mit leichtem Radeln, aber das ging nicht. Auch das Eis musste ich nach zehn Minuten mit bohrenden Kopfschmerzen oder Schwindel verlassen. Außerdem habe ich fast einen Monat lang höchstens vier Stunden pro Nacht geschlafen, weil mein Rhythmus total durcheinander war. Dazu dann noch diese Unsicherheit, wann es mir wieder besser gehen würde. Irgendwann konnte ich nicht mal mehr in die Halle kommen. Die Ärzte hier haben alles getan, was sie konnten, aber es wurde immer schlimmer.
Wieder fit und trotzdem nur Tribünenplatz
Und dann?
Garteig: Bin ich auf eigene Kosten zu Spezialisten in die Schweiz gefahren. Die haben viele Tests mit mir gemacht − und endlich bekam ich Antworten. Endlich fühlte ich mich verstanden, denn diese Leute beschäftigen sich nur mit Gehirnerschütterungen. Das war eine riesige Erleichterung. Sie wollten, dass ich in der Schweiz bleibe, aber ich musste ja zurück nach Ingolstadt. Also bekam ich einen Plan, den ich befolgt habe. Innerhalb von drei, vier Wochen habe ich mich wieder rangekämpft und am 14. März Grünes Licht für Spiele erhalten.
Kurz nach dem Ende der Hauptrunde. Hatten Sie trotzdem noch die Hoffnung, in den Play-offs zum Einsatz zu kommen?
Garteig: Das ist das Frustrierendste für mich. Ich habe alles dafür getan, um wieder fit zu werden, um wieder für diese Mannschaft spielen zu können. Ich war wieder fit, ich war bereit – und habe trotzdem nicht gespielt. Dafür habe ich vollstes Verständnis, Christian Heljanko hat es gut gemacht und ich war Monate raus gewesen. Deswegen gebe ich niemandem die Schuld, aber für mich war es eine harte Situation.
Nach vier Spielzeiten in Ingolstadt, 156 DEL-Partien und zwei Auszeichnungen als „Panther des Jahres“: Was bleibt aus Ihrer Sicht in Erinnerung?
Garteig: Als ich nach dem Jahr in Finnland zurückkam (Garteig spielte 2021/22 in Helsinki, d. Red.), haben mir die Fans einen warmen Empfang bereitet. Auch wenn wir Essen gegangen sind oder auch nur zum Bäcker, waren die Leute nett zu uns. So gemocht zu werden, hat mir meinen Job leichter gemacht. Deswegen sind meine Frau und ich auch traurig, dass wir das aufgeben müssen. Aus Eishockey-Sicht waren die beiden „Panther des Jahres“ toll. Auch die gewonnene Viertelfinalserie 2021 gegen München, die aus meiner Sicht wichtig für die Entwicklung des Klubs war. Meine Beinverletzung 2023 war natürlich Mist, aber das Finale zu erreichen, war klasse. Meine Gehirnerschütterung hat mir klargemacht, dass man vieles zu selbstverständlich hinnimmt. Es war eine Freude, für Ingolstadt professionell Eishockey spielen zu dürfen.