Die EU-Kommission will, dass alle Autos über zehn Jahre jährlich zur Hauptuntersuchung müssen – das gilt für „Autos und Transporter über zehn Jahren“, so steht es im Vorschlag (nachzulesen auf ec.europa.eu). Demnach würde das auch für Oldtimer gelten – in dem 69 Seiten langen Vorschlag haben wir jedenfalls keine Ausnahmeregelung gefunden. Dabei fahren Oldtimer im Schnitt extrem wenig. Andere fordern seit Jahren, das HU-Intervall für Oldies – im Gegenteil – zu verlängern. Der Verband Deuvet hat sogar ins Spiel gebracht, sie nur alle fünf Jahre zu untersuchen.

Also: Was ist denn nun sinnvoll? Sehen wir uns die Fakten an.

Worum geht es der EU-Kommission?

Das Papier (ein Zusatz zur Direktive 2014/45/EU über „periodic roadworthiness tests for motor vehicles“) nennt zwei Hauptziele: die Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Luftqualität zu verbessern. Nebenbei geht es auch darum, die Fälschung von Kilometerständen zu erschweren.

Erste Seite des Vorschlags der EU-Kommission

Der Originaltext des Entwurfs steht auf eur-lex.europa.eu in einem 69 Seiten langen PDF.

Bild: EU-Kommission

Um die Ziele zu erreichen, schlägt die Kommission ein Bündel aus sieben Maßnahmen vor – unter anderem neue Prüfmethoden für Elektroautos und Assistenzsysteme, für Feinstaub- und Stickoxid-Messungen und einen EU-weiten elektronischen Austausch von Daten der Hauptuntersuchungen.

Punkt Nummer vier: „Jährliche Untersuchungen für Autos und Transporter, die über zehn Jahre alt sind.“ Da das den Aufwand und die Kosten für jeden einzelnen Auto-Halter verdoppeln würde, kochen nun die Emotionen hoch.

Sind Ausnahmen für Oldtimer vorgesehen?

Bisher nicht. Regeln für historische Fahrzeuge spricht das Papier vom 24. April 2025 nicht an. Das ist erst mal nur ein Vorschlag, das EU-Parlament wird ihn beraten, kann ihn ablehnen, aber auch verändern. Zum Beispiel Ausnahmen reinschreiben.

Wie gefährlich sind Oldtimer?

Wir haben das Statistische Bundesamt gefragt. Das erfasst tatsächlich die Anzahl der Unfälle, Toten und Verletzten auch aufgeschlüsselt nach dem Alter des Fahrzeugs, das der Verursacher fuhr. Aber: Die älteste Altersgruppe heißt „12 und mehr“ Jahre. Verschlissene Gebrauchtwagen und gehätschelte Young- und Oldtimer werden also in einen Topf geworfen.

Offenbar verursachen Oldtimer im Schnitt pro Auto und Jahr deutlich kleinere Schadenssummen bei Unfällen – denn fast zwei Dutzend Versicherungsunternehmen bieten Haftpflicht-Policen speziell für Oldtimer und Liebhaberfahrzeuge an. Und die sind in der Regel viel günstiger als Policen für Alltagsautos.

Klar: Ein, sagen wir, 50 Jahre altes Auto kann nicht so stark und sicher bremsen wie ein vergleichbares neues. Aber das könnte es auch nicht, wenn es jedes Jahr zur HU müsste.

Wie oft fallen Oldtimer durch die HU?

Da die EU-Kommission hofft, über häufigere Hauptuntersuchungen gefährliche Autos aus dem Verkehr zu ziehen – fragen wir also gezielt nach der HU-Statistik von Oldtimern. Und zwar bei der GTÜ. Die hat folgende Daten errechnet:

Grafik mit drei Kurven (ohne Mängel/leichte Mängel/erhelbiche Mängel) über Mängelquoten bei der Hauptuntersuchung in vier AltersklassenBei Autos zwischen 20 und 40, also Youngtimern und jungen Oldtimern, werden die Mängelquoten bei der HU mit zunehmendem Alter immer besser.

Bild: GTÜ

Das heißt: Selbst die Prüforganisation GTÜ, die von der geplanten EU-Regelung mutmaßlich massiv profitieren würde, bestätigt für Youngtimer ab etwa 24 Jahren und Oldtimer ab 30: Je älter ein Klassiker ist, desto verkehrssicherer ist er im Schnitt.

Grafik mit einer Kurve, in welchem Fahrzeugalter wie viele Oldtimer-Pkw die Hauptuntersuchung bestehen oder durchfallenDie GTÜ hat Daten des Kraftfahrt-Bundesamts ausgewertet – demnach haben Autos im Alter um etwa 20 bis 25 Jahre die höchsten Mängelquoten, danach sinken sie kontinuierlich. Oldtimer schneiden recht gut ab.

