Inhalt

Auf einer Seite lesen

Inhalt


  1. Seite 1Ihren Hass zelebriert sie, als wäre er eine Form der Wollust
  2. Seite 2Rashida, Urururenkelin von Richard III., ist eine von uns. Sagt sie.

Wieso ist Rashida so böse? Während Shakespeare den rasenden
Zorn seines Richard III. nicht wirklich „erklärt“, macht Burhan Qurbani zwei
Deutungsangebote zum Wesen seiner Hauptfigur. Im Vorspiel von Kein Tier. So Wild.
sieht man Rashida als junges Mädchen in der Wüste gemeinsam mit
Spielkameradinnen, als plötzlich Kriegsflugzeuge über sie hinwegrasen und in
der Ferne eine Bombe detoniert. Sie ist also aus einem Krieg geflohen, und die
entsetzlichen Erfahrungen, das wäre die erste Deutung, haben ihre Seele
gewissermaßen ausbrennen lassen: In ihrem Herzen ist nur noch Asche. Das zweite
Motiv für ihre Wut könnte, so suggeriert Rashida selbst in ihren Monologen, die
Ausgrenzung sein, die sie in Deutschland erlebt hat.

Zu Beginn wendet sie sich in einer Rede an jene, zu denen
sie, wie sie anmerkt, nicht ganz gehören darf: „Freiheit zog uns an – zu euch. Das
eine Wort auf unseren meersalztrockenen Lippen: Frei-heit. Von Bedrohung. Und
damit von Angst. Wie bitter dann die Erkenntnis: Bloß euch war dieses Wort
gegeben.“

Und am Ende des Films, kurz vor ihrem persönlichen Ende,
sagt Rashida in einem letzten Moment des Triumphs: „Wir sind hier keine
Bittsteller mehr. Schierer Wille ist es, der uns in dieses fremde Land gebracht
hat. Und mit schierem Willen haben wir es zu unserem eigenen gemacht.“

Am schieren Willen zum Bösen geht sie dann zugrunde. Ihren
Zuschauern hinterlässt Rashida, die Clankönigin, eine Botschaft: „Ich bin nicht
euer Gegenteil. Ich bin die offene Wunde, die ihr verbergt, in Dunkelheit
verpackt, in Scham einwickelt, in Schweigen einschlagt.“

Rashida, Urururenkelin von Richard III., ist eine von uns.
Sagt sie. Tatsächlich ist sie die Heldin einer Welt ohne Trost, die man als
Zuschauer erleichtert verlässt. Man wird sie nicht so schnell vergessen. Burhan
Qurbani hat einen höllischen Film geschaffen, ein Werk von entschlossenem
Stilwillen und ganz ohne Hoffnung. Aber in der Finsternis von Kein Tier. So
Wild. bestechen großartige Darstellerinnen und Darsteller. Die allermeisten von
ihnen haben einen Migrationshintergrund, etwa Mona Zarreh Hoshyari Khah, Meriam
Abbas, Banafshe Hourmazdi, Camill Jammal, Hassan Akkouch, und es ist eine
Freude, zu sehen, wie sie – mit schierem Können – diesen Film zu ihrem eigenen
gemacht haben. 

„Kein Tier. So Wild.“ läuft in den deutschen Kinos.