Seit einem Jahr ist Simon Kotter Leiter des Museums in Oberschönenfeld. Die aktuelle Ausstellung »Alles Fake?« startete vor wenigen Tagen. Der Bezirk Schwaben betreibt hier eine ganze Reihe beliebter Kulturorte sowie den schönsten inklusiven Spielplatz unserer Region. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich ein Kloster und ein Gasthaus samt urigem Biergarten. Das passt alles recht gut zusammen. Ein Interview
a3kultur: Herr Kotter, jetzt sind Sie seit bald einem Jahr Leiter des Museums in Oberschönenfeld. Haben Sie sich denn gut eingefunden?
Simon Kotter: Ja, das würde ich schon sagen. Im Rahmen der Übergabe konnte ich zwei Monate mit meiner Vorgängerin Frau Dr. Spiegel zusammenarbeiten. Das war gut und hilfreich. Nun habe ich den ersten Jahresablauf hinter mir, ich kenne inzwischen alle Institutionen und Personen, die mit dem Haus zu tun haben.
Wie setzt man denn seine eigenen Ideen in einem gewachsenen Team um?
Die Planungen gehen oft weit über eine Saison hinaus. Für mich heißt das, dass viel von dem, was ich nun verantworte, noch von meiner Vorgängerin initiiert wurde, zum Teil schon vor Jahren. Das führe ich nun weiter – so zum Beispiel einige Ausstellungen. Manche Vorhaben haben sogar einen noch viel längeren Vorlauf, wie der Neubau unseres Museumsdepots, das gerade beim Weiherhof entsteht. Dieses Projekt wurde vor vielen Jahren angestoßen. Da kann ich jetzt glücklicherweise die Ernte einfahren.
Oberschönenfeld ist sehr beliebt und damit auch sehr belebt. Haben Sie eine ungefähre Vorstellung davon, wie viele Besucher*innen im vergangenen Jahr hier waren?
Wir haben weit über 30.000 Ticketverkäufe verzeichnet. Das sind die handfesten Zahlen. Dazu kommen dann die großen Veranstaltungen wie Töpfermarkt, Sommerfest und vor allem natürlich der Weihnachtsmarkt, wo regelmäßig Tausende Menschen zu uns strömen.
Manchmal kann es auf diesem wunderbar weitläufigen Klostergelände auch eng werden. Haben Sie zuweilen nicht ein wenig Bedenken wegen dieser Publikumserfolge?
Ich würde mir manchmal wünschen, dass das Besuchsaufkommen etwas breiter gestreut wäre.
Weniger Besucher*innen sind in Oberschönenfeld auf absehbare Zeit wohl kaum zu erwarten. Dazu dürfte auch Ihre aktuelle Schau »Alles Fake?« beitragen. Vor Kurzem war Eröffnung, die Resonanz beim großen wie kleinen Publikum sehr gut. Welche Erwartungen haben Sie in Bezug auf Ihre erste große Ausstellung hier?
Ich glaube, wir haben ein recht populäres Thema gefunden, das die Menschen allein schon wegen des Titels, aber auch wegen der inhaltlichen Bandbreite anziehen wird. Der Begriff »Fake« ist übrigens erst vor rund zehn Jahren in unseren Sprachgebrauch übergangen. Doch hier geht es nicht allein um Fake News und solche Dinge. Das ist vielleicht der Aufhänger. Wir zeigen darüber hinaus auch ganz harmlose Beispiele dafür, warum von den Menschen, aber auch in der Natur Dinge und Zustände imitiert werden. Das kann dann auch ganz witzig sein.
Vor allem an der Station, die dazu animiert, Geld zu fälschen …
Dieses Angebot richtet sich zunächst einmal vor allem an Kinder. Da wird rasch ein spielerischer Trieb geweckt – wobei es interessant ist, dass man durch diese partizipativen Elemente nicht nur die Jüngeren anspricht. Das Thema Geldfälschen zum Beispiel funktioniert ganz gut in allen Altersstufen.
Kuratiert hat die Ausstellung Florian Dörschel, wissenschaftlicher Volontär. Was für eine schöne Möglichkeit für einen jungen Museumsmenschen. Hatten Sie zu Beginn Ihrer Laufbahn auch so viel Vertrauensvorschuss vonseiten Ihrer Vorgesetzten?
Tatsächlich lief es bei mir ähnlich. Ich sammelte erste Erfahrungen im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim. Dort wurde uns Volontären auch viel Verantwortung übertragen und wir durften große Ausstellungen kuratieren. Dieses Konzept hat hier am Haus gute Tradition und ist meiner Meinung nach der klassische und beste Einstieg in das Museumsbusiness. Es verbindet Verantwortung mit einem gewissen geschützten Raum. Florian Dörschel wurde dieser Aufgabe voll gerecht. Auch das Thema »Alles Fake?« stammte von ihm.