Bild: GTÜ

Von allen Oldtimern mit H-Kennzeichen, die 30 bis 60 Jahre alt sind, fallen bei der GTÜ nur 14 Prozent durch die HU. Bei Vorkriegsautos (Baujahre 1920 bis1940) sind es sogar nur 2,6 Prozent.

Auch der Bundesverband Oldtimer-Youngtimer namens Deuvet hat HU-Daten ausgewertet. Danach nimmt der Anteil von Alltagsautos, die ohne Mängel oder nur mit geringen Mängeln die HU bestehen, mit zunehmendem Alter erst mal ab – bei Autos ab 30 ist die Quote aber im Schnitt etwa so gut wie bei neun oder zehn Jahre alten Gebrauchtwagen.

Grafik mit Statistik: HU-Ergebnisse in Deutschland

Oldtimer mit H-Kennzeichen schneiden laut Deuvet bei der HU so gut ab wie die erst dreijährigen Fast-Neuwagen. Ein Grund laut Deuvet: „Pkw mit H-Kennzeichen sind besonders gepflegt.“

Bild: Deuvet

Nun hat nicht jedes Auto über 30 auch ein H-Kennzeichen – manche, weil damit die pauschale Kfz-Steuer von 191 Euro höher ist als die reguläre Steuer, manche, weil ihr Zustand nicht gut genug ist für das H. Oldtimer mit H-Kennzeichen schließen nach der Deuvet-Statistik bei der HU sogar so gut ab wie sonst nur die drei Jahre jungen Autos. Hier sind die Zahlen noch besser als bei der GTÜ.

Nicht der einzige Grund, warum Oldtimer so wenige Unfälle verursachen: Hinzu kommen laut Deuvet „ein geringer Anteil von Fahranfängern, der üblicherweise defensive Fahrstil und der überwiegende Betrieb der Oldtimer außerhalb von Verkehrsspitzen“.

Oldtimertreffen

Typischer Oldtimereinsatz: Treffen in der Region, viel Zeit für Gespräche, vielleicht eine gemütliche Ausfahrt.

Bild: Thomas Huhn

Der Deuvet lehnt jährliche Hauptuntersuchungen für Oldtimer also ab und will sich für Ausnahmeregelungen einsetzen.

Wie umweltschädlich ist ein einzelner Oldtimer?

Wenn man nur das einzelne Auto betrachtet: kommt drauf an. Ein Auto von 1975 hat in der Regel keine Abgasreinigung, das stößt auf jedem Kilometer so viel Schwefeldioxid aus wie damals. Nur: Damals war wegen Autos, Kraftwerken und Industrie so viel Schwefeldioxid in der Luft, der zu saurem Regen wurde, dass ein Waldsterben einsetzte. Heute geht es den Wäldern wieder schlecht, aber die SO2-Belastung in der Luft ist laut Umweltbundesamt von 1990 bis 2022 um 95,3 Prozent zurückgegangen. Schwefeldioxid ist also kein Problem mehr.

Ein Problem ist Feinstaub. Benzinmotoren in Oldtimern stoßen aber praktisch keinen Feinstaub aus. Direkteinspritzende Diesel, wie sie sich im Pkw seit etwa 1990 durchsetzten, schon. Allerdings: TDI-Oldtimer sind extrem selten.

Die Kohlenmonoxid-Werte haben sich nach Tabellen des Umweltbundesamts von 2000 bis 2023 etwa halbiert.

Ein Auto, das gerade 30 Jahre alt ist, also Oldtimer wird, und das schon vor 30 Jahren in Deutschland zugelassen wurde, musste schon damals einen geregelten 3-Wege-Kat haben. Damit kommen kaum noch Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid aus dem Auspuff.

BMW 740i (E32)

BMW 740i (E32), Baujahr 1992: Viele Autos, die es nur mit G-Kat gab, sind längst über 30 Jahre alt und Oldtimer.

Bild: Marcus Gloger/AUTO BILD

Wie umweltschädlich sind alle Oldtimer zusammen?

Aktuell (2025) gibt sind in Deutschland etwa 888.000 Oldtimer-Pkw mit und ohne H-Kennzeichen zugelassen, meldet das Kraftfahrt-Bundesamt – 1,8 Prozent aller Pkw.

Die werden im Schnitt deutlich weniger gefahren als Alltagsautos. Wie viel genau? Untersuchungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen: Während eine Allensbach-Studie rund 1460 Kilometer pro Jahr ermittelt hat, gibt die BBE Automotive GmbH etwa 1600 Kilometer an. Der Oldtimer-Weltverband FIVA nennt eine durchschnittliche Jahresfahrleistung von 1576 Kilometern. Classic Trader liegt mit 1800 Kilometern pro Jahr vergleichsweise am höchsten.

Aber Vorsicht: Alle Studien beruhen auf Umfragen unter Oldtimerfahrern, die ihre Kilometerleistungen schätzen.

