Während seiner Zeit als Staatsanwalt soll Yashar G. Informationen an eine Kokain-Bande verkauft haben. Nun kam er im Prozess am LG Hannover selbst zu Wort – und wies die Vorwürfe entschieden zurück. Nicht er sei der Maulwurf im System.
Der wegen Korruption angeklagte Staatsanwalt Yashar G. hat den Vorwurf, Geschäfte mit der Kokain-Mafia gemacht zu haben, vor dem Landgericht Hannover von sich gewiesen. Der Jurist, der jahrelang Drogenkriminelle erfolgreich vor Gericht brachte, bestreitet, mit einer international operierenden Kokainbande gemeinsame Sache gemacht zu haben.
Schon bei Prozessbeginn gab er den Prozessbeteiligten zu verstehen, dass an dem, was ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, nicht viel dran sei. Jetzt, am zweiten Verhandlungstag, kam der 39-Jährige ausführlicher zu Wort und wies die Anschuldigungen scharf zurück. Die Chatprotokolle, die ihn belasten sollen, hält er für ein Missverständnis. „Die Beweisaufnahme wird zeigen, dass nicht ich, sondern ein Beamter des Landeskriminalamts Niedersachsen der ‚Cop‘ aus den entschlüsselten Chats ist“, sagte er vor dem Landgericht Hannover. Es sei nicht seine Absicht, jemanden zu bezichtigen: „Ich erfahre am eigenen Leib, was falsche Anschuldigungen bedeuten.“
Seit Oktober sitzt der ehemalige Leiter der Betäubungsmittelabteilung der Staatsanwaltschaft Hannover in Untersuchungshaft. Die Anklage wirft ihm vor, zwischen Juni 2020 und März 2021 gegen Bezahlung interne Informationen an eine Kokainbande weitergegeben zu haben – unter anderem habe er vor einer bevorstehenden Razzia gewarnt, woraufhin sich mehrere Drogenbosse ins Ausland absetzten.
Dem Juristen werden insgesamt 14 Fälle besonders schwerer Bestechlichkeit zur Last gelegt. Zusätzlich ist er wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses sowie Strafvereitelung im Amt angeklagt.
„So dumm bin ich nicht“
Mit auf der Anklagebank sitzt der 41-jährige Boxtrainer Amir-Houman F., der laut Staatsanwaltschaft in zwölf Fällen als Mittelsmann der Bande fungiert haben soll. Die angeblichen Bestechungsgelder in Höhe von monatlich 5.000 Euro habe er in seinem Kampfsportstudio, in dem auch G. Mitglied gewesen sein soll, an den Staatsanwalt übergeben.
Der Angeklagte bestreitet jedoch, der gesuchte Maulwurf zu sein – und verweist auf vermeintlich widersprüchliches Verhalten: „Wenn ich das gewesen wäre, hätte ich mich bestimmt nicht offiziell in dem Studio angemeldet, dort Selfies gemacht und das Geld am selben Tag am Automaten eingezahlt.“ Er betonte: „So dumm bin ich nicht. Ich bin ein erfahrener Ermittler.“
Auch finanzielle Motive weist er zurück. Er sei nicht in Geldnot gewesen, die angeblichen Bestechungsgelder seien ein Witz. Für solch eine Summe hätte er „nicht meinen Job, meine Arbeit, mein Renommee, meine Pension, meine gesamte Existenz aufs Spiel gesetzt“. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass G. neben den monatlichen 5.000 Euro für einzelne Tipps zu Haftbefehlen, Observationen oder Telekommunikationsüberwachung jeweils nochmal 5.000 Euro erhalten hat. So sollen insgesamt 65.000 Euro in den knapp 9 Monaten ab Mitte 2020 an G. geflossen sein.
Ermittler statt Erpresster
Ausführlich schilderte der Staatsanwalt seine Erfolge im Kampf gegen die Drogenkriminalität – etwa im sogenannten Komplex „Belarus“. Dort habe er gemeinsam mit Zielfahndern geflüchtete Verdächtige ausfindig gemacht und erfolgreich vor Gericht gebracht. „Macht das ein Staatsanwalt, der erpressbar ist?“, fragte G. rhetorisch. Auch seine damalige Vorgesetzte habe geäußert, dass er „schizophren“ sein müsste, wenn er einer Tätergruppe, gegen die er so rigoros vorgehe, gleichzeitig Informationen zugespielt hätte.
Die angeklagten Taten stünden kurz vor der Verjährung, so der Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft wolle deshalb offenbar „einen Kopf rollen sehen“. Er selbst sei zum Sündenbock geworden, kritisierte der Jurist. „Während der Maulwurf noch draußen frei rumläuft, sich ins Fäustchen lacht und die Verjährung abwartet.“
„Ich wollte für die gute Seite arbeiten“*
Insgesamt fünf Stunden lang schilderte G. im Prozess seine Sicht der Dinge. Dabei betonte er, dass er mit seinen Prädikatsexamen ein Jobangebot von einer renommierten Kanzlei mit einem Einstiegsgehalt von 120.000 Euro brutto gehabt habe. „Ich wollte aus meiner Sicht für die gute Seite arbeiten“, so der Jurist. „Jetzt wird mir vorgeworfen, Schmiergeld von der Kokain-Mafia angenommen zu haben. Das ist absolut absurd.“
Mehrere vom „Cop“ verratene Informationen habe er zum Zeitpunkt ihrer Weitergabe noch gar nicht gekannt, erklärte G. Diese seien nur im LKA bekannt gewesen. Der anvisierte Tag der Razzia – der 3. März 2021 – wiederum habe schon Ende 2020 festgestanden. Er gehe davon aus, dass einer der 1.000 involvierten Polizisten am Vorabend vor den Durchsuchungen gewarnt habe. Für den Dauer-Maulwurf habe keine Notwendigkeit bestanden, vor der Razzia zu warnen, weil dessen Hauptgeschäftspartner – die beiden Köpfe der Drogenbande – zu diesem Zeitpunkt bereits im Ausland waren.
Für ihn sei es unerträglich gewesen, die Anklagevorwürfe zu hören, so G. im Prozess. Er habe Hunderttausende Dateien durchgearbeitet. „Es werden weitere Ermittlungspannen und unterschlagene Chats herauskommen“, sagte der Jurist.
Seine Einlassung soll am 13. Mai fortgesetzt werden. Am 15. Mai wird nach Planung des Gerichts mit den Zeugenvernehmungen begonnen. Für den Prozess sind zunächst 20 Verhandlungstage bis Mitte September angesetzt.
dpa/pa/lmb/LTO-Redaktion
* Der Artikel wurde am Tag der Veröffentlichung um weitere Informationen ergänzt, 17.47 Uhr.
Zitiervorschlag
Angeklagter Staatsanwalt wehrt sich gegen Korruptionsvorwurf:
. In: Legal Tribune Online,
12.05.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/57176 (abgerufen am:
13.05.2025
)
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