Welche Anforderungen muss ein Team erfüllen, um solche Wege gehen zu können?
Das ist vor allem ein großes Geben und Nehmen. Geben kann man jedoch nur, wenn man auch die Ressourcen dafür hat. Man braucht gewisse Kompetenzen im Team. Und noch wichtiger ist eigentlich, dass alle an einem Strang ziehen. Das macht wohl ein eingespieltes, harmonisches, gut laufendes Team aus.
Frau Dr. Spiegel hat mir bei ihrem Abschied versichert: »Herr Kotter, ich übergebe Ihnen ein ganz hervorragendes Team. Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.« Und damit hatte sie absolut recht.
Ein Abschnitt Ihrer aktuellen Ausstellung nennt sich »Wall of Fake«. Was ist denn Ihre persönliche Lieblingsfälschung?
Das ist eine gute Frage. Der Witz bei der Ausstellung ist ja tatsächlich, dass eine gelungene Mischung gezeigt wird aus wirklich sehr bekannten Fälschungen, wie den »Hitler-Tagebüchern«, und Exponaten, die man eben nicht gleich erwarten würde, wie einen Ken-Follett-Roman, der gar nicht von Ken Follett stammt. Ich kann, glaube ich, gegenwärtig keinen Favoriten nennen.
Empfinden Sie es eigentlich als beruhigend, dass es Täuschungen und Manipulationen schon immer gab und das Leben trotzdem immer weiterging?
Wenn man sich intensiver mit Geschichte beschäftigt, dann weiß man: Geschichte wiederholt sich nicht wirklich, aber gewisse Grundmuster tauchen immer wieder auf – und das finde ich tatsächlich ein bisschen beruhigend.
Das heißt, ein fundiertes geschichtliches Grundwissen sorgt für mehr Gelassenheit im Leben?
Es hilft vielleicht manche Dinge besser einzuordnen. Andererseits können Blicke in die Vergangenheit natürlich durchaus Angst machen. Heutzutage haben wir ganz andere technische Möglichkeiten, Unfug anzurichten, als vor zehn, hundert oder tauschend Jahren. Das ist vielleicht der größte Unterschied.
Zu Ihrem Wirkungskreis gehört auch das Kunstforum Oberschönenfeld. Bis vor Kurzem firmierte dieser Kulturort noch als Schwäbische Galerie. Warum die Namensänderung?
Eine Galerie nennt man in der Regel einen Ort, an dem man Kunst kaufen kann und wo der Eintritt gewöhnlich frei ist.
Aber Preislisten liegen doch bei Ihren Ausstellungen ebenfalls aus.
Ja, aber eben nicht immer. Das ist dann so eine Gratwanderung, denn der Verkauf ist hier wirklich nur ein Nebenaspekt und längst nicht bei allen Ausstellungen ein Thema. Der Fokus liegt klar auf der Museumsarbeit, also Ausstellungen und ein attraktives Rahmenprogramm anzubieten. So hat man sich auf die Bezeichnung Forum geeinigt. Sie beinhaltet auch den Dialog, den wir pflegen wollen: eben kein reiner Musentempel sein, sondern die Menschen an zeitgenössische Kunst heranführen.
Zu Beginn unseres Gesprächs ist schon einmal der Name Weiherhof gefallen. Dort, in nächster Nachbarschaft zum Klosterareal Oberschönenfeld, wird nicht nur gerade Ihr Depotbau errichtet, es wird auch der »Kunst_Raum« Weiherhof entstehen. Damit wird der Wirkungskreis Ihres Museums in absehbarer Zeit vergrößert. Was erwarten Sie sich von dieser Erweiterung?
Ich gehe davon aus, dass sie für den Standort definitiv eine Aufwertung sein wird und das Kulturangebot des Bezirks Schwaben damit auf Besucher*innen – in dem Fall vor allem Kunstinteressierte – noch attraktiver wirkt. Im Kunstforum erlebt man Künstlerinnen und Künstler, die bereits ein Standing haben. Am Weiherhof wollen wir mit dem Kunst_Raum jungen Menschen am Anfang ihrer Karriere die Möglichkeit bieten, zu arbeiten, auszustellen, ein Publikum zu finden. Auf überschaubarem Raum mehrere lohnende Ziele zu haben, ist mit Sicherheit reizvoll für unser Publikum.