Balkengrafik

Die 30- bis 39-jährigen Oldtimer fahren laut TÜV Süd im Schnitt weniger als 1400 Kilometer pro Jahr, die Uralt-Oldies nicht mal 500. Im Durchschnitt fahren alle Oldtimer-Pkw mit H-Kennzeichen knapp 1000 Kilometer pro Jahr. Die Studie des TÜV Süd wertete insgesamt 25.545 Fahrzeuge aus, die zur Hauptuntersuchung kamen, darunter 13.321 Pkw mit H-Kennzeichen. HU-Zeitraum: 2020 bis 2022.

* Fahrzeugalter in Jahren

Bild: Quelle: TÜV Süd. Grafik: AUTO BILD KLASSIK

Valider sind die Ergebnisse des TÜV Süd: Er hat die Kilometerstände von Klassikern, die zur Hauptuntersuchung vorfuhren, ausgewertet (siehe Grafik). Demnach liegt die durchschnittlich gefahrene Kilometerzahl bei Pkw mit H-Kennzeichen bei 993 Kilometern im Jahr. Aufgeschlüsselt nach Epochen kommen die 30 bis 39 Jahre alten Oldtimer mit 1347 Kilometern auf die höchste Fahrleistung. Mit zunehmendem Fahrzeugalter nimmt die Zahl der gefahrenen Kilometer kontinuierlich ab. Pkw über 30 ohne H-Kennzeichen kamen auf rund 1700 Kilometer.

Auch die GTÜ hat auf unsere Anfrage ihre Daten ausgewertet und kommt auf 1069 Kilometer. Als Daumenwert kann man also von 1000 Kilometern pro Jahr ausgehen.

Zum Vergleich: Rund 13.000 Kilometer beträgt die jährliche Fahrleistung im Schnitt des gesamten deutschen Pkw-Bestands (Statistiken variieren von 11.500 bis 16.000 km).

Wenn also 1,8 Prozent der Autos pro Stück nur 7,7 Prozent so viele Kilometer fahren wie der Durchschnitt, fahren alle Oldtimer-Pkw mit H-Kennzeichen zusammen also nur 0,25 Prozent der Kilometer.

Mercedes W 123 in einer privaten Garage im Auto-PyjamaDer Normalfall: Die meisten Oldtimer stehen in privaten Garagen und werden nur hin und wieder rausgeholt.

Bild: Roman Rätzke / AUTO BILD

Schon 2017 hatte im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen der TÜV Nord analysiert, welchen Anteil Klassiker an der Luftverschmutzung haben. Ergebnis: Allenfalls bei einem Treffen mit sehr vielen Oldtimern könnte die Schadstoffbelastung vorübergehend problematische Höhen erreichen. Im Normalfall sei der Anteil der Abgase von Oldtimern gering. Je nach Schadstoffart schwanke der Anteil zwar, bleibe aber immer unter zehn Prozent aller Emissionen, die der Straßenverkehr verursacht.

Gibt es Hoffnung auf eine Ausnahmeregelung?

Ja. Bernd Lange (SPD), Abgeordneter im EU-Parlament und dort Chef der Historic Vehicle Group, schreibt AUTO BILD, er sei „sehr froh, dass sich für die historischen Fahrzeuge scheinbar nichts ändert.“ Weil der Vorschlag eine Direktive von 2014 ergänzen soll, in der „Fahrzeuge von historischem Interesse“ unter Schutz gestellt sind, würden nach Langes Auffassung solche Fahrzeuge gemäß dieser Direktive auch von der jährlichen Hauptuntersuchung ausgenommen bleiben.

Nun gibt es viel Kritik an der EU-Definition „Fahrzeuge von historischem Interesse“, siehe unseren Artikel, in dem wir die Kritik erklären. Aber laut Bernd Lange enthält der Entwurf „keine Bestimmungen, die den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Prüfung historischer Fahrzeuge aufheben oder einschränken“. Heißt: Deutschland könnte einfach bestimmen, dass Oldtimer von der jährlichen HU ausgenommen werden.

Wenn das aber nur für Oldies mit H-Kennzeichen gälte, müssten alle, die z. B. wegen der höheren Kfz-Steuer (191 Euro pro Jahr) bisher aufs H-Kennzeichen verzichten, nun doch aufs H umsteigen oder jedes Jahr für viel Geld in die Prüfstelle.

Lange will sich jedenfalls dafür stark machen, dass es Ausnahmen für historische Fahrzeuge gibt.

Fazit: Oldtimer sind nicht das Problem

Nach den vorliegenden Daten würde eine jährliche HU für Oldtimer weder deren Schadstoffausstoß noch deren Unfallhäufigkeit messbar verringern. Denn gerade Oldtimer mit H-Kennzeichen sind fast durchgängig gut gewartet und gepflegt, werden im Durchschnitt nur etwa 1000 Kilometer pro Jahr gefahren und verursachen schon jetzt extrem wenige Unfälle.