Bei Maischberger loben die Diskussionsteilnehmer die Zustimmung der SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag. Unverständnis löst allerdings die Aussicht auf einen Ministerposten für Saskia Esken aus – nur nicht bei Ex-Parteichef Franz Müntefering. Der beichtet dafür ein privates Detail.
Die SPD macht den Weg frei. Beim Mitgliederentscheid sprachen sich knapp 85 Prozent für den schwarz-roten Koalitionsvertrag aus. 56 Prozent der 358.000 Parteimitglieder hatten sich am Votum beteiligt. Am Mittwoch blickte Sandra Maischberger mit dem früheren Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) auf den Zustand der Sozialdemokratie und die kommende Bundesregierung.
Im Panel begrüßte sie die Journalisten Susanne Gaschke, Yasmine M’Barek und Denis Scheck. Mit dem früheren Botschafter Rüdiger von Fritsch und der Journalistin Gudrun Engel sprach sie zudem über die jüngsten Friedensbemühungen um die Ukraine.
Anders als Markus Söder, der den Koalitionsvertrag bereits auf dem Weg zum „Bestseller“ wähnte, prognostizierte Literaturkritiker Denis Scheck diesem, ein „sicherer Ladenhüter“ zu werden. Dennoch rühmte er die SPD für ihre Zustimmung. „Mein Glauben an die deutsche Sozialdemokratie feiert fröhliche Urstände – willkommen in der Wirklichkeit!“, urteilte er irgendwo zwischen ironisch und euphorisch. In seiner Einschätzung der Parteiführung zeigte er sich zwiegespalten. Während er Lars Klingbeil für dessen „Machtinstinkt“ lobte, sah er die Co-Vorsitzende Saskia Esken „auf dem Weg ins Haus der Geschichte“.
Yasmine M’Barek teilte Schecks kritischen Blick auf die SPD-Vorsitzende, die sich weder taktisch klug verhalte noch über ein Netzwerk in ihrer Partei verfüge. Trotz alledem habe sich Esken in ihrem Amt „festgebissen“ und könne nun von ihrem Zugriffsrecht Gebrauch machen, um das Umwelt- oder Entwicklungshilfeministerium zu übernehmen. „So tragisch wie das klingt“, kommentierte die Journalistin von „Zeit online“. „Ich finde es ziemlich irre“, bemängelte Susanne Gaschke, „dass man für so ein eklatantes Versagen an der Parteispitze auch noch mit einem Ministerposten belohnt wird.“
Einem derart deutlichen Urteil entzog sich Franz Müntefering. Ob er es als „gutes Signal“ sehe, „wenn Frau Esken nichts“ werde, fragte Maischberger. „Das müsste sie selbst entscheiden.“ Offenkundig unzufrieden mit der Antwort wiederholte sie die Frage gleich mehrfach. „Was soll sie denn eigentlich bekommen? Ich soll ihr jetzt was schenken, wo ich gar nicht weiß, was das eigentlich sein soll. Was soll sie denn machen?“ Bevor das Gespräch weiter entgleiste, konkretisierte die Moderatorin doch noch ihre Frage: „Ministerin im Kabinett zum Beispiel?!“ „Hätte ich nichts dagegen“, erwiderte der SPD-Politiker.
Müntefering nahm die Parteiführung in Schutz. Vor allem Olaf Scholz habe die Wahl verloren, beanstandete der frühere SPD-Vorsitzende, „auf jeden Fall mehr als Lars und Esken – ist doch klar“. Nach dem schwachen Wahlergebnis habe er die Sorge gehabt, dass in der Partei „Panik“ ausbreche. Umso enthusiastischer lobte er Lars Klingbeil. Er sei „sehr dankbar“, dass der kommende Vizekanzler und Bundesfinanzminister gleich nach der Bundestagswahl Verantwortung übernommen habe. „Das ist auch richtig, sonst hätte man gesagt, der ist mutlos“, führte er aus. „Die haben sich da reingeschmissen – alle beide.“
Im Ergebnis des SPD-Mitgliedervotums sah Müntefering eine „klare Botschaft“ darüber, wie seine Partei denke. Zugleich warb er dafür, die schwarz-roten Verhandlungsergebnisse nicht überzubewerten. „Koalitionsverträge sind keine Pläne, die fix und fertig geschrieben sind und umgesetzt werden können“, erklärte er, „sondern sie sind Ideen des Zusammengehens für bestimmte Ziele“. Demzufolge sollten die Verträge nur den „Kern“, die „Eckpunkte“ enthalten, statt detailliert alle Vorhaben auszuformulieren. So habe etwa der rot-grüne Koalitionsvertrag 1998 nur knapp 50 Seiten umfasst.
Einen persönlichen Einblick gewährte Müntefering, als er zugab, Anfang des Jahres aus der katholischen Kirche ausgetreten zu sein. Auch die Persönlichkeit des jüngst verstorbenen Papstes Franziskus habe ihn nicht davon abhalten können? „Nein, das kann er auch gar nicht alleine machen. Das ist ein großes Gewebe, diese Kirche insgesamt“, sagte der SPD-Politiker. Auf Hochzeiten oder Beerdigungen habe er zwar immer die Form gewahrt, doch in Wahrheit habe er schon mit Mitte 20 den Glauben verloren. Zudem habe ihn der Umgang mit Missbrauch gestört. „Die Kirche wird einfach ihrer Verantwortung für die Gesellschaft nicht gerecht.“
Die Beerdigung von Papst Franziskus spielte auch eine Rolle im Gespräch mit Rüdiger von Fritsch und Gudrun Engel. Im Petersdom waren Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj zusammengetroffen, wobei ein „spannendes“, „im gewissen Sinne ikonografisches Bild“ entstanden war, wie es der frühere Diplomat bewertete. Wladimir Putin werde „sicher seine Lippenleser beschäftigt haben“, vermutete er. Gleichwohl dürfe die Bedeutung nicht überschätzt werden. Das sah Engel ähnlich. Bei dem US-Präsidenten zähle, wer zuletzt mit ihm gesprochen habe. So könne sich der Wind schnell wieder drehen.
Mal unterstütze Trump den russischen Präsidenten, mal empöre er sich über diesen, erläuterte Rüdiger von Fritsch. Zuletzt habe er erklärt, Putin wolle womöglich gar keinen Frieden. „Da fällt mir nur Loriot zu ein: Ach was?“ Erst Mittwoch habe Dmitri Peskow, Pressesprecher von Wladimir Putin, verlautbart: „Wir haben eine Verpflichtung, siegreich zu sein.“ Es gehe Russland ausschließlich um den Sieg. „Und das wird nicht klar erkannt auf Seiten der republikanischen Administration. Man verfolgt nur seine Geschäftsinteressen und ist bereit dafür, die Ukraine, traditionelle Werte, Alliierte und amerikanische Gründungsideale zu opfern.“
Dominik Lippe berichtet für WELT regelmäßig über die abendlichen Polit-Talkshows. Der studierte Biologe ist Absolvent der Axel Springer FreeTech Academy.