Am Dienstag wollte Friedrich Merz sich zum neuen Bundeskanzler wählen lassen – doch der CDU-Chef bekam im ersten Wahlgang nicht genügend Stimmen. Politiker aus der Region reagierten überrascht auf den historischen Vorgang.
Politikerinnen und Politiker aus Berlin und Brandenburg haben auf die überraschend gescheiterte Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum Bundeskanzler im ersten Wahlgang reagiert.
Die SPD-Abgenordnete Maja Wallstein, die seit 2021 für den Wahlkreis Cottbus – Spree-Neiße im Parlament sitzt, sagte dem rbb am Dienstag, die Lage sei „nicht witzig“. Es gehe auch um die Außenwirkung und darum, dass die politischen Verhältnisse in Deutschland stabil sein sollten. Sie sei davon ausgegangen, dass Merz im ersten Wahlgang gewählt werde, auch wenn er nicht der Wunschkanzler der SPD sei. Für Politik und Demokratie seien aber Kompromisse wichtig. Wallstein sagte, es habe nicht an den Sozialdemokraten gelegen, dass die Wahl gescheitert sei.
Die „harte Nuss“ aus Luckenwalde
Am Kabinettstisch des künftigen Kanzlers Merz wird mit Katherina Reiche auch eine Brandenburgerin sitzen. Hinter der ersten Bundeswirtschaftsministerin liegt eine ungewöhnliche Karriere, vor ihr ein Berg an Herausforderungen. Wofür steht sie? Von Hanno Christmehr
„Historischer Tag“
Isabelle Vandré (Linke), die über die Landesliste Brandenburg 2025 in den Bundestag gelangte, sprach von einem historischen Tag. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs sei der verfehlten Politik von Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil geschuldet, sagte sie dem rbb. Es sei überraschend, dass Merz nicht einmal in den Fraktionen von Union und SPD genügend Rückhalt habe. Sie erwarte, dass es jetzt eine klare Absage an den Rechtsruck innerhalb der Gesellschaft gibt. SPD und Union müssten jetzt aus diesem Wahlgang Rückschlüsse ziehen.
René Springer, AfD-Abgeordneter und seit 2024 Vorsitzender der Partei in Brandenburg, erklärte, es komme nun auf den zweiten Wahlgang an. Eine Regierung von SPD und Union sei aber nicht von Stabilität geprägt. Er könne sich vorstellen, dass es sehr viele Entscheidungen geben wird, die sehr schwierig würden. Wenn jedes Mal das Erpressungspotenzial der SPD mitschwinge, glaube er nicht, dass es das sei, was die Bürger wollen. Er rate Merz, seine Brandmauer endlich zu überwinden, um zu stabilen Verhältnissen in Deutschland zurückzukehren.
Kabinett der Bundesregierung komplett
Eine Woche nach der Union hat die SPD am Montag ihr Team für die Bundesregierung vorgestellt. Damit ist das Kabinett vollständig – und Katherina Reiche bleibt die einzige Ministerin aus der Region Berlin-Brandenburg.mehr
„Massiver Autoritätsverlust“
Die Berliner Grünen-Abgeordnete Renate Künast sieht einen „massiven Autoritätsverlust“ für Merz. „Das hängt ihm am Nacken, das wird er nicht mehr los“, sagte sie im Bundestag der ARD. Es spreche einiges dafür, einen weiteren Wahlgang jetzt nicht hinauszuzögern. „Wir wollen wissen, ob Herr Merz eine Mehrheit hat“, betonte Künast. Zudem brauche das Land Entscheidungen.
Niels-Olaf Lüders, Landtagsfraktionschef des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Brandenburg, sprach von einer Bundesregierung, die gescheitert sei, bevor sie angefangen habe. „Die Aufrüstungspolitik von Friedrich Merz und eine Bundes-SPD, die sich von sozialdemokratischer Politik verabschiedet hat, haben in den eigenen Reihen offensichtlich keine Mehrheit“, sagte Lüders.
Zweiter Wahlgang nicht mehr am Dienstag
CDU-Chef Merz war am Dienstagvormittag im ersten Wahlgang der Kanzlerwahl gescheitert. Die Bundestagssitzung wurde darauf für Beratungen der Fraktionen über das weitere Vorgehen unterbrochen.
Einen zweiten Wahlgang soll es nach Vorstellung der verschiedenen Fraktionen noch in dieser Woche geben. Eine zweite Abstimmung am Dienstag ist aus rechtlichen und organisatorischen Gründen aber wohl nicht mehr möglich. Merz ist der erste Kanzlerkandidat in der Geschichte, der die nötige Zustimmung im Bundestag im ersten Wahlgang verfehlte.
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.05.25, 12 Uhr